Stellungnahme der BAGFW zu den Richtlinien des GKV Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi)

Durch Beschluss des PSG III bedürfen die am 01.01.2017 in Kraft getretenen Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutachtungs-Richtlinien - BRi) einer Aktualisierung.

Durch Beschluss des PSG III bedürfen die am 01.01.2017 in Kraft getretenen Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutachtungs-Richtlinien - BRi) einer Aktualisierung. Zwischenzeitlich liegt ein Entwurf dieser überarbeiteten Richtlinien mit Stand vom 07. März 2017 vor.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) nimmt zu dem Entwurf wie folgt Stellung:

 

      I.        Vorbemerkung

 

Die Begrifflichkeiten „behinderte Menschen“, „psychisch kranke Menschen“ und „behindertengerecht“ sind zu ersetzen durch die Begriffe „Menschen mit Behinderung“, „Menschen mit psychischen Erkrankungen“ und „barrierefrei“. Die in den Richtlinien genannten Bezeichnungen in Bezug auf Menschen mit Behinderung spiegeln eine defizitorientierte Sichtweise wider und stellen damit nicht den Menschen, sondern die Behinderung in den Vordergrund der Betrachtung. Dies ist im Hinblick auf eine teilhabeorientierte Sichtweise, die durch das Bundesteilhabe-Gesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention (in welcher der Begriff „Menschen mit Behinderungen“ festgelegt und definiert ist) explizit hervorgehoben wird, nicht weiter vertretbar.

 

    II.        Änderung 4.9.1 F 4.1 und 5.5.1 KF 4.1 Modul 1: Mobilität

 

Es ist bei der Vereinheitlichung der Beschreibungen darauf zu achten (hier: Streichung des Wortes „lediglich“ und Einfügung der Begriffe „ausschließlich motorisch“), dass sensorische Beeinträchtigungen ebenfalls abgebildet sind, d. h. motorische Aspekte diese umfassen. Dies gilt entsprechend auch für Punkt 5.5.1 KF 4.1.

 

   III.        4.9. 1 F 4.1.4 und 5.5.1 KF 4.1.4 Kriterium: Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs

 

Die Anpassung lautet: „Auch wenn sich die Person darüber hinaus aus eigenem Willen in ihrer Wohnung krabbelnd oder robbend fortbewegen kann, ändert dies nichts an der Bewertung als „überwiegend unselbständig“.“

In der sprachlichen Anpassung von 4.9.1 (F4.1) und 5.5.1 (KF 4.1) sehen wir keine deutlichere Aussage gegenüber dem bisherigen Text. Aus unserer Sicht wäre wünschenswert – insbesondere im Erwachsenenbereich – wenn die Formulierung Krabbeln und Robben ganz entfallen könnte, da diese nicht der physiologischen Fortbewegung entspricht und daher nicht extra erwähnt werden muss.

 

  IV.        4.9.3 F 4.3.8 Kriterium: Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen

 

„Die Überschrift dieses Kriteriums ist an den Gesetzeswortlaut in § 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI anzupassen („und“ statt „oder“)“

 

Der Gesetzeswortlaut, auf den sich die Änderung bezieht, findet sich unter § 14 Abs. 2 Nr.3 SGB XI. Die Änderung ist sachdienlich.

Die Änderung in der Überschrift muss auch im Text selbst übernommen werden. Hier müsste somit ebenfalls das „oder“ durch „und“ ersetzt werden.

 

   V.        4.10.1 F 4.5.8 bis 4.5.11 Bewertungsregeln zu Modul 5

 

„Die angegebenen Häufigkeiten sind entsprechend der gesetzlichen Klarstellung in der Anlage 1 zu § 15 SGB XI (PSG III) von „bis zweimal“ in „unter dreimal“ zu ändern.“

 

Diese Klarstellung ist zu begrüßen, da so sichergestellt ist, dass bei einer Summe von entsprechenden Maßnahmen der Module 5.8-5.11, die zwischen 2 und 3 liegt, 2 Einzelpunkte gegeben werden.

 

  VI.        4.14 F 9 Prognose/Wiederholungsbegutachtung

 

Der Halbsatz „oder durch eine Verbesserung des Wohnumfeldes“ ist zu streichen. Es kommt gem. der Begründung zu § 14 Abs. 1 SGB XI bei der Einschätzung der Selbständigkeit nicht (mehr) auf das jeweilige (Wohn-)Umfeld an.

 

Die Streichung ist zu begrüßen, da es in der Gesetzesbegründung heißt: „Die Beeinträchtigung der Selbständigkeit und Fähigkeitsstörungen werden personenbezogen und unabhängig vom jeweiligen (Wohn-) Umfeld ermittelt.“ (Ref.entw. PSG II S.89 Definition Abs.1) Somit sind Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen nicht aussagefähig in Bezug auf Prognose oder Wiederholungsbegutachtung.

 

 VII.        F 4.4.13         Ernährung parenteral oder über Sonde, Kriterium: Nicht täglich, nicht auf Dauer:           

 

„Die Person erhält zusätzlich zur oralen Nahrungsaufnahme Nahrung oder Flüssigkeit parenteral oder über Sonde, aber nur gelegentlich oder vorübergehend.“

 

Hier passen Systematik und Bewertung nicht zusammen. Beispiel: Ein Pflegebedürftiger erhält zusätzlich zur oralen Ernährung, aber nicht täglich, Sondenkost. Dadurch soll im Rahmen der aktivierenden Pflege erreicht werden, dass er allmählich wieder vollständig Nahrung und Flüssigkeit oral aufnehmen kann. Dieser Konstellation werden die vorgegebenen Kategorien jedoch nicht gerecht. Denn wählt man hier die Variante B für „nicht täglich“, wird der Pflegebedürftige quasi für die Förderung seiner Fähigkeiten „bestraft“.