Stellungnahme der BAGFW zum Abschlussbericht zur Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege (2012 - 2015)

Es ist gelungen, in der Laufzeit der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive die Ausbildungszahlen in der Altenpflege deutlich zu steigern. Der Fachkräftemangel ist allerdings keineswegs behoben. Es besteht weiterhin ein dringender Bedarf die Motivation zu einer Pflegeausbildung zu fördern.

Der Abschlussbericht gibt einen umfassenden Überblick der Aktivitäten zur Förderung der Altenpflegeausbildung über den gesamten Zeitraum der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive. Es ist gelungen, in der Laufzeit der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive die Ausbildungszahlen in der Altenpflege deutlich zu steigern. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Fachkräftemangel trotz erhöhter Ausbildungszahlen in der Altenpflege keinesfalls behoben ist und weiterhin ein gravierender Fachkräftemangel besteht, so dass der Auftrag der Ausbildungs- und Qualifizierungs-offensive nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Es besteht weiterhin ein dringender Bedarf, durch geeignete Maßnahmen die Motivation zu einer Pflegeausbildung zu fördern.

Der Bericht verweist in diesem Zusammenhang auf die Konzertierte Aktion Pflege (KAP), die den Auftrag hat, den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden spürbar zu verbessern. Es besteht die Erwartung, dass von der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) ein Motivationsschub für die generalistische Pflegeausbildung ausgehen wird.

Der Abschlussbericht würdigt den Start der neuen generalistischen Pflegeausbildung im Jahr 2020 als Chance für die Steigerung der Attraktivität der Pflegeausbildung. Analog zur Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive sollte die neue Ausbildung zur Pflegefachfrau und zum Pflegefachmann durch geeignete Maßnahmen begleitet werden.

Die im Bericht dargestellten Materialen sind umfassend und aussagefähig, so dass ein guter Überblick über die Ausbildungssituation in der Altenpflege vermittelt wird. Allerdings finden sich keine Zahlen zum praktischen Teil der Ausbildung und es bleibt damit offen, ob das Angebot an praktischen Ausbildungsplätzen in den Diensten und Einrichtungen ausreichend war oder sich hinderlich ausgewirkt hat.

Die fördernde Wirkung der bundeslandbezogenen Ausbildungsumlage auf die Ausbildungsbereitschaft wird im Bericht anschaulich belegt. Es ist zu erwarten, dass sich die im Pflegeberufegesetz vorgesehene Umlage der Ausbildungskosten ebenso positiv auf die Ausbildungszahlen auswirken wird.

 

Die Gewinnung Auszubildender aus dem Ausland wird nur kurz behandelt, ohne dass ihre quantitative Bedeutung für die Ausbildungszahlen ausgeführt und bewertet wird. Die Gewinnung Auszubildender aus dem Ausland ist ein Beispiel für ein Thema, das zukünftig zur Förderung der Ausbildung in der Pflege erneut aufgegriffen und weitergeführt werden sollte.

Zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf wird auf die Regelungen des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes verwiesen. Es fehlt der Hinweis, dass die gesetzlichen Regelungen nicht zu den angestrebten Wirkungen geführt haben und es dringend wirkungsvollerer unterstützender gesetzlicher Regelungen bedarf.

 

Ebenso fehlt eine fundierte Behandlung der Personen, die die Altenpflegeausbildung vorzeitig beenden. Eine quantitative und qualitative Analyse der Gründe und Ursachen könnte zu einer Reduzierung der nicht abgeschlossenen Ausbildungen beitragen.

In der ausführlichen „Bilanz der Offensive“ setzt sich der Abschlussbericht mit der Verbesserung der Arbeitssituation in der Altenpflege auseinander. Dort finden sich Einschätzungen, die nicht durch entsprechende Fakten belegt werden. Auf einen kritischen Aspekt sei an dieser Stelle hingewiesen: Auf Seite 24 findet sich der Satz „Aufgrund des Fachkräftemangels und der zunehmenden Herausforderung, Pflegekräfte zu gewinnen, hat sich das Entgeltniveau für Altenpflegefachkräfte nach Aussagen der Verbände bereits deutlich vom Mindestlohn in der Pflege entfernt.“ Es fehlt ein Bezug für diese angebliche „Aussage der Verbände“. Weiterhin bestehen deutliche Zweifel, ob die Aussage, dass sich der Lohn einer Pflegefachkraft vom gesetzlichen Mindestlohn (9,40 Euro Bruttostundenlohn in 2015) wegbewegt hat, wirklich als Erfolg bewertet werden kann.

Im Folgenden betont der Abschlussbericht die Bedeutung der Einkommensentwicklung in den Pflegeberufen. In diesem Zusammenhang sei auf die unbefriedigende Situation der ambulanten Pflegedienste hingewiesen, die ihre Vergütung im freien Spiel der Kräfte mit denen der Krankenkassen aushandeln müssen. Faire Verhandlungen setzen jedoch auch ein Gleichgewicht dieser Kräfte voraus. Ein solches besteht allerdings nicht. Die Krankenkassen berufen sich auf eine Lücke im Fünften Sozialgesetzbuch und verweigern eine volle Refinanzierung der Tarifsteigerungen. Den ambulanten Pflegediensten stehen keine wirkungsvollen Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre Vergütungsforderungen durchsetzen zu können. Selbst die Nutzung von Rechtsschutzmöglichkeiten wie z.B. Schiedsverfahren kann einem langjährigen Zeitverlust bis zum eventuellen und höchst unsicheren Erfolg nicht verhindern. Die Folgen sind dramatisch. Sozialstationen berichten immer wieder von Arbeitsverdichtungen bei den Mitarbeitenden und wirtschaftlichen Notlagen der Dienste. Das zeigt, wie sehr sie existenziell von der Vergütung eines marktgerechten und kostendeckenden Stundensatzes durch die jeweilige gesetzliche Krankenkasse abhängig sind.  

Viele gesetzliche Krankenkassen weigern sich jedoch, diesen sachgerechten Kosten Rechnung zu tragen. Die Gleichsetzung tariflicher Entlohnung mit wirtschaftlicher Betriebsführung muss deshalb auch im SGB V festgeschrieben werden.

Der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland e. V. (VKAD) hat im Jahr 2014/15 mit einer Online-Petition (über 50.000 Unterzeichner/innen) gegen diesen Missstand mobilisiert, weil dieser bundesweit die ambulanten Pflegedienste unter massiven Existenzdruck stellt.

Der Erfolg der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive ist nicht zuletzt auch dem Engagement der Mitarbeitenden in den Pflegeschulen sowie in den Diensten und Einrichtungen zu verdanken, die sich neben ihren Alltagsaufgaben für die Auszubildenden engagiert haben. Es wäre schön dieses Engagement im Abschlussbericht zu würdigen.

Berlin, 29.08.2018

Bundesarbeitsgemeinschaft

der Freien Wohlfahrtspflege e. V.

 

Dr. Gerhard Timm

Geschäftsführer

 

 

Kontakt:

Manfred Carrier (manfred.carrier@diakonie.de)