Stellungnahme der BAGFW zu den Anträgen der FDP-Bundestagsfraktion „Anpassungen der Corona-Teststrategie für das Jahr 2021“ und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Kapazitäten für Schnelltests massiv ausbauen

Antrag der FDP-Bundestagsfraktion „Anpassungen der Corona-Teststrategie für das Jahr 2021“ (BT-Drs. 19/26189)

Die FDP setzt sich in ihrem Antrag für Anpassungen bei der Teststrategie ein. Der Antrag sieht dazu folgende Maßnahmen vor:

 

  • Eine Erhöhung der Testfrequenz von Antigen-PoC-Schnelltests für vulnerable Gruppen, insbesondere pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung
  • Anpassung der MPAV, um die Abgabe der Schnelltests an Laien zu ermöglichen
  • Beschleunigung der Meldungen von SARS-CoV-2 positiven Personen durch Ausbau digitaler Meldewege der Gesundheitsämter und einen Rund-um-die-Uhr Betrieb der Labore und Gesundheitsämter
  • Förderung der Sequenzierung von SARS-CoV-2 in Krankenhäuser positiv getesteten Proben
  • Sequenzierung von positiv auf Corona getesteten, aber bereits geimpften oder nachweislich vorher an Corona erkrankten Personen
  • Gemeinsame Test-und Präventionsstrategie für Reiseregularien im Schengen-Raum zur Ermöglichung des Tourismus spätestens im Sommer

 

Die Verbände der BAGFW nehmen dazu, wie folgt, Stellung:

Vorweg sei erwähnt, dass sich die sowohl von im Antrag der FDP als auch im Antrag der GRÜNEN erhobene Forderung nach Anpassung der MPAV für den Einsatz von Laientests erledigt hat, indem die Anlage 3 zu § 3 Absatz 4 der MPAV am 2. Februar entsprechend angepasst wurde. Die Anträge der FDP und der GRÜNEN sind jedoch bereits im Januar in den Bundestag eingebracht worden, sodass die entsprechenden Forderungen zu diesem Zeitpunkt noch virulent waren.

Die Freie Wohlfahrtspflege hat sich seit Beginn der Pandemie dafür eingesetzt, dass im Fokus von Schutzmaßnahmen die vulnerablen Gruppen stehen müssen. Das sind pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderungen, aber auch Menschen in prekären Lebenssituationen, wie z.B. Wohnungslose, Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität, Frauen und Kinder in Frauenhäusern oder Gewaltschutzwohnungen sowie Menschen, die in Massenunterkünften wie Gemeinschaftseinrichtungen für Geflüchtete oder in Justizvollzugsanstalten leben. Für die Impfung hat die STIKO aufgrund der Impfstoffknappheit eine Prioriätenliste erarbeitet, anhand derer sich nach unserer Auffassung die Impfverordnung weiter orientieren sollte. Bezüglich der Testungen fordert die Freie Wohlfahrtspflege seit langem, nicht nur auf Pflegeeinrichtungen zu konzentrieren, sondern auch auf die eben genannten Einrichtungen. Die FDP hat sich hier insbesondere für die Belange von Menschen mit Behinderungen engagiert. Lange hat es gedauert, bis die Personalkosten in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe in der Testverordnung verankert wurden. Es fehlt nach wie vor an einer Regelung, nach der die entstandenen Kosten rückwirkend geltend gemacht werden können. Mit der jüngsten Aktualisierung der Testverordnung werden ab jetzt die Personalkosten in den Obdachloseneinrichtungen refinanziert. Präventive Testungen sind jetzt jüngst auch in den Gemeinschaftseinrichtungen für Asylsuchende, Flüchtlinge, vollziehbar Ausreisepflichtige und Spätaussiedler möglich, aber es fehlt an einer Refinanzierung der Personalkosten. Auch in den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen, die schon seit Sommer wieder ihren Regelbetrieb unter Corona-Bedingungen aufgenommen haben, werden die Personalkosten für die für die Aufnahme von Patient/innen unabdingbar erforderlichen Testungen nicht finanziert. Generell ist festzustellen, dass der Mehraufwand, der durch Hygienemaßnahmen oder Testungen entsteht, den sozialen Einrichtungen mit Ausnahme der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser nicht hinreichend erstattet werden. Dieser Aufwand muss in Vergütungsverhandlungen berücksichtigungsfähig sein.

Bezüglich der Testfrequenz gilt auch aus unserer Sicht, dass Kontaktpersonen vulnerabler Personengruppen so häufig wie möglich getestet werden sollten, um die Ansteckungsrisiken zu reduzieren. Die Häufigkeit wird in den Länderverordnungen geregelt. Da die Antigen-Testungen den Einsatz von geschultem Personal erfordern, bedarf es hierfür jedoch einer entsprechenden Personalkapazität. Insbesondere die Altenpflegeeinrichtungen, in denen aufgrund der hohen Vulnerabilität der von ihr versorgten Menschen viel getestet werden muss, erfuhren hierfür viel zu spät Unterstützung, z.B. durch den Einsatz der Bundeswehr, der erst nach Weihnachten erfolgt ist. Weitere Entlastungsmöglichkeiten könnten in einer Erhöhung der kostenlosen Möglichkeiten zu Bürgertests für Besuchende bestehen.

Eine schnellere Kontaktnachverfolgung ist ein wesentliches Element zur Eindämmung der Pandemie, wie der Antrag der FDP zu Recht feststellt. Der Öffentliche Gesundheitsdienst liegt seit vielen Jahren darnieder. Zum einen bedarf der ÖGD dringend einer personellen Aufstockung, zum anderen einer besseren Sachausstattung, deren Schlüssel die Digitalisierung der Vorgänge ist. Die Forderung nach einem 24/7 Betrieb der Gesundheitsämter, wie im vorliegenden Antrag erhoben, scheint unter den gegebenen Umständen weit von zeitnaher Realisierbarkeit entfernt. Auch das gesetzlich verankerte elektronische Melderegister DEMIS kann nur funktionieren, wenn die Ämter nicht nur mit SORMAS ausgestattet sind, sondern auch in der Anwendung geschult sind. Das deutsche Gesundheitswesen im Allgemeinen und der Öffentliche Gesundheitsdienst muss dringend vom analogen Fax auf ein digitales Toolsystem umgestellt werden. Es hat sich zudem auch gezeigt, dass auch Labore nur begrenzte Kapazitäten haben, weswegen auch hier ein 24/7-Betrieb, wie von der FDP gefordert, fraglich erscheint.

Deutschland hinkt in der Sequenzierung von Virusmutationen hinter anderen Ländern her, wie die FDP zutreffend konstatiert. Daher wird die Forderung unterstützt, die Sequenzierung des Genoms zu forcieren. Wichtige Erkenntnisse können, wie im FDP-Antrag zutreffend dargelegt, Sequenzierungen bei positiv Getesteten Menschen, die entweder Corona durchgemacht haben oder geimpft sind, leisten.

Antrag der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN: „Kapazitäten für Schnelltests massiv ausbauen, Selbstverwaltung erlauben und Public-Health-Screenings ermöglichen“ (Drs. Nr. 19/25705)

Die GRÜNEN setzen sich in ihrem Antrag für einen Ausbau der Schnelltestkapazitäten ein und fordern eine public-health-Strategie für das Screening mittels Tests.

Im Einzelnen fordern die GRÜNEN:

  • Anreize zur Produktionssteigerung von Testungen für die Hersteller bei gleichzeitiger Sicherstellung von Priorisierungen in der Verteilung und Verhinderung von Engpässen durch kommerzielle Angebote
  • Änderung der MPAV zur Abgabe von Laientests in Apotheken
  • Qualitätsmindestanforderungen alle Arten von Schnelltests
  • Einbeziehung der Schnelltests in die Surveillance des RKI und möglichst in die Corona-Warn-App
  • Kostenübernahme von Schnelltests in Arztpraxen bei gegebener medizinischer Indikation

 

Zu diesen Punkten nehmen die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege wie folgt Stellung:

Die GRÜNEN thematisieren in ihrem Antrag die zu geringen Kapazitäten verfügbarer Schnelltests und die bedarfsgerechte Allokation. Auch aus unserer Sicht müssen der Bund, aber auch die Länder, durch Abnahmegarantien für herstellende Unternehmen, dafür Sorge tragen, dass sowohl mehr produziert wird. Sie haben jedoch auch dafür Sorge zu tragen, dass die Testungen bei begrenzten Kapazitäten in erster Linie den Bevölkerungsgruppen zukommen, die sie am dringendsten für den Alltag benötigen. Das sind sowohl die Kinder und Jugendlichen, aber auch bestimmte Berufsgruppen, die täglich vielfältigen Kontakten durch ihre Berufsausübung ausgesetzt sind, wie u.a. auch das Personal im Einzelhandel, Polizisten oder eben das Personal der sozialen Einrichtungen, insbesondere auch der stationären Einrichtungen, das 24 Stunden an 7 Tagen der Woche hilfebedürftige Menschen versorgen muss. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen daher, dass mit der letzten Änderung der TestV Bürgertests eingeführt wurden und alle Menschen nun wenigstens einmal pro Woche Anspruch auf einen kostenlosen PoC-Antigen-Test haben. Diese Frequenz sollte aus Sicht der BAGFW noch erhöht werden. Denn insbesondere einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger können sich die teilweise hohen Kosten für die PoC-Testungen in den privaten Testzentren nicht leisten. Daher ist sicherzustellen, dass vor allem einkommensschwache Bevölkerungsgruppen Zugang zu den Laientests haben. Auch der Preis von 5 Euro pro Laientest, der derzeit in den Supermärkten verlangt wird und nach Angaben der Hersteller ihrem Herstellungspreis entspricht, ist für SGB II- oder XII-Beziehende einfach zu teuer. Bund und Länder müssen daher Kontingente sichern, die z.B. in Testzentren kostenfrei oder gegen eine geringe Gebühr abgegeben werden können.

Ein wesentliches Ziel einer Pandemie-Strategie der nächsten Monate muss es sein, möglichst vielen Kindern und jungen Menschen den Zugang zu den Bildungseinrichtungen, von der Kita bis zur Schule, wieder zu ermöglichen. Neben den PoC-Antigen-Schnelltests, deren Einsatz medizinisch geschultes Personal erfordert, sollten qualitätsgeprüfte Laien-Tests, insbesondere solche, die vom BfArM zugelassen sind, zum Einsatz kommen können. Das im Antrag der GRÜNEN erwähnte Hessen-Projekt SAFE School ist hier vorbildhaft.

Ebenso, wie es eines Stufenplans für Öffnungen bedarf, bedarf es aus Sicht der BAGFW auch einer nach public-health-Kriterien ausgerichteten Test- und Impfstrategie. Für die Impfstrategie sollten die Kriterien der STIKO maßgeblich sein, solange nicht genügend Impfstoff am Markt ist. Gerade hinsichtlich der Teststrategie setzt sich die BAGFW uneingeschränkt für einen public-health-Ansatz ein. Wir begrüßen, dass mit der letzten Änderung der TestV endlich erreicht werden konnte, dass auch Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, Spätaussiedlern und vollziehbar Ausreisepflichtigen, die nach Aussage der STIKO zu den Settings mit hohem Ansteckungsrisiko gehören, in die TestV einbezogen wurden. Nicht nachvollziehbar ist für uns, warum nicht in gleicher Weise sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten in die präventiven Testungen einbezogen werden. Auch die die Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG, Frauenhäuser und vergleichbare Schutzunterkünfte, Gemeinschaftseinrichtungen für Mutter/Vater und Kind nach § 19 SGB VIII sowie ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die die STIKO gleichfalls als Settings mit hohem Ansteckungsrisiko in dieselbe Kategorie wie die Einrichtungen für Asylsuchende eintaxiert hat, müssen endlich flächendeckende Schnelltests erhalten können. Es muss jedoch nicht nur sichergestellt werden, dass Einrichtungen diese Testungen einsetzen können, sondern auch, dass ihr Einsatz refinanziert wird. Personalkosten für die Testungen werden bislang nur den Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und jüngst den Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe refinanziert, jedoch nach wie vor nicht den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen, den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, den Asylunterkünften sowie den SAPV-Diensten, ambulanten Hospizdiensten und den Intensivpflegediensten, die keinen Versorgungsvertrag nach dem SGB XI haben. Diese Ungleichbehandlung ist für uns nicht nachvollziehbar.

Im Sinne einer public-health-Strategie müssen auch die Menschen, die in aufenthaltsrechtlicher Illegalität in Deutschland leben – immerhin mindestens 180.000 Menschen bzw. sogar nach Schätzungen bis zum einer halben Million Menschen, Zugang zu den Testungen haben. Ihnen mangelt es häufig nicht nur an präventiven Testungen, sondern auch an Testungen beim konkreten Verdachtsfall, da sie fürchten müssen, dass ihre Daten den Ausländerbehörden übermittelt werden, wenn sie von ihren Testrechten Gebrauch machen. § 87 AufentG muss daher, zumindest für die Dauer der Pandemie, auch im Sinne von public-health, ausgesetzt werden.

Es hat sich in der Tat gezeigt, dass nicht alle verfügbaren Testmethoden in gleicher Weise aufgrund hoher Sensitivität und Spezifität zuverlässige Ergebnisse produzieren und dass sie auch nicht unbedingt einfach in der Handhabe sind. Damit sich die Menschen nicht in trügerischer Sicherheit bei Anwendung eines Tests wiegen und eine korrekte Handhabung gesichert ist, ist daher eine niedrigschwellige Aufklärungskampagne über die unterschiedlichen Testungen dringend geboten. Wie die GRÜNEN sehen auch wir die BzgA hier als geeignete Institution für eine solche dringend erforderliche Informationskampagne an.

Antigen-PoC-Schnelltests oder alternative Schnelltestungen sollten, wie die GRÜNEN vorschlagen, durchaus bei medizinischer Indikation auch in Hausarztpraxen durchgeführt werden können, um z.B. bei Vorliegen leichter Symptome schneller Klarheit zu haben; bei einem positivem Ergebnis muss dann allerdings auch ein PCR-Test erfolgen.