Eckpunkte der BAGFW zur Weiterentwicklung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO)

Artikel 27 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) verpflichtet die Vertragsstaaten u.a. „… zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen ihre Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte gleichberechtigt mit anderen ausüben können.“

1.    Stärkung der Mitbestimmung von Werkstattbeschäftigten

 

Artikel 27 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) verpflichtet die Vertragsstaaten u.a. „… zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen ihre Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte gleichberechtigt mit anderen ausüben können.“ Vor diesem Hintergrund begrüßt die BAGFW das Vorhaben der Koalitionsfraktionen, eine Weiterentwicklung der WMVO vorzunehmen.

 

Weiterhin sind entsprechend der UN-BRK für Werkstattbeschäftigte neben Mitwirkungsrechten zukünftig auch Mitbestimmungsrechte zu schaffen und in der WMVO rechtlich zu verankern. Aus Sicht der BAGFW begründet der mit der Beschäftigung in einer Werkstatt verbundene „arbeitnehmerähnliche Rechtsstatus“ nicht zwangsläufig geminderte Mitbestimmungsrechte. Im Sinne der Zielperspektive Inklusion muss die Zielsetzung sein, die Rechte von Werkstattbeschäftigten und die Regelungen der WMVO soweit wie möglich an das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und an das Recht der Schwerbehindertenvertretung anzupassen.

 

Dass eine erweiterte Mitbestimmung in der Praxis gut realisierbar ist, beweist die seit 2004 geltende Diakonie-Werkstättenmitwirkungsverordnung (DWMVO). Die hier verankerten Mitbestimmungsrechte beziehen sich auf Fragen der Werkstattordnung, Beschäftigungszeit und Pausen, Grundsätze für die Urlaubsplanung und Fortbildung, Grundsätze zur und Gestaltung der Entlohnung, die Anwendung von technischen Einrichtungen, Gestaltung von Sanitär- und Aufenthaltsräumen, die Verpflegung sowie die Gestaltung sozialer Aktivitäten. Aus Sicht der BAGFW sollten mindestens diese Elemente auch in der zukünftigen WMVO enthalten sein.

 

Die BAGFW weist vorsorglich darauf hin, dass auch für die im Rahmen eines Bundesteilhabegesetztes geplanten zukünftigen „Anderen Anbieter“ im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben entsprechende Mitbestimmungsregelungen für die dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen zu treffen sind. Die BAGFW fordert, vergleichbare Regelungen ebenfalls für die „anderen Anbieter“ verbindlich zu regeln und diese in die Überlegungen zur Weiterentwicklung der WMVO einzubeziehen. 

 

Weiterhin sind nach Auffassung der BAGFW in einer modernisierten WMVO Regelungen zu schaffen, die sicherstellen, dass zukünftig auch die Rechte von Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf, von denen viele nicht in der Lage sind, sich verbal zu artikulieren, verbindlich berücksichtigt werden. Parallel dazu sind diesbezüglich entsprechende, für den Personenkreis geeignete Verfahren (wie bspw. Teilnehmende Beobachtung im Rahmen von Peer-Group-Settings, technische Hilfen wie z.B. „Talker“ usw.) zu entwickeln und verbindlich zur Anwendung zu bringen.

 

Mit der Frage der Mitbestimmung unmittelbar verknüpft ist die Frage nach der Funktion der Vermittlungsstelle nach § 6 WMVO. Zur Stärkung der Mitbestimmungsrechte ist es aus Sicht der BAGFW erforderlich, eine Verbindlichkeit der Entscheidung der Schlichtungsstelle festzulegen. Zudem sollte die Möglichkeit arbeitsrechtlicher Überprüfung geschaffen werden.

 

Die WMVO muss auch in Leichter Sprache zur Verfügung gestellt werden.

 

 

2.    Zahl der Mitglieder des Werkstattrates

 

Die BAGFW unterstützt den Vorschlag der Bundesvereinigung der Werkstatträte (BVWR), dass sich in Werkstätten mit über 600 Beschäftigten pro weitere 200 Beschäftigte die Zahl um zwei Werkstatträte erhöht.

 

 

3.    Zulassung von Werkstatträten in Zweigwerkstätten und Betriebsstätten

 

Zweigwerkstätten befinden sich häufig räumlich weit entfernt von der Werkstatt. Zudem werden in dieser Organisationsform häufig Angebote für besondere Personenkreise vorgehalten. Um den dort tätigen Beschäftigten eine wirksame Vertretung zu ermöglichen, wird angeregt, auch hier die Regelung der DWMVO zu übernehmen. Demnach sollte ein Werkstattrat gewählt werden können in Werkstätten und Betriebsstätten, die

 

-          eine eigene Organisation und Leitung haben

-          räumlich weit entfernt von der Werkstatt sind oder

-          in denen ein eigenständiger besonderer Personenkreis beschäftigt ist.

 

 

4.    Fort- und Weiterbildung

 

Eine Stärkung der Rechte der Werkstatträte geht mit einem erhöhten Fort- und Weiterbildungsbedarf einher. Im Sinne der UN-BRK sind entsprechende angemessene Vorkehrungen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund sieht die BAGFW eine Gleichbehandlung von Betriebs- und Werkstatträten hinsichtlich der Freistellungsregelungen als erforderlich an.

 

 

5.    Frauenbeauftragte / Gleichstellungsbeauftragte

 

Nach Auffassung der BAGFW sind Frauenbeauftragte/Gleichstellungsbeauftragte in einer Neufassung der WMVO vorzusehen. Dabei sind eine angemessene Qualifizierung sowie Regelungen zur Freistellung für die Ausübung des Amtes zu entwickeln und gesetzlich zu verankern. Weiterhin sind die erforderlichen räumlichen und finanziellen Ressourcen bereitzustellen sowie die Möglichkeit, eine Unterstützerin analog der Vertrauensperson des Werkstattrates hinzuzuziehen. Bei der Entwicklung der Regelungen sollten die Regelungen zur Funktion der Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten im Öffentlichen Dienst als Orientierung dienen. Es wird darüber hinaus angeregt, eine Regelung zu schaffen, die es ermöglicht, in Abhängigkeit zum jeweiligen Bedarf der Werkstatt ein Gleichstellungsteam zu installieren, so dass auch eine Unterstützung weiterer spezieller Personengruppen (wie z.B. Migrantinnen und Migranten, Männer mit Gewalt- bzw. Missbrauchserfahrungen o.a.) gewährleistet werden kann.

 

 

6.    Finanzierung der Werkstatträte

 

Die Werkstatträte vertreten in verschiedenen Formen regional und überregional die Interessen der Werkstattbeschäftigten. Die Arbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte (BVWR) erfolgt dabei bisher im Rahmen einer befristeten Projektförderung und auch die Finanzierung der Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaften der Werkstatträte ist nur in einzelnen Bundesländern bisher geregelt. Um die Mitbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderungen auf überregionaler Ebene wirksam zu stärken und zu sichern, muss im Rahmen der Weiterentwicklung der WMVO eine tragfähige Lösung entwickelt und rechtlich verankert werden, die eine zuverlässige und langfristige Finanzierung der BVWR wie auch der LAGs der Werkstatträte gewährleistet.