Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Mazedonien als „Sichere Herkunftsländer“

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes, bedauert jedoch die kurze Stellungnahmefrist von nur einer Woche, die angesichts der beabsichtigten

Einschränkungen des Flüchtlingsschutzes für die betroffenen Antragstellerinnen und Antragsteller nicht angemessen erscheint.

Wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, sollen im vorliegenden Gesetzentwurf die Länder Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu „sicheren Herkunfts- staaten“ im Sinne des § 29 a Asylverfahrensgesetz erklärt und in Anlage II zum Asyl- verfahrensgesetz aufgenommen werden. Als Begründung wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU nur in wenigen Einzelfällen vorliegt. Aus asyl- fremden Motiven gestellte Asylanträge sollen eingedämmt werden, Deutschland als Zielland weniger attraktiv gemacht, Asylverfahren verkürzt und kommunale Belastun- gen verringert werden.

 

Die Asylsuchenden aus den drei Herkunftsländern werden bereits heute prioritär in sog. Direktverfahren behandelt. Die Anhörung soll dabei möglichst am Tag der An- tragstellung, spätestens am nächsten oder übernächsten Tag, die Entscheidung und Zustellung möglichst binnen einer Woche erfolgen. Das Verfahren bei diesen Her- kunftsländern ist schon heute von der Einschätzung geprägt, dass bei einer Schutzquote von weit unter einem Prozent von einer grundsätzlich aussichtslosen Asylantragstellung auszugehen sei.1

 

Die Deklarierung der o.g. Staaten als sichere Herkunftsstaaten hätte zur Folge, dass der Asylantrag nunmehr sofort als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird, solan- ge die Antragstellerinn und der Antragsteller aus den benannten Staaten nicht glaub- haft Tatsachen vorträgt, dass er entgegen der gesetzlichen Vermutung doch wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder seiner Zugehörig- keit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird. An diesen Vortrag werden höhere Maßstäbe angelegt als bei einem regulären Asylantrag.

 

 

 

1 Entscheiderbrief 9/2012 „Bevorzugte Bearbeitung von Asylanträgen der HKL Serbien und Mazedonien“

 

Die BAGFW spricht sich gegen die geplante Gesetzesänderung aus, da im Falle ei- ner tatsächlich vorliegenden Verfolgung die Widerlegung der grundsätzlichen Vermu- tung der offensichtlichen Unbegründetheit eine erhöhte Darlegungslast seitens des Schutzsuchenden erfordert, die dieser ohne entsprechende Unterstützung in vielen Fällen vermutlich gar nicht leisten kann. Dem dadurch entstehenden erhöhten Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen wird gerade durch die Kürze des Verfahrens nicht ausreichend Rechnung getragen.

 

Das im Gesetzesentwurf genannte Ziel, Asylanträge schneller zu bearbeiten und den Aufenthalt schneller beenden zu können, kann aus Sicht der Verbände deshalb nur durch den erhöhten Einsatz von ausreichend qualifiziertem Personal erreicht werden.

 

Die BAGFW hat in ihrem Schreiben an den ehemaligen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich vom 30.11.2012 im Rahmen der Innenministerkonferenz die aktuelle Praxis der Direktverfahren und die pauschalisierten Ablehnungen der Asyl- gesuche kritisiert.

 

Wir geben ebenso zu bedenken, dass die Praxis der Schutzgewährung an Asylsu- chende aus den genannten drei Herkunftsstaaten in den verschiedenen Mitglieds- staaten der EU höchst unterschiedlich ist. So erhielten 105 Asylsuchende aus Serbien innerhalb der EU-27 allein im ersten Quartal 2013 positive, erstinstanzliche Entscheidungen.2 Auch in Deutschland gab es immer wieder einzelne Anerkennun- gen von Schutzsuchenden, im 2. und 3. Quartal 2013 gab es insgesamt 24 erstin- stanzliche Schutzgewährungen für Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina.3

 

Die BAGFW vertritt die Auffassung, dass die Bestimmung eines Staates als sicher dann zu unterbleiben hat, wenn auch nur Einzelfälle politischer Verfolgung anerkannt werden.

 

Aus Sicht der Verbände ist zudem in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob ein Tat- bestand der kumulativen Diskriminierung im Sinne der Qualifikationsrichtlinie und

§ 3a Abs. 1 Nr.2 AsylVfG vorliegt. Die Feststellung einer kumulativen Diskriminierung erfordert eine umfangreiche Aufklärung der Lebensumstände im Herkunftsland. Denn alltägliche Diskriminierungen und Verletzungen der Menschenrechte können in der Summe so gravierend wirken, dass sie eine Verfolgungshandlung im Sinne § 3a Abs.

1 Nr. 1 und 2 darstellen. Die Diskriminierung von Angehörigen der Roma- Minderheiten ist in den in Rede stehenden Staaten in vielen Fällen so umfassend, dass den Betroffenen der Zugang zu Arbeit, zu medizinischer Versorgung, zu regulä- ren Wohnungen und oft sogar zu sauberem Trinkwasser verwehrt bleibt. 4

Die Verbände der BAGFW sprechen sich daher im Ergebnis gegen die geplante Ge- setzesänderung aus.


 

2) Eurostat: Asylum applicants and first instance decisions on asylum applications: first quarter 2013

 

3) Bundestagsdrucksache 18/127.

 

4) UN - Committee on the Elimination of Racial Discrimination CERD, Concluding Observations zu Ser- bien 2011, PRO ASYL Bericht: Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutsch- land? 2013