Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf eines kompetenzorientierten Qualifikationsprofils für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen und Fachakademien

Die im Entwurf benannten Erwartungen an das Berufsbild spiegeln die hohen gesellschaftlichen und politischen Ansprüche an die Kinder- und Jugendhilfe und im Besonderen an die Frühkindliche Bildung wieder. Grundsätzlich ist das vorgelegte kompetenzorientierte Qualifikationsprofil zu begrüßen.

Allgemeine Anmerkungen:

 

Die im Entwurf benannten Erwartungen an das Berufsbild spiegeln die hohen gesellschaftlichen und politischen Ansprüche an die Kinder- und Jugendhilfe und im Besonderen an die Frühkindliche Bildung wieder. Grundsätzlich ist das vorgelegte kompetenzorientierte Qualifikationsprofil zu begrüßen. Es erscheint insgesamt geeignet, die ausbildenden Fachschulen und -akademien qualitativ weiterzuentwickeln, um den derzeitigen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte gerecht zu werden. Das Qualifikationsprofil entspricht den Vorgaben der Bildungspläne und sollte eine Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse ermöglichen. Die BAGFW unterstützt das Ziel der Anrechenbarkeit und Vergleichbarkeit von erworbenen Kompetenzen im fachschulischem und hochschulischem Bereich. Darüber hinaus regen wir an, dieses Ziel auf die Anrechenbarkeit von non-formell und informell erworbenen Kompetenzen zu erweitern.

 

Zu prüfen ist dabei die Umsetzbarkeit der hier formulierten Anforderungen vor dem Hintergrund der Zugangsvoraussetzungen, der realen Rahmenbedingungen als auch dem konkreten Transfer in handhabbare Umsetzungsmöglichkeiten insbesondere im Arbeitsfeld der Tageseinrichtungen für Kinder.

 

Aus Sicht der BAGFW ist dringlich zu klären, wie die hohen Ansprüche mit der derzeitigen Ausgangslage in den Fachschulen und Fachakademien umgesetzt werden können. Da zahlreiche Lehrpläne die im Profil beschriebenen Inhalte bisher nicht abdecken muss eine verbindliche Überarbeitung gesichert sein. Wir erwarten uns hierzu geeignete Unterstützung, die den ressourcenintensiven aber notwendigen Wandlungsprozess in den Fachschulen und Fachakademien fördert (Begleitforschung, Modellversuche, Förderprogramme).

 

Die Vermittlung und Stärkung der geforderten Kompetenzen hängt unter anderem auch von einer entsprechenden Professionalität und Haltung der Lehrkräfte und Ausbilder- und Ausbilderinnen ab. Es ist unbedingt zu klären, wie Lehrkräfte und Ausbilder- und Ausbilderinnen in den Fachschulen und Fachakademien im Hinblick auf das kompetenzorientierte Qualifikationsprofil selbst qualifiziert werden.

 

 

Zur Berufsbezeichnung Erzieher/Erzieherin ist anzumerken, dass ein prinzipielles Nachdenken über diese Bezeichnung innerhalb dieses Kompetenzmodells erfolgen sollte. Die aufgeführten Kompetenzen können mit dem Begriff „Erziehung“ nicht hinreichend erfasst und abgebildet werden.

 

Das beschriebene Profil von Erzieherinnen und Erziehern entspricht aus heutiger Sicht einer berufs- und lebenserfahrenen Fachkraft mit Zusatzqualifikationen. Es sollte deutlicher werden, dass dieses Qualifikationsprofil im Sinne von lebenslangem Lernen an das Berufsbild angelegt wird und Absolventinnen und Absolventen für diesen Prozess vorbereitet werden sollen. Mit Blick auf den abzusehenden Fachkräftemangel werden derzeit auch Zugänge für QuereinsteigerInnen und niedrig-schwellige Zugangswege über andere Qualifikationen in die Ausbildung diskutiert. Im Entwurf des Qualifikationsprofils werden sehr hohe Maßstäbe angelegt, deren Erreichen bei benannten Gruppen weitere Herausforderungen für Fachschulen und Praxis mitbringen, die bisher nicht benannt sind.

 

Die Trias „Bildung – Erziehung – Betreuung“ sollte ebenfalls einheitlich verwandt werden, sie wird an mehreren Stellen im Papier unterschiedlich aufgeführt.

 

An geeigneter Stelle sollte ein Hinweis auf das breite Altersspektrum erfolgen, dass diese Berufsgruppe in der Praxis antrifft. Sowohl im Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder als auch in den Hilfen zur Erziehung stellt die Altersgruppe der Kinder unter drei Jahren eine neue Herausforderung dar, die sich noch nicht ausreichend in der Ausbildung nieder geschlagen hat. Von daher empfehlen wir, die Anforderungen und Qualifikationsprofile für diese Altersgruppe explizit zu benennen.

 

Kinderschutz ist ein Querschnittsthema, das alle Einrichtungsformen und Berufsgruppen betrifft, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und deren Aufgabenspektrum deutlich über den Kinderschutz hinausgeht. Demzufolge sind Erzieherinnen und Erzieher in allen benannten Aufgabenfeldern dem Schutz des Kindeswohls verpflichtet. Die BAGFW befürwortet die Verankerung des Kinderschutzes als Querschnittsaufgabe, anstatt ihn auf das Berufsfeld Hilfen zur Erziehung und auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und Personensorgeberechtigten zu beschränken.

 

Prävention von sexualisierter Gewalt in Einrichtungen und Institutionen sollte als Thema in der Kompetenzdimension „Professionelle Haltung“, sowie im Handlungsfeld 5 „Institution und Team entwickeln“ angesprochen werden. Diese Thematik wird spätestens mit der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes für alle Einrichtungen in der Kinder- und Jugendhilfe eine verbindliche Form erhalten. Es sollte also bereits in der Ausbildung eine Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgen.

 

Die BAGFW weist an dieser Stelle darauf hin, dass das Unterstützungssystem der Fachberatung vollständig im Qualifikationsprofil fehlt, obwohl es im Arbeitsfeld Tageseinrichtungen für Kinder Erzieher und Erzieherinnen mit Beratungsangeboten begleitet und unterstützt.

 

 

Anmerkungen zu den Teilen I bis IV :

 

Zu Teil I Vorbemerkungen:

 

Zur Definition von Lernergebnissen durch Outcome-Orientierung:

 

  • Ein kompetenzorientiertes Qualifikationsprofil macht nur Sinn, wenn die Ausbildungsstätten gezielt auf die Entwicklung der darin beschriebenen Kompetenzen hin ausbilden und deren Abschlüsse den Nachweis der Kompetenz zum Gegenstand haben. Dies macht es zwingend erforderlich auch kompetenzorientiert auszubilden und zu "prüfen". Die bislang geübte Praxis in den Ausbildungsstätten reicht dazu nicht aus. Es fehlt in den Schulen und Akademien das Know-how und die Erfahrung. Deshalb ist sicherzustellen, dass die Ausbildungsstätten ihre Methoden und Prüfungsverfahren entsprechend anpassen und hierbei unterstützt werden. Insbesondere ist in der Ausbildung und Auswahl des Lehrpersonals das geänderte Methoden und Prüfungs-Repertoire künftig zu berücksichtigen und fest zu verankern.  

 

Zu Teil II Anforderungen an die generalistische Ausbildung der sozialpädagogischen Fachkräfte:

 

  • Prävention

Es ist unklar, ob Ressourcenorientierung mit dem Begriff Resilienz gleichgesetzt wird. Der Begriff der Resilienz ist wesentlich differenzierter zu betrachten. Sollte es sich lediglich um ein Beispiel handeln, dann muss das kenntlich gemacht werden.

 

  • Inklusion

Der Inklusionsgedanke wird sowohl in den Vorbemerkungen, als auch in Teilen des Qualifikationsprofils aufgegriffen. Allerdings finden sich in der sprachlichen Verwendung Widersprüche, die nochmals überarbeitet werden sollten. So wird z.B. auf Seite 5 im letzten Satz von einer „inklusiven und integrativen Arbeit“ gesprochen, bei der das Wort integrativ gestrichen werden kann, wenn man von einer inklusiven Grundhaltung ausgeht. Die BAGFW empfiehlt eine grundsätzliche Ausrichtung des Qualifikationsprofils an der Konzeption der Inklusion. Die inklusive Grundhaltung sollte in allen Kompetenzbeschreibungen aufgeführt werden. Dazu gehören dann jedoch alle potentiellen Ausgrenzungsmerkmale wie Migration oder Behinderung. Des Weiteren fehlen aus unserer Sicht die Bezüge zu den relevanten EU-Normen: Sowohl die Kinderrechts- wie die Behindertenrechtskonvention sind Menschenrechte – diese Thematik und die damit verbundenen Grundsätze sollten unmittelbar in die Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte einfließen.

 

In diesem Kontext wird häufig von gesellschaftlichen Anforderungen gesprochen, ohne dass diese konkret benannt werden. Unklar ist auch, ob es sich hierbei um ideale oder reale Bedingungen handelt. Geht es vorrangig um die derzeit vorzufindenden Anforderungen, die in den Bildungsplänen formuliert werden, oder geht es um gesellschaftliche Anforderungen, so wie sie von der Fachexpertise gewünscht werden (z.B. Inklusion und Heterogenität)?

 

  • Bei den Ausführungen zum schulischen Bereich wird von außerunterrichtlichen Fördermaßnahmen gesprochen. Es ist nicht ganz klar, was darunter zu verstehen ist. Insgesamt stellt dieser Abschnitt die Zusammenarbeit mit Lehrkräften in den Vordergrund. Unserer Auffassung nach stehen auch in der Institution Schule das Kind und der Jugendliche mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt des fachlichen Handelns. Dies sollte auch explizit erwähnt werden.
  • Bei den Hilfen zur Erziehung (S. 6) gibt es einen Schreib- bzw. Druckfehler. In Klammern wird auf den § 8a SGB III hingewiesen, in diesem Zusammenhang ist aber wohl der § 8a SGB VIII gemeint.
  • Gestaltungsmöglichkeiten bei Anforderungen und Zielsetzungen in Bezug auf die Praktikumsphasen (Seite 8)
  • Wir begrüßen, dass dem Lernort Praxis eine zentrale Stellung bei der Professionalisierung von Fachkräften zukommt. Wir befürworten, dass die Zusammenarbeit mit Praxisstellen und Fachschule aufgewertet wird und verbindliche Handlungsempfehlungen dazu in Zusammenarbeit mit beiden Partnern erarbeitet werden.

 

Hierbei sollten genaue Gestaltungsmöglichkeiten aufgelistet werden. Es ist zu

beschreiben, in welchem Umfang den Praxisstellen Mitspracherecht eingeräumt werden soll. Dies muss verbindlich geregelt sein, da sich diese Möglichkeiten in der Praxis oft als sehr begrenzt darstellen. Es ist ebenfalls zu klären, wie die personellen Ressourcen der Praxisstelle bei der Refinanzierung der Personalkosten berücksichtigt werden (bspw. bei Zeiten für Mentorentätigkeit).

 

Teil IV Das Qualifikationsprofil „Fachschule/Fachakademie für Sozialpädagogik“ – Beschreibung der professionellen Standards und Handlungsfelder in sozialpädagogischen Einrichtungen:

 

  • Sozialkompetenz

    Die BAGFW weist darauf hin, dass nicht nur die Akzeptanz von Vielfalt in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist. Vielfalt und Individualität sollten viel mehr bestärkt werden, um von Anfang an sicherzustellen, dass Vielfalt als Bereicherung verstanden wird und das „Anderssein“ vollkommen normal ist.

Es ist nicht ausreichend, nur präventiv den Tendenzen der Exklusion

entgegenzuwirken. Mit dem Ziel der Inklusion, das an anderer Stelle betont

wird, muss bereits der Separation entgegengewirkt werden.

 

 

Die BAGFW schlägt für den Teil IV insgesamt vor, die geforderten Kompetenzen auch mit nachweisbaren Indikatoren zu verbinden, die es den Ausbildungsstätten, den Praxispartnern als auch den Auszubildenden ermöglichen, konkrete und verständliche Umsetzungen zu entwickeln.

 

Die Beschreibung von „Selbstbildungspotentialen von Kindern“ muss konkretisiert werden.

 

Handlungsfeld 1 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Lebenswelt verstehen und pädagogische Beziehungen zu ihnen gestalten:

 

Hier ist offen, ob und wie in den fachlichen Beobachtungsmethoden die Methoden der Dokumentation, Analyse und Reflexion als auch die sich daran anschließenden Planungs- und Durchführungsmethoden integriert sind.

 

  • Fertigkeiten

Diese Aspekte sind ebenfalls sehr anspruchsvoll. Die BAGFW weist

daraufhin, dass die Zugangsvoraussetzungen zu diesem Berufsfeld häufig

nicht in Übereinstimmung mit diesen Zielen stehen werden. Dem Papier liegt eine Haltung des sich selbst bildenden Menschen zugrunde. Dem widerspricht allerdings die Aussage auf Seite 14 in Absatz 3. „Wer Kinder bildet…“. Hier müsste konsequenter Weise stehen „Wer Kinder in ihrem Bildungsprozess begleitet oder unterstützt“.

 

Handlungsfeld 2 Entwicklungs- und Bildungsprozesse anregen, unterstützen und fördern:

 

In der Einleitung wird davon gesprochen, den Selbstbildungspotentialen von Kindern und Jugendlichen in allen Arbeitsfeldern Rahmen und Raum zu geben. Welche Rahmen sind gemeint? Bildungspläne gelten nur für das Arbeitsfeld Tageseinrichtungen für Kinder, in den Hilfen zur Erziehung sind es Hilfepläne.

 

Ebenso bleibt unklar, was unter den Begriffen „Förderung“ und „kompensatorische Förderung“ zu verstehen ist. Dies sollte konkreter beschrieben werden.

 

Handlungsfeld 3 In Gruppen pädagogisch handeln:

 

Hier empfiehlt sich eine Verknüpfung zu konzeptionellen Ansätzen wie dem „Offenen Arbeiten“ oder dem „Situationsansatz“. Es sollte überprüft werden, ob das benannte „vertiefte Wissen um rechtliche Rahmenbedingungen sozialpädagogischen Handelns“ tatsächlich diesem Handlungsfeld zuzuordnen ist. In der umfangreichen Auflistung der Fertigkeiten besteht die Gefahr, sich in der Aufzählung zu verlieren, der Bezug zur Praxis könnte deutlicher dargestellt werden.

 

 

Handlungsfeld 4 Erziehungs- und Bildungspartnerschaften mit Eltern und Bezugspersonen gestalten:

 

  • Wissen

Der zweite Spiegelstrich sollte um den Aspekt Religion ergänzt werden: die Absolventen und Absolventinnen verfügen über breites und integriertes Wissen… sowie ethnischer und religiöser Zugehörigkeit.

 

Im Kontext dieses formulierten hohen Anspruchs weist die BAGFW erneut auf die Beachtung der Zugangsvoraussetzungen hin. Es ist zu prüfen, welche von den geforderten Kompetenzen in der Ausbildung vom Grundsatz her vermittelt, aber stärker in der beruflichen Phase durch Qualifizierung in der Fort- und Weiterbildung zu erreichen sind.

 

Handlungsfeld 5 Institution und Team entwickeln:

 

  • Wissen

Hier bleibt unklar, ob alle pädagogischen Fachkräfte Kenntnisse von Leitung, Qualitätsmanagement, Fachberatung bzw. Organisationsentwicklung benötigen. Es fehlt die Differenzierung in Grundwissen und Aufgaben von Fort- und Weiterbildung.

 

Handlungsfeld 6 In Netzwerken kooperieren und Übergänge gestalten:

 

Hier stelle sich erneut die Frage, wie sichergestellt werden kann dass Ausbilder und Ausbilderinnen an Fachschulen und -akademien über ein so breites und integriertes berufliches Wissen und vertiefendes Fachwissen in den einzelnen Handlungsfeldern verfügen.

 

Abschlussbemerkungen:

 

Die BAGFW begrüßt das Bestreben, die Durchlässigkeit in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu erhöhen. Um Nachhaltigkeit zu erreichen sollte das Kompetenzorientierte Qualifikationsprofil in regelmäßigen Abständen überprüft und auf seine Resonanz in der Praxis überprüft werden.