Stellungnahme der BAGFW zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung

Erheblichen Änderungsbedarf sehen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege hinsichtlich des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die bereits zum Referentenentwurf vom 07.04.2014 Stellung genommen hatten, begrüßen, dass in Bezug auf Resettlement, Familiennachzug, die Erleichterung der Aufenthaltsgewährung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und für Opfer von Menschenhandel wie auch die Schaffung einer stichtags- und altersunabhängigen Regelung zur Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration einige ihrer wesentlichen Forderungen aufgegriffen wurden. Nach wie vor sehen die Verbände allerdings Änderungsbedarf.

Insbesondere ist zu befürchten, dass die Neuregelungen zum Einreise- und Aufenthaltsverbot dazu führen, dass die Regelungen zum Bleiberecht konterkariert werden. Zum anderen sehen wir mit Sorge, dass die neuen Haftregelungen zu einer erheblichen Ausweitung der Inhaftierung, insbesondere auch von Asylsuchenden, die sich im Dublin-Verfahren befinden, führen können. Grundsätzlich sehen wir, dass in Bezug auf mehrere gesetzliche Neuregelungen zum Zwecke der Rechtsklarheit Klarstellungen in der Gesetzesbegründung in das Gesetz gezogen werden sollten.


Im Einzelnen sehen wir die folgenden Punkte besonders kritisch:

I.  Neue Haftregelungen in
§ 2 Abs. 14 und 15 , 62 Abs. 4a und  § 62b AufenthG-E:

Die BAGFW spricht sich gegen eine weitere Ausweitung von Abschiebungshaft aus. Wenn überhaupt, darf diese stets nur ultima ratio sein. Erforderlich ist deshalb die auch vom Bundesrat geforderte und in Art. 8 Abs. 4 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU genannte Maßnahme, alternative Instrumente der Haftvermeidung und mildere Mittel, wie zum Beispiel die Stellung einer Kaution oder angemessene Meldeauflagen, zu entwickeln und gesetzlich festzulegen. Die Höchstdauer der Abschiebungshaft sollte auf die kürzest mögliche Dauer, höchstens jedoch 6 Monate reduziert werden.

Im vorliegenden Gesetzentwurf ist weder die Möglichkeit noch die Förderung der freiwilligen Ausreise, welche auch in Art. 26 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung vorgesehen ist, geregelt. Diese muss aber stets Vorrang vor einer Abschiebung haben. In diesem Kontext ist aus unserer Sicht der Ausbau der Perspektivberatung- und Rückkehrförderung sinnvoll, um Zwangsmaßnahmen, die menschliches Leid verursachen und bei Ausländerbehörden, Amtsgerichten, dem BAMF und der Bundespolizei erhebliche Kapazitäten binden, zu reduzieren.

Im Einzelnen:

1. Neuregelung der Abschiebungshaft bei (erheblicher) Fluchtgefahr in § 60 Abs. 3 Nr. 5 und § 2 Abs. 14 und 15 AufenthG-E

Die Verb
ände der BAGFW empfehlen die Ergänzung der Regelung in § 2 Abs. 14 Nr. 2, die Streichung der Regelung in § 2 Abs. 14 Nr. 4, die Streichung der Generalklausel in § 2 Abs. 14 Nr.6, die Konkretisierung des Merkmals Erheblichkeit in § 2 Abs.15 S. 1 AufenthG-E und die Streichung des Anhaltspunkts für Fluchtgefahr in Dublin-Verfahren in § 2 Abs. 15 S. 2 AufenthG-E.

 

§ 2 Abs. 14 Nr. 2 AufenthG-E - Fluchtgefahr bei Identitätstäuschung oder Passunterdrückung: 

Da die Täuschung über die Identität laut Gesetzesbegründung nur dann ein Anhaltspunkt für die Annahme einer Fluchtgefahr sein soll, wenn sie im Zusammenhang mit einer bevorstehenden Abschiebung erfolgt, sollte das Tatbestandsmerkmal „im Zusammenhang mit der bevorstehenden Abschiebung“ in den Gesetzestext aufgenommen werden.

§ 2 Abs. 14 Nr. 4 AufenthG-E – Aufwenden erheblicher Geldbeträge für einen Schleuser:

Der Umstand, dass der Ausländer in der Vergangenheit zu seiner Einreise in die EU erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt hat, lässt keine Rückschlüsse auf sein Verhalten nach erfolglosem Abschluss eines Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu. Gerade für Schutzsuchende besteht in der Regel keine andere Möglichkeit der Einreise.

Dies bedeutet, dass gerade diese Personen von vornherein dem Generalverdacht unterliegen könnten, sich der Abschiebung entziehen zu wollen. Darüber, ob die Fluchtgefahr in diesen Fällen tatsächlich größer ist als in anderen Fällen, liegen jedoch keine gesicherten Erkenntnisse vor.

§ 2 Abs. 14 Nr. 6 AufenthG-E – Fluchtgefahr wegen sonstiger konkreter Vorbereitungshandlung, um sich der Abschiebung zu entziehen (Auffangtatbestand):

Die Norm enthält den unbestimmten Rechtsbegriff „sonstiger konkreter Vorbereitungshandlungen“. Anhaltspunkte für eine begründete Fluchtgefahr können jedoch nur vorliegen, wenn diese auf objektiv gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen. An einer solchen Festlegung fehlt es hier. Daher ist ein solcher Auffangtatbestand in Form einer Generalklausel ungeeignet und daher zu streichen.

§ 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG-E – (nicht explizit genannte erhebliche) Fluchtgefahr in Dublin-Fällen:

Zunächst möchten die Verbände darauf aufmerksam machen, dass die Abschiebungshaft in Dublin-Verfahren im Aufenthaltsgesetz (§ 62 Abs. 3 AufenthG und § 2 Abs. 14 AufenthG-E), zusätzlich in § 2 Abs. 15 AufenthG-E mit Rechtsgrundverweis auf den nicht explizit genannten Art. 28 der Dublin III-Verordnung sehr unübersichtlich geregelt wird. Zusätzlich müssen bei der Haftanordnung die Garantien der noch umzusetzende EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in Art. 28 Abs. IV Dublin-III Verordnung berücksichtigt werden.

Eine korrekte Rechtsanwendung dieser Normen erscheint in der Praxis bei den Amtsgerichten für Zivilverfahren unter dem Abschiebungshaftsachen immanenten Zeitdruck sehr fraglich. Hierdurch könnte insbesondere übersehen werden, dass Anhaltspunkte für eine einfache Fluchtgefahr allein nicht ausreichen, sondern festgestellt werden muss, dass eine Inhaftnahme zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens gem. Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nur dann erfolgen darf, wenn die Fluchtgefahr erheblich ist. Wann eine Fluchtgefahr als „erheblich“ einzustufen ist, lässt die Gesetzesbegründung offen und verweist auf das Ergebnis der Einzelfallprüfung, bei der der Begriff der „erheblichen“ Fluchtgefahr als Begriff des Europarechts autonom auszulegen sei. Worin die Steigerung der erheblichen Fluchtgefahr gegenüber der einfachen Fluchtgefahr liegt, bleibt jedoch unklar. Diese muss aber erkennbar und nachvollziehbar sein, sowie dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechen. Der Gesetzestext sollte hier aus Gründen der Rechtssicherheit und in Anbetracht der freiheitsentziehenden Maßnahme ohne Verweisungen auskommen und den Begriff „erheblich“ konkretisieren.

§ 2 Abs. 15 S. 2 AufenthG-E – Anhaltspunkte für fehlenden Ausreisewillen in den zuständigen Mitgliedsstaat:

Die Regelung in § 2 Abs. 15 Satz 2 AufenthG-E, dass ein Asylsuchender „einen Mitgliedsstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedsstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will“, regelt lediglich einen Anhaltspunkt für eine einfache Fluchtgefahr und dürfte auf nahezu alle Flüchtlinge zutreffen, die sich im Dublin-III-Verfahren befinden. Die Vorschrift könnte schon Art. 28 Abs.1 Dublin-III-VO zuwiderlaufen, die gerade ausschließen will, dass Asylsuchende allein deswegen in Haft genommen werden, weil sie sich in einem Dublin-Verfahren befinden. Daher sprechen sich die Verbände der BAGFW für eine Streichung von § 2 Abs. 15 Satz 2 aus.

2. Keine Weiterführung der Haft nach Scheitern der Abschiebung

Die BAGFW empfiehlt,
§ 62 Abs. 4a AufenthG-E zu streichen.

Die Regelung des § 62 Abs. 4a AufenthG-E ist nicht mit der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU vereinbar, da nach Art. 9 Abs. 1 Satz 3 Aufnahmerichtlinie Verzögerungen im Verwaltungsverfahren, die nicht dem Inhaftierten zuzurechnen sind, nicht die Fortdauer der Haft rechtfertigen können. Das gilt auf Grund des Wortlautes der Richtlinie auch für Verzögerungen auf Grund höherer Gewalt oder vergleichbarer Gründe, da es nicht darauf ankommt, ob die Verzögerungen von Behördenseite beeinflusst werden könnten, sondern allein darauf, dass sie nicht dem Antragsteller zuzurechnen sind.

3. Kein vorbeugender Ausreisegewahrsam bis zu vier Tagen

Die Verb
ände der BAGFW empfehlen, § 62b AufenthG-E ersatzlos zu streichen.

In der neu eingeführten Regelung im § 62b AufenthG-E können zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebungen Menschen, die zur Ausreise verpflichtet sind, bis zu vier Tage auf richterliche Anordnung in Gewahrsam genommen werden, damit die Abschiebung tatsächlich vollzogen werden kann. Hintergrund der Regelung soll die Vermeidung von Nachtabschiebungen und erfolglos gebuchter Charterabschiebungen sein. Bloße Vereinfachungen der Abschiebung dürfen jedoch nicht zu einem erweiterten Hafttatbestand führen, da hier keine individuellen Haftgründe vorliegen müssen. Die Einschränkungen der Anordnungsmöglichkeit auf Menschen, die ihre Mitwirkungspflichten verletzt haben oder über die Staatsangehörigkeit getäuscht haben, wird faktisch keine große Auswirkung haben, da dies oft in umstrittener Weise bei vielen insbesondere Geduldeten angenommen wird. Problematisch ist vor allem der eingeschränkte Zugang zu Rechtsschutzmöglichkeiten in solchen Gewahrsamseinrichtungen, ähnlich wie in Flughafenverfahren.


II. Aufenthaltsgewährung aufgrund von Integration, §§ 25 a, b AufenthG-E

1. 
Festlegung der Frist für die Antragstellung, § 25 a AufenthG-E

Im Hinblick auf die Aufenthaltsgewährung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende (§ 25 a AufenthG-E) sollte die Frist für die Antragstellung wie im Referentenentwurf vorgesehen - auf 27 Jahre heraufgesetzt werden.

Die Festsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre wirkt sich nach der Erfahrung der Verbände vor allem auf die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge negativ aus. Diese reisen in der Regel zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr ein. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 a AufenthG-E können sie nach der Neuregelung nur erhalten, wenn sie vor dem 17. Geburtstag eingereist und eine Schule besucht haben, da sie nur dann vor Ablauf des 21. Lebensjahres 4 Jahre Aufenthalt und Schulbesuch nachweisen können. Damit wird aber ein großer Anteil von besonders schutzbedürftigen jungen Menschen von der Möglichkeit eines Aufenthaltstitels nach § 25 a ausgeschlossen, obwohl sie nachweislich eine besondere Sicherheit im Hinblick auf ihren Status und ihren Aufenthalt in Deutschland benötigen, um ihre Traumata überwinden zu können.

Diese jungen Menschen bleiben dann in aller Regel weitere 4 Jahre in der aufenthaltsrechtlichen Unsicherheit, da sie erst nach 8 Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b AufenthG beantragen können und sind somit auch gegenüber begleiteten jungen Menschen benachteiligt, da diese nur 6 Jahre Aufenthalt in Deutschland nachweisen müssen.

2. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 10 Abs.3 Satz 2

Absatz 4 des § 25 a AufenthG-E sollte wie folgt gefasst werden: Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 erteilt werden und berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Insbesondere unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen würde nach dem jetzigen Wortlaut oftmals kein Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG-E erteilt werden können, wenn ihr Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.

Nach der altersunabhängigen Bleiberechtsregelung in § 25 b Abs. 5 AufenthG-E ist dies möglich, denn die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Abs. 3 AufenthG erteilt werden. § 25a Abs. 4 ist daher entsprechend zu ändern, um auch die Integrationsleistung von Jugendlichen anzuerkennen.

3. Einreise- und Aufenthaltsverbot, § 11 AufenthG-E


§
11 Absatz 4 sollte wie folgt ergänzt werden um Satz 2: Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 Kapitel 2, insbesondere der §§ 25 Abs. 4a bis 5, 25 a und 25 b dieses Gesetzes vorliegen.

Die überwiegend positiv zu beurteilende Neuregelung des Bleiberechts durch die §§ 25 a, b AufenthG-E sehen die Verbände durch die Neuregelung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG-E gefährdet. Diejenigen, die künftig für eine Aufenthaltserlaubnis nach diesen Normen in Frage kommen könnten, haben in aller Regel gegen die Ausreiseverpflichtung innerhalb der Ausreisefrist verstoßen, was zukünftig schon für die Erteilung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ausreichen kann. Es ist zu befürchten, dass für sie die Wirkung der Bleiberechtsregelung eingeschränkt wird.

Problematisch ist die Regelung des § 11 Abs. 4 AufenthG-E vor allem deshalb, weil sie die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in das freie Ermessen der entscheidenden Behörde setzt (diese „kann“ das Verbot aufheben). Eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist jedoch immer dann angezeigt, wenn schutzwürdige Belange der Betroffenen zu wahren sind. Beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 von Kapitel 2 des Aufenthaltsgesetzes, insbesondere nach §§ 25 Abs. 4a bis 5, 25a und 25b, dürfte dies der Fall sein. Dies wurde in der Gesetzesbegründung auch so zum Ausdruck gebracht. Um deutlich zu machen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen das Einreise- und Aufenthaltsverbot in der Regel aufgehoben werden muss, ist die Klarstellung im Gesetz aus unserer Sicht dringend geboten.

Regelungen in § 11 Absatz 6 und 7 AufenthG-E sind zu streichen

Die Erweiterung der Möglichkeiten für die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch § 11 Abs. 6 und 7 AufenthG-E sind aus Sicht der Verbände nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Bereits jetzt besteht im Falle einer Ausweisung, Rückschiebung oder Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG.

Die Erteilung in den Fällen der § 11 Abs. 6 und 7 AufenthG-E ist unverhältnismäßig. Die Sanktion des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist gemessen an der Pflichtverletzung deutlich zu hoch.

Die Möglichkeit einer Sanktionierung allein des Fristversäumnisses mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot ist aus Sicht der in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände als unverhältnismäßig einzustufen.

Vor allem die Möglichkeit der Verhängung einer Einreisesperre in Fällen offensichtlich unbegründeter oder wiederholter Asylanträge (Abs. 7) ist nicht sachgemäß und unangemessen, da sie dazu führen kann, dass aufgrund der Schengen-weiten Einreisesperre Schutzsuchende nicht (erneut) in die EU einreisen können. Bereits eine einmalige Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kann zu einer solchen Einreisesperre führen, die in einem Verstoß gegen das Non-Refoulement-Verbot gipfeln kann, also dem Verbot, in einen Staat zurück gewiesen zu werden, in dem Verfolgung droht. Gerade in den Fällen der so genannten sicheren Herkunftsstaaten, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen immer wieder kumulierter Diskriminierung ausgesetzt sind (und somit durchaus schutzberechtigt im Sinne des Asylrechts sein können), erfolgt eine Ablehnung des Asylantrags in der Regel im beschleunigten Verfahren und somit auch mit extrem verkürzten Rechtsmittelfristen (Klagefrist: lediglich 1 Woche). Gerade potentiell Schutzsuchende, die ein solches Eilverfahren durchlaufen haben, laufen Gefahr, dass im Falle einer tatsächlich vorliegenden Verfolgung die Widerlegung der grundsätzlichen Vermutung der offensichtlichen Unbegründetheit eine erhöhte Darlegungslast seitens des Schutzsuchenden erfordert, die dieser ohne entsprechende Unterstützung in vielen Fällen gar nicht leisten kann.


III. Sonstige Forderungen in Bezug auf den Gesetzentwurf:

Ebenso unterstützen die Verbände die Forderungen des Bundesrats bezüglich

• der Verlängerung der Frist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur  Durchführung von Anpassungsmaßnahmen (§ 17a Abs. 4 Satz 1 AufenthG)

• der Einschränkung der in § 48 Abs.3a AufenthG vorgesehenen Möglichkeit der Auswertung von Datenträgern

• der Änderung des § 25 b Abs. 3 AufenthG:  des Absehens vom Erfordernis von Grundkenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Falle von Krankheit und Behinderung

• der Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts volljähriger Kinder gemäß § 25b Abs. 4 AufenthG-E

• der Besserstellung der Opfer von Menschenhandel in § 25 Abs. 4a AufenthG:

- die Aufhebung des Einreise– und Aufenthaltsverbots in Abweichung von  § 11 Abs.1 AufenthG bei Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Absatz 4a AufenthG.

 

- bei als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnten Asylanträgen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a abweichend von § 10 Absatz 3 AufenthG.

- abweichend von Satz 2 Nr. 1 und 3 die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, wenn das Verlassen der Bundesrepublik aufgrund humanitärer oder persönlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten oder das Kindeswohl gefährden würde.


IV. Weitere Forderungen:

1.
Sprachnachweis Ehegattennachzug

Obwohl diese Regelung nicht Gegenstand des Gesetzentwurfes ist, möchten wir erneut darauf hinweisen, dass wir die Abschaffung der im AufenthG vorgesehenen Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug für dringend geboten halten.

§ 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 28 Abs. 1 S. 5 AufenthG sehen vor, dass die Ehegatten von Ausländer/innen und von Deutschen beim Nachzug i.d.R. vor der Einreise Kenntnisse der deutschen Sprache nachweisen müssen. Die Verbände der BAGFW haben die Einführung dieser Regelung im Jahr 2007 abgelehnt. Sie war und ist nicht geeignet, Zwangsehen zu vermeiden oder die Integration zu erleichtern/beschleunigen.

Die Regelung kann für die Betroffenen zu unzumutbaren Härten führen und bedeutet eine Diskriminierung der von der Regelung betroffenen Personengruppen. Die Gatt/innen von EU-Bürgerinnen und Bürgern und von Staatsangehörigen von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea und der Vereinigten Staaten von Amerika und einiger anderer Staaten müssen keine Sprachprüfungsnachweise für den Ehegattennachzug vorlegen. Ausnahmen gibt es auch für Ehegatten von Hochqualifizierten, Forschern etc.

Mittlerweile hat die Rechtsprechung des BVerwG für die Gatten von Deutschen Befristungen der Regelung gefordert (BVerwG vom 4. September 2012,10 C 12.12). Mit Blick auf die Ehegatten von türkischen Arbeitnehmern hat der EuGH festgestellt, dass die Regelung gegen EU-Recht verstößt (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014, Rechtssache C-138/13 (Dogan). Beide Urteile wurden bisher nicht durch eine
Rechtsänderung umgesetzt.

Sie sollten zum Anlass genommen werden, die Regelungen zum Sprachnachweis nicht weiter zu modifizieren, sondern abzuschaffen.

2. Öffnung der Integrationskurse

Nachdrücklich unterstützen möchten wir die Forderung des Bundesrates, die Integrationskurse für Personen mit einem humanitären Aufenthaltstitel wie auch für Asylbewerber und Geduldete zu öffnen. Die genannten Personengruppen sollten grundsätzlich einen Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen haben, damit sie frühzeitig ihr Leben eigenständig führen und für sich und ihre Familien eine Perspektive entwickeln können. Eine große Zahl der Asylsuchenden wird in Deutschland bleiben, daher ist eine frühzeitige Integration notwendig. Auch im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland ist es sinnvoll, wenn sie die Zeit hier in Deutschland für ihre Bildung, Ausbildung nutzen konnten.

3. Aufenthaltserlaubnis für die Dauer der Ausbildung/ Einschränkung des Beschäftigungsverbots

Die Verbände unterstützen ebenso den Vorschlag, evtl. im Rahmen eines § 25 c die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche oder Heranwachsende bis zum Abschluss des Schulbesuchs oder einer Ausbildung zu ermöglichen. Dies würde den gesetzlich neu eingeführten Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt für Geduldete und Asylsuchende nach 3 Monaten auch in der Praxis wirksam machen, der oft daran scheitert, dass mögliche Arbeitgeber die aufenthaltsrechtliche Unsicherheit scheuen. Ebenso unterstützen die Verbände die Forderung, zumindest jugendliche und heranwachsende Geduldete von dem in § 33 BeschV formulierten Beschäftigungsverbot auszunehmen, Die Verbände setzen sich darüber hinaus für eine generelle Streichung des § 33 BeschV ein. Personen, denen vorgeworfen wird, zum Zwecke des Sozialleistungsbezugs eingereist zu sein, wird ein Beschäftigungsverbot erteilt mit der Folge, allein auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Die Regelungen in § 33 BeschV, insbesondere § 33 Abs. 1 Satz 2 führt für viele Geduldete zum dauerhaften Ausschluss vom Arbeitsmarkt und macht sie notwendigerweise abhängig von Sozialleistungen.