Stellungnahme der BAGFW zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 22.09.2014, BT-Drs. 18/2592

Seit der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 haben die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände immer wieder wesentliche Kernpunkte des Asylbewerberleistungsgesetzes kritisiert und sich insgesamt für eine Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen.

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände bedanken sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme, möchten der Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf jedoch voranstellen, dass an der grundsätzlichen Forderung nach der Aufhebung des Asylbewerberleistungs- gesetzes (AsylbLG) festgehalten wird, insbesondere eine Abkehr vom Sachleis- tungsvorrang für erforderlich gehalten wird und dass sie sich nachdrücklich für die frühzeitige Integration der Leistungsberechtigten in die allgemeinen Sozialgesetzbücher einsetzen.

Seit der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 haben die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände immer wieder wesentliche Kernpunkte des Asylbewerber-leistungsgesetzes kritisiert (z. B. durch Schreiben der BAGFW an die Ressortministerien BMJV und BMAS vom 07.04.2014) und sich ins- gesamt für eine Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. Zentrale Kritikpunkte waren und sind dabei die Höhe der Grundleistungen, die Ein- beziehung immer weiterer Personenkreise in das Asylbewerberleistungsgesetz, der Zeitrahmen, in dem die betroffenen Personen lediglich abgesenkte Leistungen erhalten, die eingeschränkten Gesundheitsleistungen sowie das Sachleistungsprinzip.

Das AsylbLG hat seinen Ursprung in der „Asylkompromiss“ bezeichneten Neuregelung des Asylrechts von 1993 und folgte damals explizit migrationspolitischen Erwägungen, die bei der Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums nunmehr erwiesenermaßen verfassungswidrig sind. „Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (BVerfG, 1 BvL
10/10 vom 18.7.2012, Absatz-Nr. 121). Damit ist der ursprüngliche Normsetzungszweck des Asylbewerberleistungsgesetzes entfallen: Niedrige Sozialleistungen in Kombination mit dem Arbeitsverbot sollten von einer Einreise zum Zweck der Asylantragstellung abhalten.

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, die Regelleistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums für Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) neu zu regeln. Die Anstrengungen des Gesetzgebers zielen derzeit auf eine Anpassung im Rahmen des bestehenden Asylbewerberleistungsgesetzes. Der Gesetzentwurf nimmt weitere Annäherungen an das Sozialgesetzbuch (SGB) vor, indem er sich in einigen Neuregelungen explizit auf das SGB bezieht. Die erforderliche gesetzliche Neuregelung böte jedoch auch die Gelegenheit, erneut über eine Aufhebung des AsylbLG vertieft nachzudenken, denn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts könnten auch vollständig im Rahmen der bestehenden Hilfesysteme der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches umgesetzt werden (vgl. hierzu die Publikation FLUCHTPUNKTE zum Thema "Abschaffung Asylbewerberleistungsgesetz-Gesetzlicher Änderungsbedarf bei Überführung der Personengruppen in die Hilfesysteme der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches" des Deutschen Caritasverbandes).

Im Falle einer Beibehaltung des Asylbewerberleistungsgesetzes stellen die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände jedoch gewisse Mindestanforderungen an eine Neuregelung, die nachfolgend kurz aufgeführt werden:

Zu begrüßen ist:

•    Für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach AsylbLG wird nicht mehr wie bisher auf die Zeiten des Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet abgestellt.

•    Auch für die erste Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet wird für die leistungsberechtigten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe festgeschrieben (Bildungspaket).

•    Es wird ein Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers im AsylbLG eingeführt, da das Bundessozialgericht mit Entscheidung vom 30.10.2013 die zuvor überwiegend vertretene analoge Anwendung des Nothelferanspruchs nach § 25 SGB XII im AsylbLG abgelehnt hat.

Bei den nachfolgenden Regelungen des Gesetzentwurfs gibt es zwar Verbesserungen. Diese bleiben jedoch hinter den von der BAGFW geforderten Mindestanforderungen zurück:

•    Die Dauer des Bezugs von Grundleistungen bis zum Bezug von Analogleistungen nach SGB XII wird von derzeit 48 Monaten auf 15 Monate verkürzt. Dies stellt eine Verschlechterung gegenüber dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 12.08.2014 dar, der noch 12
Monate vorsah. Als Mindestanforderung wurde jedoch von der BAGFW eine Verkürzung auf 3 Monate gefordert. Dies würde zum einen der maximalen Dauer der gesetzlichen Verpflichtung entsprechen, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen und mit dem neu geregelten Arbeitsmarktzugang der Asylsuchenden und Geduldeten nach bereits drei Monaten einhergehen. Analogleistungen sind nur nach dem SGB XII, nicht nach SGB II vorgesehen. Aus unserer Sicht sollte jedoch eine direkte Anwendung sowohl des zweiten als auch des zwölften Sozialgesetzbuches erfolgen.

•    Zu begrüßen ist, dass die Inhaber eines Aufenthaltstitels nach §§ 25 Abs. 4a und 4b aus dem personalen Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen werden. Die Inhaber eines humanitären Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG werden ebenfalls herausgenommen, allerdings nur, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung mindestens 18 Monate zurückliegt. Diese zeitliche Einschränkung war im Referentenentwurf für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bislang nicht vorgesehen. Als Begründung wird angeführt, dass bei einer exante Prognose diese Personengruppe sich regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhält und allein dauerhafte und nicht bloß vorübergehende Abschiebungshindernisse den Anwendungsbereich des AsylbLG entfallen lassen. Allerdings halten sich auch andere Gruppen nicht nur vorübergehend in Deutschland auf. Genannt seien hier Geduldete und Menschen mit anderen Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, und zwar von Anfang an. Aus Sicht der BAGFW sollten auch diese Personengruppen aus dem personalen Anwendungsbereich des AsylbLG herausge- nommen und der Kreis der Leistungsbezieher nach dem AsylbLG allein auf Asylantragsteller beschränkt werden.

•    Die akzessorische Anspruchseinschränkung bei Familienangehörigen im Rahmen des § 1a AsylbLG wird aufgegeben. Damit soll ein Fehlverhalten nur noch individuell durch eine Leistungseinschränkung sanktioniert werden und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen werden. Grundsätzlich bleibt jedoch weiterhin fraglich, ob die Möglichkeit einer Leistungskürzung der verfassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht wird. Einige Landessozialgerichte haben dies bereits verneint.

In den nachfolgenden Regelungen wurden keine Änderungen vorgenommen:

•    Der Sachleistungsvorrang bleibt nach diesem Gesetzentwurf unverändert bestehen, wobei zur Kenntnis genommen wird, dass in dem Referentenentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern die Abschaffung des bislang geltenden Vorrangs von Sachleistungen für die Zeit nach der Erstaufnahme vorgesehen ist. Die BAGFW fordert seit langem die Abschaffung des Sachleistungsprinzips, da es diskriminierende und integrationshemmende Wirkung hat.

•    Unverändert bleiben die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Es sollen also weiterhin lediglich Leistungen im Falle akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erbracht werden. Nach Auffassung der BAGFW muss jedoch eine umfassende Gesundheitsversorgung gewährleistet werden. Das durch das Bundesverfassungsgericht begründete Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst auch das physische Existenzminimum, für das die Versorgung bei Krankheit essentiell ist. Eine Abweichung vom Versorgungsgrad anderer Bedürftiger darf nicht nach dem Aufenthaltsstatus geschehen. Ein besonderer sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung wurde in der Gesetzesbegründung bislang nicht angeführt. Aus diesem Grund bedarf es einer sofortigen Umsetzung.

Zu den Änderungen im Einzelnen:

1.    Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 1)

Nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG-E sollen Personen mit Aufenthaltstiteln nach §§ 25 Abs. 4a und 4b sowie § 25 Abs. 5 AufenthG aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herausge-nommen werden. Personen mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 5 AufenthG allerdings nur, sofern die Entscheidung über die Ausset- zung der Abschiebung mindestens 18 Monate zurückliegt.

Bewertung

Die BAGFW begrüßt grundsätzlich die Herausnahme dieser Personengruppen, be- dauert jedoch, dass in den Anwendungsbereich des Gesetzes weiterhin Personen mit anderen humanitären Aufenthaltstiteln fallen. Eine Verschlechterung gegenüber dem Referentenentwurf hat dahingehend stattgefunden, dass die Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mindestens 18 Monate zurückliegen muss.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber, will er existenznotwendige Leistungen für eine bestimmte Personengruppe anhand der Aufenthaltsdauer gesondert feststellen, sicherstellen, dass die gesetzliche Um- schreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (BVerfG a.a.O, Rnr. 101). Dies ist bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nachweislich nicht der Fall, da es bereits Erteilungsvoraussetzung der Aufenthaltser- laubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist, dass mit dem Wegfall der Abschiebehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ein weiteres 18 Monate langes Abwarten ist für die Prognose des nicht nur kurzfristigen Aufenthalts somit nicht nur überflüssig, sondern verstößt aus unserer Sicht auch gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Die Auswahl der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG enthaltenen Aufenthaltstitel lässt schon allein aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Anforderungen und Fallgestaltungen, die hier erfasst sind, keine zuverlässige Prognose darüber zu, ob der Aufenthalt tatsächlich nur kurzfristiger Natur ist. Bei allen aufgezählten Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sieht das Gesetz vielmehr eine Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG ausdrücklich vor.

Auch die tatsächliche Aufenthaltsdauer der von dem Gesetz Betroffenen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zu berücksichtigen ist (BVerfG a.a.O, Rn. 101, 118) spricht gegen diese Prognose: So lebten zum 31. Dezember 2012 von den 45.669 InhaberInnen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG 41250 Personen länger als 6 Jahre in Deutschland. Das sind 90,3 % der Betroffenen. (Dies ergibt sich ebenfalls aus der in der Gesetzesbegründung für die Herausnahme der Personengruppe nach § 25 Abs. 5 AufenthG genannten BT-Drucksache 17/12457. Siehe dort S. 9f.) In der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfes waren bereits 78 % der Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die länger als sechs Jahre im Bundesgebiet leben für ausreichend erachtet worden, um die Herausnahme aus dem Anwendungs-bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes zu rechtfertigen. Dies muss dann erst recht bei
90 % der Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG gelten. Dies betrifft zurzeit vor allem die zahlreichen Fälle der Verwandtenaufnahme von sy- rischen Bürgerkriegsflüchtlingen sowie hier aufhältiger syrischer Studierender durch die derzeitigen Bundesländererlasse, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erhalten. Eine Orientierung allein am Wortlaut des § 23 Abs. 1 AufenthG hilft hier angesichts der tatsächlichen Aufenthaltsdauer dieser Personengruppe nach Auffassung der BAGFW nicht weiter. Eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine nur kurze Aufenthaltsdauer (BVerfG a.a.O, Rnr. 118) liegt hier nicht vor.

Die Begründung des Gesetzentwurfs, dass sich bei einer exante Prognose die Personengruppe mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 5 AufenthG regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhält, muss nach Auffassung der BAGFW auch für Geduldete gelten, die derzeit noch von § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG erfasst sind. Auch die übrigen von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG-E erfassten Aufenthaltserlaubnisse
(§ 24; § 25 Abs. 4 Satz 1) sollten dem Rechtskreis der Sozialgesetzbücher zugeordnet werden, da bei einer exante Prognose auch diese Personengruppen sich regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten.

Es besteht zudem die Gefahr, dass trotz der Herausnahme der Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG diesen in der Praxis der § 1 Abs. 2 AsylbLG entgegen gehalten werden kann.

Da die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zunächst nur für 6 Monate erteilt wird, kann es zu Fehlentscheidungen bei Jobcentern kommen.

Handlungsempfehlung

Aus Sicht der BAGFW sollte der Kreis der Leistungsberechtigten - wie dies auch ursprünglich der Fall war - allein auf Asylantragsteller beschränkt werden.

2.    Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG-E (Art. 1 Nr.2)

In § 1a AsylbLG-E sollen weiterhin die Fälle geregelt werden, die zu Anspruchseinschränkungen führen können. Die Möglichkeit zur Leistungseinschränkung bleibt nahezu unverändert. Lediglich in § 1a Nr. 2 AsylbLG-E wird das Wort „selbst“ im Gesetzestext eingefügt, um sicher zu stellen, dass ein „Fehlverhalten“ nur noch individuell sanktioniert und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen wird.

Bewertung

Die neue Regelung stellt klar, dass künftig keine akzessorische Anspruchseinschränkung bei Familienangehörigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG aufgrund des Fehlverhaltens anderer Familienangehöriger mehr möglich ist. Ein Fehlverhalten soll nur noch individuell durch eine Leistungseinschränkung sanktioniert und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen werden. Dies stellt zunächst eine begrüßenswer- te Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung dar.

Die grundsätzliche weiterhin bestehende Möglichkeit einer Leistungskürzung wird der verfassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch nicht gerecht. Einige Landessozialgerichte haben bereits entschie- den, dass die Möglichkeit der Leistungs-kürzung des § 1a AsylbLG verfassungswidrig ist und deshalb nicht mehr angewandt werden darf.

Besonders gravierend wirkt sich eine Leistungskürzung im Falle der „Einreiseabsicht zum Sozialhilfebezug“ aus: Hier birgt die Regelung die Gefahr einer fortdauernden Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums, die durch eine „Verhaltensänderung“ auch für die Zukunft nicht heilbar ist. Ein Einreisemotiv lässt sich rückwirkend nicht verändern.

Dies würde besonders schwerwiegende Folgen haben in Verbindung mit den in dem "Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthalts- beendigung" geplanten Definitionen für die „Einreise zum Sozialleistungsbezug“: Demnach sieht der geplante § 11 Abs. 7 AufenthG-E vor, dass ein Einreise- und Auf- enthaltsverbot verhängt werden kann, wenn eine Einreiseabsicht zum Bezug von öffentlichen Leistungen angenommen wird, was wohl auch Leistungen nach dem AsylbLG sein dürften. Im Folgenden wird sodann gesetzlich vermutet, dass eine Einreise zu diesem Zwecke regelmäßig dann erfolgt sei, wenn "ein Asylantrag als unzulässig, unbeachtlich oder als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird."

Hiermit wäre somit gleichsam automatisch die Voraussetzung für die Verhängung einer Leistungseinschränkung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG erfüllt. Im letzten Jahr wurden zwei Drittel der Ablehnungen als offensichtlich unbegründet eingeschätzt. Der weit überwiegende Teil der abgelehnten Asylantragsteller würde demnach künftig einer zeitlich unbefristeten und nicht zu beeinflussenden Leistungseinschränkung unterliegen.

Zudem ist das Verhältnis von § 1a Nr. 1 AsylbLG zu § 2 AsylbLG unklar: § 1a Nr. 1
AsylbLG würde als Spezialnorm auch nach einer einjährigen Aufenthaltsdauer weiter anwendbar bleiben und den Zugang zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG versper- ren. Damit wird der Normzweck des § 2 AsylbLG in Frage gestellt.

Handlungsempfehlung

§ 1a AsylbLG sollte gestrichen werden, da er die Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums durch mögliche Leistungskürzungen eventuell dauerhaft gefährdet.

3.    Bezugsdauer für Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG- E (Art. 1Nr. 3)

§ 2 Abs. 1 AsylbLG-E soll nun regeln, dass statt nach einer 48-monatigen Bezugsdauer von Leistungen nach § 3 AsylbLG künftig die Analogleistungen nach SGB XII bereits erbracht werden, wenn sich die Leistungsberechtigten seit fünfzehn Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

Bewertung

Für den Bezug von Leistungen nach § 2 Abs.1 AsylbLG-E i.V.m. dem SGB XII soll nicht mehr wie bisher auf die Zeiten des Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufent- halts im Bundesgebiet abgestellt werden. Dies wird von der BAGFW begrüßt, denn bei der Bezugnahme auf die Voraufenthaltszeit werden künftig auch Zeiten einer Er- werbstätigkeit oder des Bezugs anderer Grundsicherungsleistungen mitgerechnet. Zudem wird klar gestellt, dass kurzfristige Auslandsaufenthalte (für Klassenfahrten, Besuche von Angehörigen, Teilnahme an Beerdigungen von Angehörigen, sowie im Falle einer rechtmäßigen Ausreise und Wiedereinreise innerhalb einer Frist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) nicht mehr zu einem Neustart der Wartefrist führen sollen.

Die Änderung der Vorbezugszeit auf eine auf fünfzehn Monate verkürzte Voraufent- haltszeit ist grundsätzlich zu begrüßen, entspricht jedoch nicht der von den in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbänden geforderten Verkürzung auf drei Monate und stellt eine Verschlechterung gegenüber dem ursprünglichen Referenten- entwurf dar, der nur zwölf Monate Vorbezugszeit vorgesehen hatte. Die Festlegung des Grundleistungsbezugs auf über ein Jahr ist aus unserer Sicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über einen kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt kaum zu vereinbaren. Die Gesetzesbegründung ist in dieser Hinsicht nur in Teilen nachvollziehbar. Die vorgesehene 15-Monats-Frist stößt schon deshalb auf Bedenken, da die dazu im Gesetzentwurf vertretene Begründung auf die Länge des Asylverfahrens abstellt, die bei den anderen Leistungs-berechtigten des Asylbewerberleistungsgesetzes, die nicht Asylantragsteller sind als solche nicht grei- fen kann. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor, dass Asylverfahren zukünftig in der Regel nicht mehr als 3 Monate dauern sollen.

Sachgerecht wäre aus Sicht der Verbände eine Bezugsdauer von drei Monaten. Dies würde auch der maximalen Dauer der gesetzlichen Verpflichtung entsprechen, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben (§ 47 Abs. 1 AsylVfG) und mit der neu geregelten Wartefrist für den Arbeitsmarktzugang der Asylsuchenden und Geduldeten nach bereits drei Monaten einhergehen. Außerdem würde es dem Maßstab Logik des Aufenthaltsgesetzes und des Schengener Durchführungsübereinkommens folgen, wonach bei einem Aufenthalt von mehr als 3 Monaten von einem längerfristigen Aufenthalt ausgegangen wird (vgl. § 6 Abs. 3 AufenthG, Art. 18 SDÜ).

Weiterhin gewährt jedoch auch die beabsichtigte Neufassung des § 2 AsylbLG-E lediglich Analogleistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches. Aus unserer Sicht sollte jedoch eine direkte Anwendung sowohl des zweiten als auch des zwölften Sozialgesetzbuches erfolgen. Nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches würden Leistungen zur Integration in den Arbeitsmarkt gewährt werden können, was bislang nicht möglich war. Eine Zuweisung zu den Rechtskreisen des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches nach den Kriterien der Erwerbsfähigkeit und der Nicht-Erwerbsfähigkeit und ein entsprechender Leistungsbezug sollten jedoch künftig möglich sein.

Als unbeabsichtigter Nebeneffekt wird die Verkürzung des Grundleistungsbezuges auf ein Jahr zu einer Verschärfung des sog. „leistungsrechtlichen Ausbildungsverbots“ führen: Bislang konnten Personen auch während einer dem Grunde nach för- derfähigen Ausbildung innerhalb der ersten vier Jahre Grundleistungen nach dem AsylbLG beziehen. Dies wird künftig nur noch während des ersten Jahres möglich sein. In Verbindung mit den ausländerrechtlichen Ausschlüssen im Bereich des BA- föG und der Berufsausbildungsbeihilfe, nach denen mit Aufenthaltsgestattung gar keine und mit Duldung sowie Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 erst nach vier Jahren Voraufenthaltszeit Leistungen der Ausbildungsbeihilfe beansprucht wer- den können, wird sich die jetzt schon bestehende „Ausbildungsförderungslücke“ wei- ter vergrößern. § 8 BAföG sollte daher dringend entsprechend angepasst werden.

Handlungsempfehlung

Die maximale Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem AsylbLG sollte in § 2 Abs. 1 AsylbLG-E auf drei Monate gesenkt werden. Im Anschluss daran sollte eine direkte Anwendung der Sozialgesetzbücher erfolgen. Dies würde auch die Gewäh- rung von Leistungen zur Integration erwerbsfähiger Personen in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II sicherstellen. Um eine Ausbildungsförderung zu gewährleisten, sollte das Bundesausbildungsförderungsgesetz entsprechend angepasst werden.

4.    Grundleistungen - Sachleistungsvorrang nach § 3 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 4a
und b)


Gemäß § 3 AsylbLG-E soll weiterhin vorrangig die Sachleistungsgewährung gelten, indem klargestellt wird, dass Sachleistungen neben einer Geldleistung den existenz- notwendigen Bedarf sicherstellen können sollen. Gleichzeitig regelt die Vorschrift unverändert den Sachleistungsvorrang auch außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen.

Bewertung

Der Sachleistungsvorrang bleibt nach diesem Gesetzentwurf unverändert, wobei zur Kenntnis genommen wird, dass in dem Referentenentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetze zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern die Abschaffung des bislang geltenden Vorrangs von Sachleistun- gen für die Zeit nach der Erstaufnahme vorgesehen ist. Ein durch die BAGFW seit langem kritisiertes Hauptinstrument des sozialen Ausschlusses bleibt nach dem Ge- setzentwurf zur Änderung des AsylbLG damit zunächst bestehen. Die Umsetzung der gesetzlichen Regelung bleibt eine politische Entscheidung der Kommunen bzw. Bundesländer. Laut Gesetzesbegründung kann der Träger des AsylbLG außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen auch zukünftig von der vorrangigen Leistungserbrin- gungsform Sachleistungen abweichen und die Bedarfsdeckung vollständig über Geldleistungen erbringen. Die Entscheidung über die Art der Leistungserbringung bei einer Unterbringung außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen bleibt damit zunächst weiterhin in das Ermessen des Leistungserbringers gestellt.

Die Mehrzahl der Bundesländer, Landkreise und Kommunen hat bereits in Abkehr von dem Vorrangprinzip aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen auf die Gewährung von Barleistungen umgestellt. Nur wenige Bundesländer wie etwa flächendeckend in Bayern und Teile Brandenburgs, Baden-Württembergs und Thüringens halten bis- lang an der Ausgabe von Sachleistungen oder Gutscheinen fest. Die tägliche Erfahrung der Verbände zeigt, dass durch Sachleistungen besonders zur Deckung des physischen Existenzminimums immer wieder akute Versorgungsengpässe entstehen und der Bedarf oft nicht wie individuell erforderlich gedeckt werden kann. Eine Bedarfsdeckung ist besonders bei echten Sachleistungen weder in Bezug auf den konkreten Zeitpunkt der Leistungsgewährung, Qualität, Menge oder tatsächlichem Gegenwert mangels objektiver Kriterien und Kontrollen überprüfbar. Die Verbände der BAGFW halten daher Sachleistungen zur Deckung des grundrechtlich geschützten existenznotwendigen Bedarfs für nicht geeignet. Das Sachleistungsprinzip wirkt zudem besonders bei Ausgaben von Gutscheinen diskriminierend und erschwert insgesamt die Integration.

Handlungsempfehlung

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege fordern die Bundesregierung auf, im Rahmen der Neuregelung des AsylbLG das Sachleistungsprinzip gänzlich aufzugeben. Insbesondere die Beibehaltung der aktuellen Formulierung in § 3 Abs. 2 S.1 AsylbLG, die Sachleistungen als „vorrangig“ zu gewähren vorsieht, ist aus Sicht der
Verbände obsolet.

5.    Grundleistungen - Bildungspaket nach § 3 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 AsylbLG- E (Art.1 Nr. 4c und Nr. 8)

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylbLG-E und § 12 Abs. 2 AsylbLG-E sollen künftig alle vom AsylbLG erfassten Kinder, Jugendlichen und junge Erwachsene von Anfang an Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen entsprechend SGB XII haben.

Bewertung

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Festschreibung des Anspruches auf Bildungs- und Teilhabeleistungen auch für Leistungsempfänger nach dem AsylbLG. Die Neu- regelung setzt damit eine immer wieder geltend gemachte Forderung der BAGFW um und beendet damit die Ausgrenzung der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach AsylbLG Leistungen empfangen.

6.    Krankenversorgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG-E sowie § 4 und § 6  AsylbLG (Art.1 Nr. 4b) bb)

Bei der Regelung der notwendigen Bedarfe in § 3 Abs. 2 AsylbLG-E sollen auch künftig regelbedarfsrelevante Ausgaben für die Gesundheitspflege (Rezeptgebühren, Eigenanteile) unberücksichtigt bleiben. Hinsichtlich der §§ 4 und 6 AsylbLG sieht der Entwurf keine Änderungen vor. Die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt gemäß § 4 und § 6 AsylbLG bleiben bestehen. Es sollen also weiterhin lediglich Leistungen im Falle akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (§ 4), bzw. insofern sie für die Gesundheit unerlässlich sind (§ 6), erbracht werden.

Bewertung

Nach Auffassung der BAGFW muss eine umfassende Gesundheitsversorgung gewährleistet werden. Eine Kompensation des § 4 AsylbLG durch die Bestimmung des § 6 Abs. 1Ssatz 1 AsylbLG, der im Einzelfall Leistungen ermöglichen soll, die u.a. zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind, findet in der Praxis nicht statt. Hier entscheiden medizinisch nicht sachkundige Mitarbeitende des Sozialamts über die beantragten Leistungen. Vielmehr besteht durch die unklare Rechtslage der reduzierten Gesundheitsleistungen und dem hohen bürokratischen Aufwand durch die Leistungserbringer oft eine zeitliche Verzögerung zu Lasten der Betroffenen. Das durch das Bundesverfassungsgericht begründete Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst auch das physische Existenzminimum, für das die Versorgung bei Krankheit essentiell ist. Eine Abweichung vom Versorgungsgrad anderer Bedürftiger darf nicht nach dem Aufenthaltsstatus geschehen. Ein sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung wurde in der Gesetzesbegründung zudem nicht angeführt.

Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 18.07.2012 die Gesundheitsversorgung nach § 4 AsylbLG nicht eigens erwähnt. Da die Entscheidung aber auf das sog. Hartz-IV Urteil vom 9.2.2010 verweist und damit auf die dort getroffenen Aussagen zum physischen Existenzminimum, wird deutlich, dass die bisherige Praxis, nur akute Erkrankungen und Schmerzzustände zu behandeln, nicht fortgesetzt werden kann. Das entsprechend der Verfassung zu garantierende physische Existenzminimum umfasst auch eine angemessene Krankenversorgung.

Zudem steht dieser Regelung Art. 12 Abs.1 des Internationalen Pakts über wirt- schaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte entgegen. Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an. Die derzeitige Fassung des AsylbLG erkennt dieses Recht nicht an.

Die richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie), neugefasst durch Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie n.F.) muss zeitnah gewährleistet werden.

In Art. 15 Abs. 2 der Aufnahmerichtlinie (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie n.F.) ist vorgesehen, Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die „erforderliche medizi- nische oder sonstige Hilfe“ zu gewähren. Diese umfasst nach Auffassung der BAGFW mehr als die in Art. 15 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie (Art. 19 Abs. 1 Auf- nahmerichtlinie n.F.) geregelte "Notversorgung und unbedingt erforderliche Behand- lung von Krankheiten". Besonders schutzbedürftige Personen sind nach Art. 17 der Aufnahmerichtlinie „Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere
Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben (nach Art. 21 Aufnahmerichtlinie n.F. zusätzlich auch Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen). “Die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe geht über die „Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustän- de“ im Sinne des § 4 AsylbLG und über Leistungen, wenn sie „für die Gesundheit unerlässlich ist“ im Sinne des § 6 AsylbLG deutlich hinaus. Schon bei der Umsetzung der alten Fassung der Aufnahmerichtlinie in nationales Recht ist eine richtlinienkon- forme Regelung versäumt worden. Die Europäische Kommission hat dies in ihrem Bericht zur Anwendung der Richtlinie an den Rat und das Europäische Parlament deutlich angemerkt.

Die Beschränkung der Übernahme von Kosten auf die Behandlung akuter Erkran- kungen und Schmerzzustände bewirkt häufig die Verschleppung und Verschlechterung von Krankheiten. Dies zeigt, dass die einzelfallbezogene Auffangregelung nach § 6 AsylbLG unzureichend ist. Diese Leistungen werden zudem von den Kommunen und Sozialleistungsträgern in Häufigkeit und Umfang sehr unterschiedlich bewilligt. Zudem verursacht die derzeitige Rechtslage im Bereich der Krankheitsversorgung für die leistungspflichtigen Kommunen einen nicht unerheblichen zusätzlichen administ- rativen und finanziellen Aufwand. Gerade im Hinblick auf zwei tragische Fälle in der jüngeren Vergangenheit, in denen ein Kind wegen Nicht-Behandlung gestorben ist und ein anderes Kind nur noch knapp gerettet werden konnte, zeigen eindringlich die Notwendigkeit auf, den Zugang zu Gesundheitsleistungen neu zu regeln. Es sollte in keinem Falle durch eingeschränkte Leistungen im Krankheitsfall eine Verschlechte- rung des Gesundheitszustandes oder eine Chronifizierung von Krankheiten in Kauf genommen werden, denn dies bedeutet vermeidbares Leid für die Kranken und er- höhte Kosten nach Ablauf des Leistungsbezuges nach § 3 AsylbLG.

Es wäre daher sinnvoll, für alle Leistungsberechtigten des AsylbLG die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen. Auch hier dürfen die Versi- cherten nur das medizinisch Notwendige erhalten. Dafür müssten die nach AsylbLG berechtigten Personengruppen im Rahmen der jeweils zuständigen Leistungsgeset- ze in die Krankenversicherung aufgenommen werden bzw. Hilfen zur Gesundheit erhalten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a und Nr. 13 SGB V, § 264 SGB II, §§ 47 ff. SGB XII). Gleichzeitig wären sie über § 20 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 28 SGB XI in die Pflegeversi- cherung aufzunehmen. Dies wäre auch bei eingeschränkter Bleibeperspektive sinn- voll, da eine Pflegebedürftigkeit jederzeit entstehen kann, auch bei jungen Menschen (z. B. durch Unfall, Schlaganfall etc.). Einige Personen, die bereits erwerbstätig waren, waren gegebenenfalls auch schon vorversichert, so dass eine Weiterversicherung auch folgerichtig wäre.

Dann wären allerdings auch die regelbedarfsrelevanten Ausgaben für die Gesund- heitspflege (Rezeptgebühren, Eigenanteile) in die notwendigen Bedarfe aller nach § 3 Abs. 2 AsylbLG-E Leistungsberechtigten mitaufzunehmen. Handlungsempfehlung Die BAGFW-Verbände fordern eine Eingliederung in das System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, um den Vorgaben des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte gerecht zu werden. Eine frühestmögliche Einbindung in die allgemeinen Sozialgesetzbücher würde eine ausreichende medizinische Versorgung und damit das physische Existenzminimum automatisch sicherstellen. Die regelbedarfselevanten Ausgaben für die Gesund- heitspflege sollten dann in die notwendigen Bedarfe nach § 3 Abs. 2 AsylbLG-E auf- genommen werden. Zumindest muss die Bundesregierung im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes eine richtlinienkonforme Gestaltung der Gesundheitsversorgung im AsylbLG vornehmen.

7.    Aufwendungserstattung des Nothelfers - § 6a AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 5)

Mit § 6a AsylbLG-E wird ein Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers im AsylbLG eingeführt, da das Bundessozialgericht mit Entscheidung vom 30.10.2013 die zuvor überwiegend vertretene analoge Anwendung des Nothelferanspruchs nach § 25 SGB XII im AsylbLG abgelehnt hat. Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Einführung einer Erstattungsgrundlage für die Aufwendungen Dritter (niedergelassene Ärzte und Zahnärzte sowie Krankenhausträger), die in einer akuten Notlage tätig werden und Leistungsberechtigten nach AsylbLG (Not-)Hilfe gewähren. Der Gesetzgeber kommt damit einer Anregung der in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände nach.

8.    Einkommen und Vermögen von Familienangehörigen - § 7 Abs. 1 AsylbLG

Laut Gesetzentwurf wird der bisherige § 7 Abs. 1 AsylbLG beibehalten.

Bewertung

In § 7 Abs. 1 AsylbLG sollte eine Klarstellung erfolgen, wer unter den Begriff der „Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben“ zu zählen ist. Das Bundessozialgericht hat im vergangenen Jahr klar gestellt, dass sich auch das AsylbLG an der Definition der „Bedarfsgemeinschaft“ orientieren muss. Entgegen dem Wortlaut zählen dazu nicht etwa entferntere Familienmitglieder.

Das BSG formulierte am 26. Juni 2013:

"§ 7 AsylbLG definiert nämlich weder eigenständig die Begriffe des Einkommens und Vermögens, noch bestimmt er, wessen Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist. Die Regelungen des AsylbLG sind vielmehr unvollständig; sie setzen nach der historischen Entwicklung des AsylbLG, Sinn und Zweck, Wortlaut des § 7 AsylbLG und der gesamten Systematik des Gesetzes unausgesprochen voraus,
dass in diesen Punkten - einschließlich der Bedarfsdeckungsfiktion - dieselben Kriterien gelten wie im Sozialhilferecht allgemein. Im Sinne einer dynamischen Konzeption muss deshalb insoweit bei Anwendung des AsylbLG auf die jeweiligen Vorschriften des Sozialhilferechts zurückgegriffen werden. Die Vorstellung des Gesetzgebers ist es, Personen, die dem AsylbLG unterfallen, soweit es die Frage der Berücksichtigung von Einkommen Dritter betrifft, weder schlechter noch besser zu behandeln als sonstige Ausländer, die nach § 23 SGB XII Sozialhilfeleistungen beziehen.

Dies bedeutet zum einen, dass unter "Familienangehörigen" in § 7 Abs 1 Satz 1 AsylbLG wie im SGB XII nicht der volljährige Sohn der Klägerin und die Schwiegertochter zu verstehen sind." (Terminbericht; B 7 AY 6/11 R)

Handlungsempfehlung

Im Zuge der Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte hier eine Klarstellung im Gesetzestext des § 7 Abs. 1 AsylbLG erfolgen und deutlich gemacht werden, wer als Familienangehörige, die im selben Haushalt leben im Sinne des § 7 Abs. 1 AsylbLG zu betrachten ist, welcher Familienangehörige zunächst also sein Einkommen und Vermögen vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzu- brauchen hat.


9.    Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit - § 7 Abs. 3 AsylbLG-E  (Art. 1 Nr. 6)

In § 7 Abs. 3 AsylbLG soll künftig geregelt werden, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu 25 vom Hundert, höchstens jedoch zu 50 vom Hundert nicht erst aufzu- brauchen sind, bevor Leistungen nach dem AsylbLG gewährt werden, mithin also außer Betracht bleiben.

Bewertung

Der Erwerbstätigenfreibetrag soll künftig gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG-E auf eine Höchstgrenze von 50 vom Hundert der jeweiligen Regelbedarfsstufe begrenzt werden. Bisher lag die Höchstgrenze bei 60 vom Hundert des maßgeblichen Betrags. Der Gesetzgeber begründet diese Absenkung damit, dass auch im SGB XII (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) die Obergrenze bei 50 vom Hundert liege. Diese Begründung überzeugt jedoch nur zum Teil, denn bei der durchaus sinnvollen Angleichung der beiden Regelungen müsste dann im Rückschluss auch zugleich die Mindesthöhe des Erwerbstätigenfreibetrags im AsylbLG von 25 auf 30 vom Hundert des Bruttoer- werbseinkommens angehoben werden. Denn dies ist auch die geltende Regelung im SGB XII (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII).

Erstmalig sollen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG-E Regelungen zur Einkommens- bereinigung auch im AsylbLG eingeführt werden. Laut Gesetzesbegründung trägt die Einführung weiterer Abzugs-möglichkeiten der politischen Zielsetzung Rechnung, die Erwerbstätigkeit von Asylbewerbern und Geduldeten zu fördern. Auch dieses Ziel würde eine Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den Rechtskreis des SGB II unterstützen. Hier ist jedoch anzumerken, dass einerseits eine Re- gelung zum anzurechnenden Einkommen im Zusammenhang mit eventueller Erwerbstätigkeit in das AsylbLG aufgenommen, wodurch der Wille zur Eingliederung der Zielgruppe in die Arbeitswelt zwar erkennbar wird, denn damit soll laut Gesetzes- begründung der Anreiz für die Aufnahme einer Beschäftigung verstärkt werden. An- dererseits wird die erwerbsfähige Zielgruppe durch die sog. Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG-E weiter im Rechtskreis des SGB XII gehalten und nicht im Rechtskreis des SGB II betrachtet, wo eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt tatsächlich gefördert werden könnte. Nach Auffassung der BAGFW ist es nicht zielführend, erwerbs- fähige Personen, deren Erwerbstätigkeit offiziell gefördert werden soll, weiterhin einem Leistungssystem für nichterwerbsfähige Personen zuzuordnen.

Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass der Erwerbstätigenfreibetrag stets vom Bruttoeinkommen zu berechnen ist und nicht vom Netto- oder gar vom bereinigten Einkommen. Mit Ausnahme des Erwerbstätigenfreibetrags enthielt § 7 AsylbLG bislang keine Regelungen über eine Bereinigung des Einkommens. Als Absetzbeträge vom Erwerbseinkommen werden nunmehr genannt: Einkommenssteuern, Sozialver- sicherungspflichtbeiträge, die mit der Einkommenserzielung verbundenen notwendigen Ausgaben („Werbungskosten“) und gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen. Laut Geset- zesbegründung entspricht diese Regelung weitgehend den Absetzbeträgen des § 82 Abs. 2 SGB XII. Dennoch bleibt fraglich, warum nicht wie in § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII auch Versicherungsbeiträge absetzbar sein sollen, die „nach Grund und Höhe angemessen sind“ – also vor allem private Haftpflicht- und Hausratversicherungen.

Zudem fehlt eine Regelung, die wie in § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII für Einkommen aus Aufwands-entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten einen Grundfreibetrag von 200 Euro festlegt – zumal die ehrenamtliche Tätigkeit für den Personenkreis mit Duldung und Aufenthaltsgestattung gerade während der Zeit des nachrangigen Arbeitsmarktzugangs die Möglichkeit der Betätigung und der Heranführung an den Arbeitsmarkt darstellen kann.

Handlungsempfehlung

Um die Erwerbstätigkeit von erwerbsfähigen Geduldeten und Asylsuchenden tatsächlich zu fördern, sollte ihnen auch der Zugang zu den Leistungen zur Integration in den Arbeitsmarkt des SGB II eröffnet werden. Der Erwerbstätigenfreibetrag sollte in Angleichung an § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in seiner Mindesthöhe auf 30 vom Hundert angehoben werden. In Angleichung an § 82 Abs. 2 SGB XII sollten auch Versicherungsbeiträge als Absetzbeträge vom Erwerbseinkommen angenommen werden können, die nach Grund und Höhe angemessen sind. Außerdem sollte wie in § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII für Einkommen aus Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten ein Grundfreibetrag von 200 Euro festlegt werden.

10. Vermögensfreibetrag § 7 Abs. 5 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 6e)

Mit § 7 Abs. 5 AsylbLG-E wird für den Leistungsberechtigten und seine Familienangehörigen, die im selben Haushalt wohnen, für notwendige Anschaffungen (Bekleidung, z.B. Wintermantel, Wäsche, Schuhe) ein kleiner Vermögensfreibetrag von 200 Euro eingeführt, ferner sollen Vermögensgegenstände außer Betracht bleiben, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbs-tätigkeit unentbehrlich sind.

Bewertung

Die Einführung einer solchen Regelung wird von den BAGFW-Verbänden sehr begrüßt, die Vermögensfreibeträge in SGB II und SGB XII sind jedoch erheblich höher und nach Lebensalter gestaffelt. Es besteht kein Anlass für eine hiervon abweichende Regelung. Insgesamt sollte aus Gründen der Gleichbehandlung und Rechtsklar- heit auf sämtliche bestehenden Einkommens- und Vermögensdefinitionen der Sozialgesetzbücher verwiesen werden, die aktuellen sozialrechtlichen Anforderungen entsprechen.