Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 04.06.2014 zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände bedanken sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme, möch- ten der Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf jedoch voranstellen, dass an der grundsätzlichen Forderung nach der Aufhebung des Asylbewerberleistungs- gesetzes (AsylbLG) festhalten wird, insbesondere eine Abkehr vom Sachleistungsvorrang für erforderlich gehalten wird und, dass sie sich nachdrücklich für die frühzeitige Integration der Leistungsberechtigten in die allgemeinen Sozialgesetzbücher einsetzen.

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenge- schlossenen Verbände bedanken sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme, möch- ten der Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf jedoch voranstellen, dass

an der grundsätzlichen Forderung nach der Aufhebung des Asylbewerberleistungs- gesetzes (AsylbLG) festhalten wird, insbesondere eine Abkehr vom Sachleistungs- vorrang für erforderlich gehalten wird und, dass sie sich nachdrücklich für die frühzeitige Integration der Leistungsberechtigten in die allgemeinen Sozialgesetzbü- cher einsetzen.

 

Seit der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 haben die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände immer wieder wesentliche Kernpunkte des Asylbewerberleistungsgesetzes kritisiert (zuletzt durch Schreiben der BAGFW an die Ressortministerien BMJV und BMAS vom 07.04.2014) und sich ins- gesamt für eine Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. Zentrale Kritikpunkte waren und sind dabei die Höhe der Grundleistungen, die Ein- beziehung immer weiterer Personenkreise in das Asylbewerberleistungsgesetz, der Zeitrahmen, in dem die betroffenen Personen lediglich abgesenkte Leistungen erhal- ten, die eingeschränkten Gesundheitsleistungen sowie das Sachleistungsprinzip.

 

Das AsylbLG hat seinen Ursprung in der „Asylkompromiss“ bezeichneten Neurege- lung des Asylrechts von 1993 und folgte damals explizit migrationspolitischen Erwä- gungen, die bei der Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums nunmehr erwiesenermaßen verfassungswidrig sind. „Die in Art. 1 Abs. 1 GG garan- tierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren (BVerfG, 1 BvL

10/10 vom 18.7.2012, Absatz-Nr. 121). Damit ist der ursprüngliche Normsetzungs- zweck des Asylbewerberleistungsgesetzes entfallen: Niedrige Sozialleistungen in Kombination mit dem Arbeitsverbot sollten von einer Einreise zum Zweck der Asylan- tragstellung abhalten.

 

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 wurde dem Gesetz- geber aufgegeben, die Regelleistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Exis- tenzminimums für Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) neu zu regeln. Die Anstrengungen des Gesetzgebers zielen derzeit auf


eine Anpassung im Rahmen des bestehenden Asylbewerberleistungsgesetzes. Der Referentenentwurf nimmt weitere Annäherungen an das Sozialgesetzbuch (SGB) vor, indem er sich in einigen Neuregelungen explizit auf das SGB bezieht. Die erfor- derliche gesetzliche Neuregelung böte jedoch auch die Gelegenheit, erneut über ei- ne Aufhebung des AsylbLG vertieft nachzudenken, denn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts könnten auch vollständig im Rahmen der bestehenden Hilfesysteme der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches umgesetzt werden (vgl.

hierzu die Publikation FLUCHTPUNKTE zum Thema "Abschaffung Asylbewerberleis- tungsgesetz-Gesetzlicher Änderungsbedarf bei Überführung der Personengruppen in die Hilfesysteme der Bücher II und XII des Sozialgesetzbuches" des Deutschen Cari- tasverbandes).

 

Im Falle einer Beibehaltung des Asylbewerberleistungsgesetzes stellen die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände jedoch gewisse Mindestanforderungen an eine Neuregelung, die nachfolgend kurz aufgeführt werden:

 

Zu begrüßen ist:

 

·    Für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach AsylbLG wird nicht mehr wie bisher auf die Zeiten des Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet abgestellt.

 

·    Auch für die erste Zeit des Aufenthalts im Bundesgebiet wird für die leistungs- berechtigten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe festgeschrieben (Bildungspaket).

 

·    Es wird ein Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers im AsylbLG einge- führt, da das Bundessozialgericht mit Entscheidung vom 30.10.2013 die zuvor überwiegend vertretene analoge Anwendung des Nothelferanspruchs nach

§ 25 SGB XII im AsylbLG abgelehnt hat.

 

Bei den nachfolgenden Regelungen des Referentenentwurfs gibt es zwar Verbesse- rungen. Diese bleiben jedoch hinter den von der BAGFW geforderten Mindestanfor- derungen zurück:

 

·    Die Dauer des Bezugs von Grundleistungen bis zum Bezug von Analogleis- tungen nach SGB XII wird von derzeit 48 Monaten auf 12 Monate verkürzt. Als Mindestanforderung wurde jedoch von der BAGFW eine Verkürzung auf 3

Monate gefordert. Dies würde zum einen der maximalen Dauer der gesetzli- chen Verpflichtung entsprechen, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen und mit dem neu geregelten Arbeitsmarktzugang der Asylsuchenden und Ge- duldeten nach bereits drei Monaten einhergehen. Analogleistungen sind nur nach dem SGB XII, nicht nach SGB II vorgesehen. Aus unserer Sicht sollte je- doch eine direkte Anwendung sowohl des zweiten als auch des zwölften Sozi- algesetzbuches erfolgen.

 

·    Die Inhaber eines humanitären Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG werden aus dem personalen Anwendungsbereich des AsylbLG herausge- nommen und erhalten künftig Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII. Als Begründung wird angeführt, dass bei einer ex-ante Prognose diese Perso-


nengruppe sich regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhält. Allerdings halten sich auch andere Gruppen nicht nur vorübergehend in Deutschland auf. Genannt seien hier Geduldete und Menschen mit anderen Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen. Aus Sicht der BAGFW sollten auch diese Personengruppen aus dem persona- len Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen und der Kreis der Leistungsbezieher nach dem AsylbLG allein auf Asylantragsteller beschränkt werden.

 

·    Die akzessorische Anspruchseinschränkung bei Familienangehörigen im Rahmen des § 1a AsylbLG wird aufgegeben. Damit soll ein Fehlverhalten nur noch individuell durch eine Leistungseinschränkung sanktioniert werden und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen werden. Grundsätzlich bleibt jedoch weiterhin fraglich, ob die Möglichkeit einer Leistungskürzung der ver- fassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Exis- tenzminimums gerecht wird. Einige Landessozialgerichte haben dies bereits verneint.

 

In den nachfolgenden Regelungen wurden keine Änderungen vorgenommen:

 

·    Der Sachleistungsvorrang bleibt unverändert bestehen. Die BAGFW fordert jedoch die Abschaffung des Sachleistungsprinzips, da es diskriminierende und integrationshemmende Wirkung hat.

 

·    Unverändert bleiben die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Ge- burt. Es sollen also weiterhin lediglich Leistungen im Falle akuter Erkrankun- gen und Schmerzzustände erbracht werden. Nach Auffassung der BAGFW muss jedoch eine umfassende Gesundheitsversorgung gewährleistet werden. Das durch das Bundesverfassungsgericht begründete Grundrecht auf Ge- währleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst auch das physische Existenzminimum, für das die Versorgung bei Krankheit essentiell ist. Eine Abweichung vom Versorgungsgrad anderer Bedürftiger darf nicht nach dem Aufenthaltsstatus geschehen. Ein besonderer sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung wurde in der Gesetzesbegründung bislang nicht angeführt. Aus diesem Grund bedarf es einer sofortigen Umsetzung.

 

Zu den Änderungen im Einzelnen:

 

1.    Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 1)

 

Nach der Neuregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG-E sollen Personen mit Aufent- haltstiteln nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen werden.


 

Bewertung

 

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Herausnahme dieser Personengruppe, bedau- ert jedoch, dass in den Anwendungsbereich des Gesetzes weiterhin Personen mit anderen humanitären Aufenthaltstiteln fallen.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber, will er existenznotwendige Leistungen für eine bestimmte Personengruppe anhand der Aufenthaltsdauer gesondert feststellen, sicherstellen, dass die gesetzliche Um- schreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasst, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (BVerfG a.a.O, Rnr.

101). Zum einen lässt die Auswahl der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG enthaltenen Auf- enthaltstitel schon allein aufgrund der vollkommen unterschiedlichen Anforderungen und Fallgestaltungen, die hier erfasst sind, keine zuverlässige Prognose darüber zu, ob der Aufenthalt tatsächlich nur kurzfristiger Natur ist. Bei allen aufgezählten Auf- enthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sieht das Gesetz vielmehr eine Aufenthaltsverfestigung nach § 26 Abs. 4 AufenthG ausdrück- lich vor.

 

Auch die tatsächliche Aufenthaltsdauer der von dem Gesetz Betroffenen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls zu berücksichtigen ist (BVerfG a.a.O, Rn. 101, 118) spricht gegen diese Prognose: So lebten zum 31. De- zember 2012 von den 45.669 InhaberInnen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23

Abs. 1 AufenthG 41250 Personen länger als 6 Jahre in Deutschland. Das sind

90,3 % der Betroffenen. (Dies ergibt sich ebenfalls aus der in der Gesetzesbegrün- dung für die Herausnahme der Personengruppe nach § 25 Abs. 5 AufenthG genann- ten BT-Drucksache 17/12457. Siehe dort S. 9f.) In der Gesetzesbegründung des Referentenentwurfes waren bereits 78 % der Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die länger als sechs Jahre im Bundesgebiet leben für ausreichend erachtet worden, um die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes zu rechtfertigen. Dies muss dann erst recht bei

90 % der Personen mit einem Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG gelten. Dies betrifft zurzeit vor allem die zahlreichen Fälle der Verwandtenaufnahme von sy- rischen Bürgerkriegsflüchtlingen sowie hier aufhältiger syrischer Studierender durch die derzeitigen Bundesländererlasse, di eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1

AufenthG erhalten. Eine Orientierung allein am Wortlaut des § 23 Abs. 1 AufenthG hilft hier angesichts der tatsächlichen Aufenthaltsdauer dieser Personengruppe nach Auffassung der BAGFW nicht weiter. Eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine nur kurze Aufenthaltsdauer (BVerfG a.a.O, Rnr. 118) liegt hier nicht vor.

 

Die Begründung des Referentenentwurfs, dass sich bei einer ex-ante Prognose die Personengruppe mit Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 5 AufenthG regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhält, muss nach Auffassung der BAGFW auch für Geduldete gelten, die derzeit noch von § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG erfasst sind. Auch die übrigen von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG-E erfassten Aufenthaltserlaubnisse

§ 24; § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a, 4b AufenthG) sollten dem Rechtskreis der Sozial- gesetzbücher zugeordnet werden, da bei einer ex-ante Prognose auch diese Perso- nengruppen sich regelmäßig nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten.


Es besteht zudem die Gefahr, dass trotz der Herausnahme der Personen mit einer

Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG diesen in der Praxis der § 1 Abs. 2

AsylbLG entgegen gehalten werden kann.

 

Da die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zunächst nur für 6 Monate erteilt wird, kann es zu Fehlentscheidungen bei Jobcentern kommen.

 

Handlungsempfehlung

 

Aus Sicht der BAGFW sollte der Kreis der Leistungsberechtigten - wie dies auch ur- sprünglich der Fall war - allein auf Asylantragsteller beschränkt werden.

 

2.    Leistungseinschränkung nach § 1a AsylbLG-E (Art. 1 Nr.2)

 

In § 1a AsylbLG-E sollen weiterhin die Fälle geregelt werden, die zu Anspruchsein- schränkungen führen können. Die Möglichkeit zur Leistungseinschränkung bleibt na- hezu unverändert. Lediglich in § 1a Nr. 2 AsylbLG-E wird das Wort „selbst“ im Gesetzestext eingefügt, um sicher zu stellen, dass ein „Fehlverhalten“ nur noch indi- viduell sanktioniert und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen wird.

 

Bewertung

 

Die neue Regelung stellt klar, dass künftig keine akzessorische Anspruchseinschrän- kung bei Familienangehörigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG aufgrund des Fehlverhaltens anderer Familienangehöriger mehr möglich ist. Ein Fehlverhalten soll nur noch individuell durch eine Leistungseinschränkung sanktioniert und nicht mehr auf Familienangehörige übertragen werden. Dies stellt zunächst eine begrüßenswer- te Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung dar.

 

Die grundsätzliche weiterhin bestehende Möglichkeit einer Leistungskürzung wird der verfassungsrechtlich gebotenen Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenz- minimums jedoch nicht gerecht. Einige Landessozialgerichte haben bereits entschie- den, dass die Möglichkeit der Leistungskürzung des § 1a AsylbLG verfassungswidrig ist und deshalb nicht mehr angewandt werden darf.

 

Besonders gravierend wirkt sich eine Leistungskürzung im Falle der „Einreiseabsicht zum Sozialhilfebezug“ aus: Hier birgt die Regelung die Gefahr einer fortdauernden Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums, die durch eine „Verhal- tensänderung“ auch für die Zukunft nicht heilbar ist. Ein Einreisemotiv lässt sich rückwirkend nicht verändern.

 

Dies würde besonders schwerwiegende Folgen haben in Verbindung mit den in dem Referentenentwurf "Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung" geplanten Definitionen für die „Einreise zum Sozial- leistungsbezug“: Demnach sieht der geplante § 11 Abs. 7 AufenthG-E vor, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt werden kann, wenn eine Einreiseabsicht zum Bezug von öffentlichen Leistungen angenommen wird, was wohl auch Leistun- gen nach dem AsylbLG sein dürften. Im Folgenden wird sodann gesetzlich vermutet, dass eine Einreise zu diesem Zwecke regelmäßig dann erfolgt sei, wenn "ein Asylan-


trag als unzulässig, unbeachtlich oder als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird."

 

Hiermit wäre somit gleichsam automatisch die Voraussetzung für die Verhängung einer Leistungseinschränkung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG erfüllt. Im letzten Jahr wur- den zwei Drittel der Ablehnungen als offensichtlich unbegründet eingeschätzt. Der weit überwiegende Teil der abgelehnten Asylantragsteller würde demnach künftig einer zeitlich unbefristeten und nicht zu beeinflussenden Leistungseinschränkung unterliegen.

 

Zudem ist das Verhältnis von § 1a Nr. 1 AsylbLG zu § 2 AsylbLG unklar: § 1a Nr. 1

AsylbLG würde als Spezialnorm auch nach einer einjährigen Aufenthaltsdauer weiter anwendbar bleiben und den Zugang zu den Leistungen nach § 2 AsylbLG versper- ren. Damit wird der Normzweck des § 2 AsylbLG in Frage gestellt.

 

Handlungsempfehlung

 

§ 1a AsylbLG sollte gestrichen werden, da er die Sicherstellung eines menschenwür- digen Existenzminimums durch mögliche Leistungskürzungen eventuell dauerhaft gefährdet.

 

3.    Bezugsdauer für Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG- E (Art. 1Nr. 3)

 

§ 2 Abs. 1 AsylbLG-E soll nun regeln, dass statt nach einer 48-monatigen Bezugs- dauer von Leistungen nach § 3 AsylbLG künftig die Analogleistungen nach SGB XII bereits erbracht werden, wenn sich die Leistungsberechtigten seit zwölf Monaten oh- ne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.

 

Bewertung

 

Für den Bezug von Leistungen nach § 2 Abs.1 AsylbLG-E i.V.m. dem SGB XII soll nicht mehr wie bisher auf die Zeiten des Vorbezugs, sondern auf die Zeit des Aufent- halts im Bundesgebiet abgestellt werden. Dies wird von der BAGFW begrüßt, denn bei der Bezugnahme auf die Voraufenthaltszeit werden künftig auch Zeiten einer Er- werbstätigkeit oder des Bezugs anderer Grundsicherungsleistungen mitgerechnet. Zudem wird klar gestellt, dass kurzfristige Auslandsaufenthalte (für Klassenfahrten, Besuche von Angehörigen, Teilnahme an Beerdigungen von Angehörigen, sowie im Falle einer rechtmäßigen Ausreise und Wiedereinreise innerhalb einer Frist nach §

51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) nicht mehr zu einem Neustart der Wartefrist führen sollen.

 

Die Änderung der Vorbezugszeit auf eine auf zwölf Monate verkürzte Voraufenthalts- zeit ist grundsätzlich zu begrüßen, entspricht jedoch nicht der von den in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbänden geforderten Verkürzung auf drei Monate. Die Festlegung des Grundleistungsbezugs auf ein Jahr ist aus unserer Sicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts über einen kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt kaum zu vereinbaren. Die Gesetzesbegründung ist in dieser Hinsicht nur in Teilen nachvollziehbar. Die vorgesehene 12-Monats-Frist stößt schon deshalb auf Bedenken, da die dazu im Gesetzentwurf vertretene Begründung


auf die Länge des Asylverfahrens abstellt, die bei den anderen Leistungsberechtigten des Asylbewerberleistungsgesetzes, die nicht Asylantragsteller sind als solche nicht greifen kann. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor, dass Asylverfahren zukünftig in der Regel nicht mehr als 3 Monate dauern sollen.

 

Sachgerecht wäre aus Sicht der Verbände eine Bezugsdauer von drei Monaten. Dies würde auch der maximalen Dauer der gesetzlichen Verpflichtung entsprechen, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben (§ 47 Abs. 1 AsylVfG) und mit der neu gere- gelten Wartefrist für den Arbeitsmarktzugang der Asylsuchenden und Geduldeten nach bereits drei Monaten einhergehen. Außerdem würde es dem Maßstab Logik

des Aufenthaltsgesetzes und des Schengener Durchführungsübereinkommens fol- gen, wonach bei einem Aufenthalt von mehr als 3 Monaten von einem längerfristigen Aufenthalt ausgegangen wird (vgl. § 6 Abs. 3 AufenthG, Art. 18 SDÜ).

 

Weiterhin gewährt jedoch auch die beabsichtigte Neufassung des § 2 AsylbLG-E le- diglich Analogleistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches. Aus un- serer Sicht sollte jedoch eine direkte Anwendung sowohl des zweiten als auch des zwölften Sozialgesetzbuches erfolgen. Nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbu- ches würden Leistungen zur Integration in den Arbeitsmarkt gewährt werden können, was bislang nicht möglich war. Eine Zuweisung zu den Rechtskreisen des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches nach den Kriterien der Erwerbsfähig- keit und der Nicht-Erwerbsfähigkeit und ein entsprechender Leistungsbezug sollten jedoch künftig möglich sein.

 

Als unbeabsichtigter Nebeneffekt wird die Verkürzung des Grundleistungsbezuges auf ein Jahr zu einer Verschärfung des sog. „leistungsrechtlichen Ausbildungsver- bots“ führen: Bislang konnten Personen auch während einer dem Grunde nach för- derfähigen Ausbildung innerhalb der ersten vier Jahre Grundleistungen nach dem AsylbLG beziehen. Dies wird künftig nur noch während des ersten Jahres möglich sein. In Verbindung mit den ausländerrechtlichen Ausschlüssen im Bereich des BA- föG und der Berufsausbildungsbeihilfe, nach denen mit Aufenthaltsgestattung gar keine und mit Duldung sowie Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 erst nach vier Jahren Voraufenthaltszeit Leistungen der Ausbildungsbeihilfe beansprucht wer- den können, wird sich die jetzt schon bestehende „Ausbildungsförderungslücke“ wei- ter vergrößern. § 8 BAföG sollte daher dringend entsprechend angepasst werden.

 

Handlungsempfehlung

 

Die maximale Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem AsylbLG sollte in § 2

Abs. 1 AsylbLG-E auf drei Monate gesenkt werden. Im Anschluss daran sollte eine direkte Anwendung der Sozialgesetzbücher erfolgen. Dies würde auch die Gewäh- rung von Leistungen zur Integration erwerbsfähiger Personen in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II sicherstellen. Um eine Ausbildungsförderung zu gewährleisten, sollte das Bundesausbildungsförderungsgesetz entsprechend angepasst werden.


 

4.    Grundleistungen - Sachleistungsvorrang nach § 3 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 4a und b)

 

Gemäß § 3 AsylbLG-E soll weiterhin vorrangig die Sachleistungsgewährung gelten, indem klargestellt wird, dass Sachleistungen neben einer Geldleistung den existenz- notwendigen Bedarf sicherstellen können sollen. Gleichzeitig regelt die Vorschrift unverändert den Sachleistungsvorrang auch außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtun- gen.

 

Bewertung

 

Der Sachleistungsvorrang bleibt unverändert. Ein durch die BAGFW seit langem kri- tisiertes Hauptinstrument des sozialen Ausschlusses bleibt damit bestehen. Die Um- setzung der gesetzlichen Regelung bleibt eine politische Entscheidung der Kommunen bzw. Bundesländer. Laut Gesetzesbegründung kann der Träger des AsylbLG außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen auch zukünftig von der vorrangi- gen Leistungserbringungsform Sachleistungen abweichen und die Bedarfsdeckung vollständig über Geldleistungen erbringen. Die Entscheidung über die Art der Leis- tungserbringung bei einer Unterbringung außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen bleibt damit weiterhin in das Ermessen des Leistungserbringers gestellt.

 

Die Mehrzahl der Bundesländer, Landkreise und Kommunen hat bereits in Abkehr von dem Vorrangprinzip aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen auf die Gewährung von Barleistungen umgestellt. Nur wenige Bundesländer wie etwa flächendeckend in Bayern und Teile Brandenburgs, Baden-Württembergs und Thüringens halten bis- lang an der Ausgabe von Sachleistungen oder Gutscheinen fest. Die tägliche Erfah- rung der Verbände zeigt, dass durch Sachleistungen besonders zur Deckung des physischen Existenzminimums immer wieder akute Versorgungsengpässe entstehen und der Bedarf oft nicht wie individuell erforderlich gedeckt werden kann. Eine Be- darfsdeckung ist besonders bei echten Sachleistungen weder in Bezug auf den kon- kreten Zeitpunkt der Leistungsgewährung, Qualität, Menge oder tatsächlichem Gegenwert mangels objektiver Kriterien und Kontrollen überprüfbar. Die Verbände der BAGFW halten daher Sachleistungen zur Deckung des grundrechtlich geschütz- ten existenznotwendigen Bedarfs für nicht geeignet. Das Sachleistungsprinzip wirkt zudem besonders bei Ausgaben von Gutscheinen diskriminierend und erschwert ins- gesamt die Integration.

 

Handlungsempfehlung

 

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege fordern die Bundesregierung auf, im Rahmen der Neuregelung des AsylbLG das Sachleistungsprinzip aufzugeben. Ins- besondere die Beibehaltung der aktuellen Formulierung in § 3 Abs. 2 S.1 AsylbLG, die Sachleistungen als „vorrangig“ zu gewähren vorsieht, ist aus Sicht der Verbände obsolet.


 

5.    Grundleistungen - Bildungspaket nach § 3 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 AsylbLG- E (Art.1 Nr. 4c und Nr. 8)

 

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylbLG-E und § 12 Abs. 2 AsylbLG-E sollen künftig alle vom AsylbLG erfassten Kinder, Jugendlichen und junge Erwachsene von Anfang an An- spruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen entsprechend SGB XII haben.

 

Bewertung

 

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Festschreibung des Anspruches auf Bildungs- und Teilhabeleistungen auch für Leistungsempfänger nach dem AsylbLG. Die Neu- regelung setzt damit eine immer wieder geltend gemachte Forderung der BAGFW um und beendet damit die Ausgrenzung der Kinder, Jugendlichen und jungen Er- wachsenen, die nach AsylbLG Leistungen empfangen.

 

6.    Krankenversorgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG-E sowie § 4 und § 6

AsylbLG (Art.1 Nr. 4b) bb)

 

Bei der Regelung der notwendigen Bedarfe in § 3 Abs. 2 AsylbLG-E sollen auch künftig regelbedarfsrelevante Ausgaben für die Gesundheitspflege (Rezeptgebühren, Eigenanteile) unberücksichtigt bleiben. Hinsichtlich der §§ 4 und 6 AsylbLG sieht der Referentenentwurf keine Änderungen vor. Die Leistungen bei Krankheit, Schwanger- schaft und Geburt gemäß § 4 und § 6 AsylbLG bleiben bestehen. Es sollen also wei- terhin lediglich Leistungen im Falle akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (§ 4), bzw. insofern sie für die Gesundheit unerlässlich sind (§ 6), erbracht werden.

 

Bewertung

 

Nach Auffassung der BAGFW muss eine umfassende Gesundheitsversorgung ge- währleistet werden. Eine Kompensation des § 4 AsylbLG durch die Bestimmung des

§ 6 Abs. 1Ssatz 1 AsylbLG, der im Einzelfall Leistungen ermöglichen soll, die u.a. zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind, findet in der Praxis nicht statt. Hier ent- scheiden medizinisch nicht sachkundige Mitarbeitende des Sozialamts über die be- antragten Leistungen. Vielmehr besteht durch die unklare Rechtslage der reduzierten Gesundheitsleistungen und dem hohen bürokratischen Aufwand durch die Leis- tungserbringer oft eine zeitliche Verzögerung zu Lasten der Betroffenen. Das durch das Bundesverfassungsgericht begründete Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst auch das physische Existenzmini- mum, für das die Versorgung bei Krankheit essentiell ist. Eine Abweichung vom Ver- sorgungsgrad anderer Bedürftiger darf nicht nach dem Aufenthaltsstatus geschehen. Ein sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung wurde in der Gesetzesbe- gründung zudem nicht angeführt.

 

Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 18.07.2012 die Gesundheitsversorgung nach § 4 AsylbLG nicht eigens erwähnt. Da die Entscheidung aber auf das sog. Hartz-IV Urteil vom 9.2.2010 verweist und damit auf die dort getroffenen Aussagen

zum physischen Existenzminimum, wird deutlich, dass die bisherige Praxis, nur akute

Erkrankungen und Schmerzzustände zu behandeln, nicht fortgesetzt werden kann.


Das entsprechend der Verfassung zu garantierende physische Existenzminimum umfasst auch eine angemessene Krankenversorgung.

 

Zudem steht dieser Regelung Art. 12 Abs.1 des Internationalen Pakts über wirt- schaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte entgegen. Danach erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an. Die derzeitige Fassung des AsylbLG er- kennt dieses Recht nicht an.

 

Die richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie), neugefasst durch Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie n.F.) muss zeitnah ge- währleistet werden.

 

In Art. 15 Abs. 2 der Aufnahmerichtlinie (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie n.F.) ist vorgesehen, Asylbewerbern mit besonderen Bedürfnissen die „erforderliche medizi- nische oder sonstige Hilfe“ zu gewähren. Diese umfasst nach Auffassung der BAGFW mehr als die in Art. 15 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie (Art. 19 Abs. 1 Auf- nahmerichtlinie n.F.) geregelte "Notversorgung und unbedingt erforderliche Behand- lung von Krankheiten". Besonders schutzbedürftige Personen sind nach Art. 17 der Aufnahmerichtlinie „Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere

Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben (nach Art. 21 Aufnahmerichtlinie n.F. zusätzlich auch Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankun- gen, Personen mit psychischen Störungen)“ Die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe geht über die „Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustän- de“ im Sinne des § 4 AsylbLG und über Leistungen, wenn sie „für die Gesundheit unerlässlich ist“ im Sinne des § 6 AsylbLG deutlich hinaus. Schon bei der Umsetzung der alten Fassung der Aufnahmerichtlinie in nationales Recht ist eine richtlinienkon- forme Regelung versäumt worden. Die Europäische Kommission hat dies in ihrem Bericht zur Anwendung der Richtlinie an den Rat und das Europäische Parlament deutlich angemerkt.

 

Die Beschränkung der Übernahme von Kosten auf die Behandlung akuter Erkran- kungen und Schmerzzustände bewirkt häufig die Verschleppung und Verschlechte- rung von Krankheiten. Dies zeigt, dass die einzelfallbezogene Auffangregelung nach

§ 6 AsylbLG unzureichend ist. Diese Leistungen werden zudem von den Kommunen und Sozialleistungsträgern in Häufigkeit und Umfang sehr unterschiedlich bewilligt. Zudem verursacht die derzeitige Rechtslage im Bereich der Krankheitsversorgung für die leistungspflichtigen Kommunen einen nicht unerheblichen zusätzlichen administ- rativen und finanziellen Aufwand. Gerade im Hinblick auf zwei tragische Fälle in der jüngeren Vergangenheit, in denen ein Kind wegen Nicht-Behandlung gestorben ist und ein anderes Kind nur noch knapp gerettet werden konnte, zeigen eindringlich die Notwendigkeit auf, den Zugang zu Gesundheitsleistungen neu zu regeln. Es sollte in keinem Falle durch eingeschränkte Leistungen im Krankheitsfall eine Verschlechte- rung des Gesundheitszustandes oder eine Chronifizierung von Krankheiten in Kauf

genommen werden, denn dies bedeutet vermeidbares Leid für die Kranken und er- höhte Kosten nach Ablauf des Leistungsbezuges nach § 3 AsylbLG.


Es wäre daher sinnvoll, für alle Leistungsberechtigten des AsylbLG die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen. Auch hier dürfen die Versi- cherten nur das medizinisch Notwendige erhalten. Dafür müssten die nach AsylbLG berechtigten Personengruppen im Rahmen der jeweils zuständigen Leistungsgeset- ze in die Krankenversicherung aufgenommen werden bzw. Hilfen zur Gesundheit erhalten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a und Nr. 13 SGB V, § 264 SGB II, §§ 47 ff. SGB XII). Gleichzeitig wären sie über § 20 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 28 SGB XI in die Pflegeversi- cherung aufzunehmen. Dies wäre auch bei eingeschränkter Bleibeperspektive sinn- voll, da eine Pflegebedürftigkeit jederzeit entstehen kann, auch bei jungen Menschen (z. B. durch Unfall, Schlaganfall etc.). Einige Personen, die bereits erwerbstätig wa- ren, waren gegebenenfalls auch schon vorversichert, so dass eine Weiterversiche- rung auch folgerichtig wäre.

 

Dann wären allerdings auch die regelbedarfsrelevanten Ausgaben für die Gesund- heitspflege (Rezeptgebühren, Eigenanteile) in die notwendigen Bedarfe aller nach §

3 Abs. 2 AsylbLG-E Leistungsberechtigten mitaufzunehmen.

 

Handlungsempfehlung

 

Die BAGFW-Verbände fordern eine Eingliederung in das System der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, um den Vorgaben des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte gerecht zu werden. Eine frü- hestmögliche Einbindung in die allgemeinen Sozialgesetzbücher würde eine ausrei- chende medizinische Versorgung und damit das physische Existenzminimum automatisch sicherstellen. Die regelbedarfs-relevanten Ausgaben für die Gesund- heitspflege sollten dann in die notwendigen Bedarfe nach § 3 Abs. 2 AsylbLG-E auf- genommen werden. Zumindest muss die Bundesregierung im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes eine richtlinienkonforme Gestaltung der Gesundheits- versorgung im AsylbLG vornehmen.

 

7.    Aufwendungserstattung des Nothelfers - § 6a AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 5)

 

Mit § 6a AsylbLG-E wird ein Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers im AsylbLG eingeführt, da das Bundessozialgericht mit Entscheidung vom 30.10.2013 die zuvor überwiegend vertretene analoge Anwendung des Nothelferanspruchs nach § 25

SGB XII im AsylbLG abgelehnt hat. Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Einführung einer Erstattungsgrundlage für die Aufwendungen Dritter (niedergelassene Ärzte und Zahnärzte sowie Krankenhausträger), die in einer akuten Notlage tätig werden und Leistungsberechtigten nach AsylbLG (Not-)Hilfe gewähren. Der Gesetzgeber kommt damit einer Anregung der in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände nach.

 

8.    Einkommen und Vermögen von Familienangehörigen - § 7 Abs. 1 AsylbLG

 

Laut Referentenentwurf wird der bisherige § 7 Abs. 1 AsylbLG beibehalten.


 

Bewertung

 

In § 7 Abs. 1 AsylbLG sollte eine Klarstellung erfolgen, wer unter den Begriff der

„Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben“ zu zählen ist. Das Bundessozi- algericht hat im vergangenen Jahr klar gestellt, dass sich auch das AsylbLG an der Definition der „Bedarfsgemeinschaft“ orientieren muss. Entgegen dem Wortlaut zäh- len dazu nicht etwa entferntere Familienmitglieder.

 

Das BSG formulierte am 26. Juni 2013:

 

"§ 7 AsylbLG definiert nämlich weder eigenständig die Begriffe des Einkommens und Vermögens, noch bestimmt er, wessen Einkommen und Vermögen zu berücksichti- gen ist. Die Regelungen des AsylbLG sind vielmehr unvollständig; sie setzen nach der historischen Entwicklung des AsylbLG, Sinn und Zweck, Wortlaut des § 7

AsylbLG und der gesamten Systematik des Gesetzes unausgesprochen voraus,

dass in diesen Punkten - einschließlich der Bedarfsdeckungsfiktion - dieselben Krite- rien gelten wie im Sozialhilferecht allgemein. Im Sinne einer dynamischen Konzepti- on muss deshalb insoweit bei Anwendung des AsylbLG auf die jeweiligen Vorschriften des Sozialhilferechts zurückgegriffen werden. Die Vorstellung des Ge- setzgebers ist es, Personen, die dem AsylbLG unterfallen, soweit es die Frage der Berücksichtigung von Einkommen Dritter betrifft, weder schlechter noch besser zu behandeln als sonstige Ausländer, die nach § 23 SGB XII Sozialhilfeleistungen be- ziehen.

 

Dies bedeutet zum einen, dass unter "Familienangehörigen" in § 7 Abs 1 Satz 1

AsylbLG wie im SGB XII nicht der volljährige Sohn der Klägerin und die Schwieger- tochter zu verstehen sind." (Terminbericht; B 7 AY 6/11 R)

 

Handlungsempfehlung

 

Im Zuge der Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte hier eine Klar- stellung im Gesetzestext des § 7 Abs. 1 AsylbLG erfolgen und deutlich gemacht wer- den, wer als Familienangehörige, die im selben Haushalt leben im Sinne des § 7

Abs. 1 AsylbLG zu betrachten ist, welcher Familienangehörige zunächst also sein Einkommen und Vermögen vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzu- brauchen hat.

 

9.    Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit - § 7 Abs. 3 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 6)

 

In § 7 Abs. 3 AsylbLG soll künftig geregelt werden, dass Einkommen aus Erwerbstä- tigkeit zu 25 vom Hundert, höchstens jedoch zu 50 vom Hundert nicht erst aufzu- brauchen sind, bevor Leistungen nach dem AsylbLG gewährt werden, mithin also außer Betracht bleiben.

 

Bewertung

 

Der Erwerbstätigenfreibetrag soll künftig gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG-E auf eine Höchstgrenze von 50 vom Hundert der jeweiligen Regelbedarfsstufe begrenzt


werden. Bisher lag die Höchstgrenze bei 60 vom Hundert des maßgeblichen Betrags. Der Gesetzgeber begründet diese Absenkung damit, dass auch im SGB XII (§ 82

Abs. 3 Satz 1 SGB XII) die Obergrenze bei 50 vom Hundert liege. Diese Begründung überzeugt jedoch nur zum Teil, denn bei der durchaus sinnvollen Angleichung der beiden Regelungen müsste dann im Rückschluss auch zugleich die Mindesthöhe

des Erwerbstätigenfreibetrags im AsylbLG von 25 auf 30 vom Hundert des Bruttoer- werbseinkommens angehoben werden. Denn dies ist auch die geltende Regelung im SGB XII (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII).

 

Erstmalig sollen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 AsylbLG-E Regelungen zur Einkommens- bereinigung auch im AsylbLG eingeführt werden. Laut Gesetzesbegründung trägt die Einführung weiterer Abzugsmöglichkeiten der politischen Zielsetzung Rechnung, die Erwerbstätigkeit von Asylbewerbern und Geduldeten zu fördern. Auch dieses Ziel würde eine Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in den Rechts- kreis des SGB II unterstützen. Hier ist jedoch anzumerken, dass einerseits eine Re- gelung zum anzurechnenden Einkommen im Zusammenhang mit eventueller Erwerbstätigkeit in das AsylbLG aufgenommen, wodurch der Wille zur Eingliederung der Zielgruppe in die Arbeitswelt zwar erkennbar wird, denn damit soll laut Gesetzes- begründung der Anreiz für die Aufnahme einer Beschäftigung verstärkt werden. An- dererseits wird die erwerbsfähige Zielgruppe durch die sog. Analogleistungen gemäß

§ 2 AsylbLG-E weiter im Rechtskreis des SGB XII gehalten und nicht im Rechtskreis des SGB II betrachtet, wo eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt tatsächlich geför- dert werden könnte. Nach Auffassung der BAGFW ist es nicht zielführend, erwerbs- fähige Personen, deren Erwerbstätigkeit offiziell gefördert werden soll, weiterhin einem Leistungssystem für nicht-erwerbsfähige Personen zuzuordnen.

 

Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass der Erwerbstätigenfreibetrag stets vom Bruttoeinkommen zu berechnen ist und nicht vom Netto- oder gar vom bereinigten Einkommen. Mit Ausnahme des Erwerbstätigenfreibetrags enthielt § 7 AsylbLG bis- lang keine Regelungen über eine Bereinigung des Einkommens. Als Absetzbeträge vom Erwerbseinkommen werden nunmehr genannt: Einkommenssteuern, Sozialver- sicherungspflichtbeiträge, die mit der Einkommenserzielung verbundenen notwendi- gen Ausgaben („Werbungskosten“) und gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen. Laut Geset- zesbegründung entspricht diese Regelung weitgehend den Absetzbeträgen des § 82

Abs. 2 SGB XII. Dennoch bleibt fraglich, warum nicht wie in § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII auch Versicherungsbeiträge absetzbar sein sollen, die „nach Grund und Höhe angemessen sind“ – also vor allem private Haftpflicht- und Hausratversicherungen.

 

Zudem fehlt eine Regelung, die wie in § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII für Einkommen aus Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten einen Grundfreibetrag von 200 Euro festlegt – zumal die ehrenamtliche Tätigkeit für den Personenkreis mit Duldung und Aufenthaltsgestattung gerade während der Zeit des nachrangigen Ar- beitsmarktzugangs die Möglichkeit der Betätigung und der Heranführung an den Ar- beitsmarkt darstellen kann.

 

Handlungsempfehlung

 

Um die Erwerbstätigkeit von erwerbsfähigen Geduldeten und Asylsuchenden tat- sächlich zu fördern, sollte ihnen auch der Zugang zu den Leistungen zur Integration


in den Arbeitsmarkt des SGB II eröffnet werden. Der Erwerbstätigenfreibetrag sollte in Angleichung an § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in seiner Mindesthöhe auf 30 vom Hundert angehoben werden. In Angleichung an § 82 Abs. 2 SGB XII sollten auch Versicherungsbeiträge als Absetzbeträge vom Erwerbseinkommen angenommen werden können, die nach Grund und Höhe angemessen sind. Außerdem sollte wie in

§ 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII für Einkommen aus Aufwandsentschädigungen für eh- renamtliche Tätigkeiten ein Grundfreibetrag von 200 Euro festlegt werden.

 

10. Vermögensfreibetrag § 7 Abs. 5 AsylbLG-E (Art. 1 Nr. 6e)

 

Mit § 7 Abs. 5 AsylbLG-E wird für den Leistungsberechtigten und seine Familienan- gehörigen, die im selben Haushalt wohnen, für notwendige Anschaffungen (Beklei- dung, z.B. Wintermantel, Wäsche, Schuhe) ein kleiner Vermögensfreibetrag von 200

Euro eingeführt, ferner sollen Vermögensgegenstände außer Betracht bleiben, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit un- entbehrlich sind.

 

Bewertung

 

Die Einführung einer solchen Regelung wird von den BAGFW-Verbänden sehr be- grüßt,  die Vermögensfreibeträge in SGB II und SGB XII sind jedoch erheblich höher und nach Lebensalter gestaffelt. Es besteht kein Anlass für eine hiervon abweichen- de Regelung. Insgesamt sollte aus Gründen der Gleichbehandlung und Rechtsklar- heit auf sämtliche bestehenden Einkommens- und Vermögensdefinitionen der Sozialgesetzbücher verwiesen werden, die aktuellen sozialrechtlichen Anforderun- gen entsprechen.

 

Wir bedanken uns für die Gelegenheit zum Gespräch am 2. Juli 2014 im Rahmen des Anhörungsverfahrens und bitten Sie, die vorgenannten Aspekte in Ihre weiteren Überlegungen miteinzubeziehen.