Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit und Soziales am 4. Juli 2011 zu den folgenden Anträgen betreffend die Ausschreibung von Integrationsfachdiensten

"Ausschreibungspflicht für Leistungen der Integrationsfachdienste stoppen - Sicherstellung von Qualität, Transparenz und Effizienz" Antrag der Fraktion der SPD – BT-Drucksache 17/4847

"Ausschreibungspflicht für Leistungen der Integrationsfachdienste stoppen
- Sicherstellung von Qualität, Transparenz und Effizienz" Antrag der Fraktion der SPD – BT-Drucksache 17/4847

"Alternativen zur öffentlichen Ausschreibung für Leistungen der Integrationsfachdienste ermöglichen" Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – BT-Drucksache 17/5205

Mit ihren Anträgen haben die Bundestagsfraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Problem aufgegriffen, das seit der Neuregelung der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) im Jahr 2009 die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in das Berufsleben zusehends erschwert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft begrüßt daher ausdrücklich, dass der Bundestagsausschuss die behinderungspolitischen Folgen der Vergaberechtsreform aufgreift. Denn – wie bereits bei der Reform der Bau-Verdingungsordnung (VOB) – zeigt sich, dass Änderungen im untergesetzlichen Vergaberecht erhebliche Verwerfungen auslösen und Grundlinien der Sozialpolitik in Frage stellen können.

Dies erscheint umso problematischer als die Bundesregierung die Notwendigkeit betont, in allen gesellschaftlichen Bereichen auf behindertenpolitische Belange zu achten. Fachliche und sozialpolitische Zielsetzungen finden ihre Verwirklichung nicht allein in Form von materiell-rechtlichen Leistungsansprüchen sondern auch im Rahmen von Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen, die Hilfe-Netzwerke begründen und deren Zusammenarbeit regeln. Wenn das von der UN-Behindertenrechtskonvention geforderte sog. Disability main-streaming die Verwirklichung der behindertenpolitischen Belangen zum Kriterium für die Stimmigkeit der gesamten Rechtsordnung sicherstellen soll, muss dies auch für die verwaltungsinternen Regelungen der VOL zum Tragen kommen. Andernfalls werden materielle Zielsetzungen der Sozialpolitik durch eine ungeeignete Verfahrensgestaltung unterlaufen, die nicht nur diese Zielerreichung behindern sondern ihr geradezu entgegenstehen.

 

 

Vor diesem Hintergrund spricht sich die BAGFW dafür aus,

·         von der öffentlichen Ausschreibung von IFD-Leistungen abzusehen und diese wieder wie bisher freihändig zu vergeben. Dies kann durch eine entsprechende Ergänzung in Abs. 5 Nr. j (freihändige Vergabe für Aufträge, die ausschließlich an Werkstätten für behinderte Menschen ergehen) oder durch einen neuen, speziell auf Integrationsfachdienste zugeschnittenen Buchst. m erfolgen.

·         die im SGB IX angelegte Form der Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur, den weiteren Rehabilitationsträger und den Anbietern von Integrationsfachdiensten zu überprüfen. Denn letztlich weist § 109 SGB IX der Bundesagentur die Rolle als Auftraggeberin für die Leistungen von Integrationsfachdiensten zu und stellt damit die Weichen für die keinesfalls zwingende vergaberechtliche Gestaltung der Zusammenarbeit.

·         die Arbeitsweise der Verdingungsausschüsse als rechtssetzende Gremien zu überprüfen. Wenn es der politische Wille der Bundesregierung ist, vergaberechtliche Elemente im Sozialrecht zu verankern, muss sie sicherstellen, dass das sozialpolitische Disability Mainstreaming zwingender Aspekt auch der vergaberechtlichen Wettbewerbsgestaltung und deren Folgeeinschätzung wird.

Zur Begründung unserer Forderungen weisen wir auf folgende Gesichtspunkte hin:

1.    Behindertenpolitik als Querschnittsthema

Die Inklusion von Menschen mit Behinderung in das gesellschaftliche Leben ist als politisches Ziel so vielschichtig wie das gesellschaftliche Leben selber. Nicht zuletzt die Präambel der UN Behindertenkonvention hebt deshalb auch hervor, dass die Behinderungsthematik ein Querschnittsthema ist und im Sinne eines Mainstreaming fester Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung werden muss. Strategien zur nachhaltigen Entwicklung des Gemeinwesens müssen daher bei der Folgeeinschätzung die Auswirkungen der geplanten Schritte für die Inklusion von Menschen mit Behinderung mitberücksichtigen. Mit ihrem Beitritt zur UN-Behindertenrechts-konvention und deren Ratifizierung hat sich auch die Bundesrepublik die Perspektive und die daraus sich ergebenden Verpflichtungen zueigen gemacht.

Diese Ausrichtung auf die Belange von Menschen mit Behinderungen muss auch bei der Weiterentwicklung von Verfahrensrechten zum Tragen kommen. Denn Verfahrensrecht setzt materielle Ziele des Gesetzgebers um und gestaltet das Zusammenwirken der öffentlichen Hand, der Leistungserbringer und Leistungsberechtigten. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Verfahrensrecht das politisch gewollte Zusammenwirken staatlicher und freier Kräfte unterstützt. Insoweit kann das Disability Mainstreaming als ein Gesichtspunkt bei der Bewertung zum Tragen kommen und verhindern, dass die Gesichtspunkte von Effizienz und der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung gegen sozialpolitische Ziele ausgespielt werden.

 

Damit kommt das Querschnittsthema Inklusion auch bei der vergaberechtlichen Ausgestaltung der Erbringung von Integrationsfachdiensten zum Tragen. Vor diesem Hintergrund bietet die für den 4. Juli angesetzte Anhörung die Gelegenheit, das Zusammenwirken der einschlägigen Regelungen im SGB IX, III und in der untergesetzlichen VOL zu bewerten.

2.    Auswirkung der öffentlichen Ausschreibung auf die fachliche Arbeit der IFD

Einen besonderen Schwerpunkt der Inklusion von Menschen mit Behinderung stellt in die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben dar. Hier kommt zum Einen zum Tragen, dass Menschen mit Behinderung überdurchschnittlich vom Risiko der Arbeitslosigkeit betroffen sind. Zudem lassen sich bewährte Instrumente und Hilfestellungen erkennen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, die Aussichten auf eine Beschäftigung zu verbessern. Insbesondere gilt dies für die Integrationsfachdienste, die nach der Konzeption des SGB IX im Auftrag der Bundesagentur tätig sind und diese Aufträge nur im Wege des Zuschlags am Ende eines öffentlichen Vergabeverfahrens erhalten kann.

a)    Wie die dieser Anhörung zugrunde liegenden Anträge zutreffend darstellen, wirken bei der Ausgestaltung der Integrationsfachdienste verschiedene Leistungsträger nicht allein mit der Bundesagentur zusammen. Vielmehr sehen die §§ 101 ff SGB IX die gemeinsame Verantwortung einer Vielzahl von Rehabilitationsträgern vor, die die Integration von Menschen mit Behinderung in das Berufsleben ermöglichen und mit den besonderen Vermittlungsleistungen nach § 101 ff. SGB IX verringern. Insbesondere zielt das SGB IX darauf eine einheitliche Infrastruktur aufzubauen, die sowohl für Menschen mit Behinderung wie auch für Arbeitgeber ein verlässliches Netzwerk schafft. Integrationsfachdienste stehen damit an Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Leistungssystemen und sollen diese miteinander vernetzen. Diese Vernetzung stellt ein Betreuungsnetzwerk sicher, das eine erhebliche Kontinuität bei der Begleitung der Leistungsberechtigten und Ansprechpartner bietet und so wesentlichen Anteil am Erfolg der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung hat. Denn ein solches Netzwerk bietet den Leistungsberechtigten den Rahmen, in dem die Leistungsfähigkeiten und beruflichen Interessen der Arbeitsuchenden festgestellt werden, die eigentliche Vermittlung und soweit erforderlich eine begleitete Einarbeitung stattfinden

b)    Diese aus wohlerwogenen fachlichen Gründen gestaltete Netzwerkstruktur gerät durch die unmodifizierte Anwendung des vergaberechtlichen Wettbewerbssystems in Gefahr. Als problematisch erweisen sich dabei der Zuschnitt des Ausschreibungsverfahrens auf den ausschreibenden Auftraggeber, dessen Steuerungskompetenz mit dem interdisziplinären Zusammenwirken nach den §§ 101 ff. SGB IX schwer vereinbar erscheint. Problematisch für den Aufbau tragfähiger und nachhaltiger Netzwerke ist zudem die begrenzte Vertragsdauer für ausgeschriebene Dienstleistungsverträge. Denn diese führen zwangsläufig zum regelmäßigen Wechsel der Bezugspersonen und stehen damit der Betreuungskontinuität im Wege.

Eine weitere problematische Tendenz in der Praxis stellt die von der Bundesagentur konzipierte Leistungsnachfrage dar. Denn diese umfasst durchaus auch Leistungen, die über die eigentlichen Aufgaben der Integrationsfachdienste hinausgehen und diese so mit fachfremden Aufgaben überlasten.

Schließlich löst die zu einseitige Ausrichtung der Bundesagentur auf die Preiserwartungen als Auswahlkriterium bereits jetzt einen deutlichen Preis- und damit Verdrängungswettbewerb unter den bisherigen Leistungserbringern aus. Dies und die Bestandsunsicherheit über die Dienstverträge mit den Mitarbeitenden führen dazu, dass das Arbeitsfeld der Integrationsfachdienste in absehbarer Zeit fachlich nachhaltig geschwächt wird.

3.    Rechtliche Voraussetzungen der Ausschreibungspflicht

„Auslöser“ für die öffentlichen Ausschreibungen ist die Einbeziehung gemeinnütziger Leistungserbringer in den Kreis der zu Vergabeverfahren zugelassenen Anbieter. Mit dem Wegfall des bisherigen § 7 Abs. 6 VOL/A können und müssen sich gemeinnützige Anbieter von Integrationsfachdiensten an Vergabeverfahren beteiligen. Da die Neuregelung der VOL zugleich den Spielraum für die freihändige Vergabe deutlich eingeschränkt und das BMAS keine Bereitschaft gezeigt hat, den Weg für die freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 5 i VOL (Zulassung bis zu einem bestimmten Höchstwert durch einen Bundesminister) freizugeben, kommen die Regelungen der öffentlichen Vergabe für die Vergabe von Integrationsfachdiensten in vollem Umfang zum Tragen.

Diese untergesetzliche vergaberechtliche Gestaltung folgt allerdings nur Weichenstellungen, die bereits im SGB III und SGB IX angelegt sind. Wenn nämlich bereits § 109 SGB IX die Bundesagentur als Auftraggeberin bezeichnet, setzt die VOL insoweit formal-gesetzliche Vorgaben folgerichtig um. Die Zulassung eines weiteren Falles von freihändiger Vergabe kann damit zwar wieder mehr Spielraum für freihändige Vergabeverfahren schaffen. Das grundlegende Problem bleibt aber bestehen, dass das auf Leistungsansprüche und damit eine Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis zugeschnittene SGB IX in § 109 die im SGB III verankerte Ausschreibungslogik übernimmt. Insbesondere verschafft die Rolle als alleinige Auftraggeberin der Bundesagentur weitgehende Steuerungsfunktionen für den gesamten Vorgang der Leistungserbringung. Von daher bittet die BAGFW den Ausschuss für Arbeit und Soziales nachdrücklich darum, auch diese Weichenstellung in § 109 SGB IX auf ihre Zweckmäßigkeit für die Erreichung der sozialpolitischen Inklusionsziele hin zu überprüfen.

4.    Wettbewerb ohne Vergaberecht

a)    Für die Neugestaltung des § 109 SGB IX spricht zudem, dass die gegenwärtige Ausgestaltung im Sinne eines Einkaufsmodells erheblich aus dem im SGB IX grundsätzlich vorherrschenden Modell der Leistungserbringung nach dem sozialrechtlichen Dreiecksmodell herausfällt. Insofern erscheint auch die Darstellung des Bundesministeriums etwas verkürzt, mit der diese das Verhältnis von Sozial- und Vergaberecht beschreibt[1]. Die dortige Darstellung der sozialrechtlichen Leistungserbringung als Ausnahme von der Regel der öffentlichen Beschaffung nach dem Einkaufsmodell trägt weder dem Subsidiaritätsprinzip noch der Bedeutung Rechnung, die dem einzelnen in Not geratenen Menschen nach Art. 1 Abs. 1 GG zukommt. Insofern hält die BAGFW den Hinweis für geboten, dass sich Sozialrecht nicht auf einzelne Verfahrensregelungen reduzieren lässt, die in bestimmten Fällen dem regelmäßigen Beschaffungsverfahren als speziellere Normen vorgehen. Vielmehr setzt das Sozialrecht grundlegende verfassungsrechtliche Verpflichtungen um, die auch verfahrensrechtliche Auswirkungen haben.

Der Verzicht auf das Auftragsmodell steht mit europarechtlichen Vorschriften im Einklang. Denn der europarechtliche Zwang zur Ausschreibung setzt zwar einen öffentlichen Auftrag voraus. Daraus lässt sich aber weder auf einen europarechtlichen Zwang schließen, sozialrechtliche Dienstleistungen in der Gestalt eines öffentlichen Auftrags zu konzipieren. Noch ist die öffentliche Auftragsvergabe das einzige Mittel zur Gestaltung von Wettbewerb. Vielmehr betont die EU-Kommission in ihrer Unterrichtung zur Wettbewerblichen Gestaltung von sozialen Dienstleistungen ausdrücklich, dass es den Mitgliedsstaaten unbenommen bleibt, die Erbringung von sozialen Dienstleistungen fachlich angemessen und zweckmäßig auszugestalten[2]. Damit verschafft das Europarecht den Mitgliedsstaat Spielraum für eine sachgerechte Verfahrensgestaltung.

b)    Allerdings verlangt der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Gestaltung von Konzessionen auch von nicht vergaberechtlichen Gestaltungen, dass diese den Grundprinzipien des Binnenmarktes entsprechen. Demnach müssen auch die alternativen Verfahren Chancengleichheit und Transparenz gewährleisten.

Dies ist freilich auch im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses möglich[3]: die Offenheit des sozialrechtsimmanenten Wettbewerbs für alle fachlich geeignete Leistungserbringer verschafft diesen Zugang zum Wettbewerb und damit die Möglichkeit, von den Leistungsberechtigten in Anspruch genommen zu werden. Im Gegenzug für diese weitgehende Freiheit beim Zugang zum Wettbewerb und bei der Leistungs-Konzeption tragen die Anbieter sozialer Dienstleistungen das wirtschaftliche Risiko für die Auskömmlichkeit der von ihnen gestalteten und angebotenen Leistungen.

Einer konkreten Aufforderung zur Angebotsabgabe wie das im Vergaberecht erforderlich ist, bedarf es nicht, wenn es der Initiative der Leistungserbringer überlassen bleibt, ob und wann sie sich am Wettbewerb beteiligen möchten. Die Regularien für den Wettbewerb und die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung wiederum ergeben sich für alle Betroffenen zugänglich und damit ebenfalls transparent aus dem Gesetz sowie aus vorhandenen Rahmenverträgen zwischen den Leistungsträgern und den jeweiligen Wohlfahrtsverbänden.

c)    Für eine eventuelle Überarbeitung oder Modernisierung des sozialrechtlichen Wettbewerbsregeln weist die BAGFW auf Folgendes hin: Auch im Rahmen des spezifisch sozialrechtlichen Wettbewerbs bleibt nach wie vor das Wirtschaftlichkeitsgebot maßgeblich. Denn dessen Geltung ist sowohl im Sozialrecht wie auch im Haushaltsrecht abgesichert. Eine solche sozialrechtsspezifische Gestaltung, die anders als das Vergaberecht unter anderem Trägerpluralität anstrebt, kann weitere Ansatzpunkte zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunktes vorgeben. Damit schafft sie auch Spielraum, um sozialrechtlichen Wertungen besser Rechnung zu tragen und so die problematische Ausrichtung an dem einen günstigsten Angebot vermeiden.

Zudem schafft das Dreiecksmodell mit der unbefristeten Zulassung geeigneter Leistungserbringer zum Wettbewerb, bessere Arbeit- und Rahmenbedingungen für die freien Träger und ihre Mitarbeitenden. Dies sichert im Interesse der Leistungsberechtigten die fachlich bedeutsame Betreuungskontinuität. Darüber hinaus trägt dies dazu bei, den von einem erheblichen Fachkräftemangel geprägten Markt sozialer Dienstleistungen bestandssicherer und damit attraktiv zu erhalten.

5.    Problemlösungsansätze

Die vorstehend beschriebenen Probleme verlangen Korrekturen sowohl in der

untergesetzlichen Verdingungsordnung als auch im SGB IX und SGB III.

 

Für die Korrektur der Verdingungsordnung schlägt die BAGFW vor, den abschließenden Katalog von Ausnahmetatbeständen in § 3 Abs. 5 VOL zu erweitern und die freihändige Ausschreibung von IFD-Leistungen entweder zusammen mit der Ausnahmevorschrift für die ausschließliche Beauftragung von Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Buchst. j zu regeln oder als neuen Buchstaben m eine eigenständige Ausnahme zugunsten von IFD vorzusehen. Eine solche Korrektur würde den status quo vor der VOL-Reform wieder herstellen und es ermöglichen, den politischen Willen zur Ausschreibung von IFD-Leistungen unter Wahrung der fachlich erforderlichen Netzwerkstrukturen umzusetzen.

Die Bundesländer haben sich bereits im Rahmen der ASMK und der Bundesratsinitiative[4] für eine solche Korrektur ausgesprochen. Da die Bundesregierung wie die Landesregierungen Sitz und Stimme im Verdingungsausschuss hat, sollte der der Bundestag die Bundesregierung verpflichten, die Initiative der Länder zu unterstützen und auf die entsprechende Umsetzung der ASMK-Beschlüsse hinzuwirken.

Parallel dazu ist eine Korrektur des § 109 SGB IX erforderlich, die die Auftragsgestaltung und die exponierte Rolle der Bundesagentur als Auftraggeberin rückgängig macht. Da es keinen europarechtlichen Zwang zur Gestaltung im Sinne einer Auftragsvergabe gibt, fordert die BAGFW, anstelle dieser problematischen Weichenstellung eine Neuregelung auf der Grundlage des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses mit seinen Wettbewerbsmechanismen in Angriff zu nehmen.

6.    Exkurs: Rolle und Bedeutung des Verdingungsausschusses

Die naheliegende Korrektur im Rahmen der  VOL ist in der Praxis ist mit einem komplizierten Verfahren verbunden. Denn der Abstimmungsmodus im paritätisch besetzen Verdingungsausschuss sieht die einstimmige Beschlussfassung unter den Mitgliedern vor. Von daher vermögen auch die gemeinsamen Stimmen aller öffentlichen Auftraggeber in diesem Gremium die rechtlich erforderliche Korrektur der VOL nicht zu garantieren.

 

Solange der Gesetzgeber der Überzeugung ist, dass vergaberechtliche Verfahren im Sozialrecht zur Anwendung kommen sollen, hält die BAGFW  zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem sozialpolitischen Wertungen und dem Verfahrensrecht eine Reform der Verdingungsausschüsse für dringend erforderlich. Dies sollte vor allem zwei Punkte berücksichtigen:

Zum Einen stellt sich die Frage, wie sich die vom Gesetzgeber gewünschte zunehmende Verbindung von materiellem Sozialrecht und Vergaberecht im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Vergaberecht mit sozialpolitischen Wertungen deutlicher in den einschlägigen Vergaberechtsregelungen niederschlagen kann. Wie auch die 2010 geführte Diskussion um den geplanten Ausschluss gemeinnütziger Bieter aus den von der VOB geregelten Ausschreibungen gezeigt hat, stellt sich damit zunehmend das Problem, dass die nach dem Willen des Gesetzgebers einschlägigen vergaberechtlichen Bestimmungen der Verdingungsordnungen  sozialrechtliche Wertungen nicht genügend beachten und damit die Umsetzung sozialpolitischer Ziele behindern. Vor diesem Hintergrund stimmt die BAGFW dem Hinweis der SPD-Fraktion auf die Verantwortung der öffentlichen Träger für eine in sich stimmige Rechtsordnung ausdrücklich zu. Darüber hinaus sollten sich die paritätisch besetzten Verdingungsausschüsse auch auf der Bieterseite sozialrechtlichem Sachverstand öffnen und Vertreter der Leistungserbringer zulassen. Nicht zuletzt müssen soziale Dienstleister die Möglichkeit erhalten, ihre Interessen als Bieter unmittelbar in die Weiterentwicklung der einschlägigen Verdingungsordnungen einzubringen.

Zudem verschafft der gegenwärtige Abstimmungsmodus den an Gesetz und Recht gebundenen öffentlichen Trägern allenfalls ein Veto. Mit diesem lassen sich zwar schädliche Regelungen verhindern. Allerdings begegnen auch konstruktive Weiterentwicklungen im Sinne eines sozialverträglichen Wettbewerbes demselben Risiko.

Gerade weil die Verdingungsordnungen rechtlich betrachtet nur interne Anweisungen ohne unmittelbare Wirkung gegenüber Grundrechtsträgern enthalten, sehen wir ein ureigenes Interesse des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, dass die von ihm getroffenen Wertungen Beachtung finden und in allen Bereichen der Verwaltung umgesetzt werden.



[1] Ausschussdrucksache 17(11)345, S. 4

[2] Entschließung des EP vom 19.2.2009 zu der Sozialwirtschaft, P6_TA(2009)0062, Nr. 3 und 4; Mitteilung der Kommission: Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM(2006) 177 endg. vom 26.4.2006, Kap. 1.1; Mitteilung der Kommission Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss der Sozialdienstleistungen, KOM(2007) 275 endg. vom 20.11.2007, Kap. 2.3

[3] BAGFW Papier Kommission Dreiecksverhältnis

[4] Bundesratsdrucks 145/2011