Stellungnahme der BAGFW zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (BT-Drs. 16/7460)

Die BAGFW unterstützt den Grundgedanken des vorliegenden Gesetzentwurfs, die verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld mit einer stärkeren Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt zu verbinden. Die vorgeschlagenen Instrumente hierfür sind jedoch unzureichend.

A. Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen

 

  1. Die BAGFW unterstützt den Grundgedanken des vorliegenden Gesetzentwurfs, die verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld mit einer stärkeren Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt zu verbinden. Die vorgeschlagenen Instrumente hierfür sind jedoch unzureichend.
  2. Der neue Eingliederungsgutschein für Ältere darf nicht isoliert gewährt werden, sondern ist einzubinden in das Instrumentarium zur Förderung der Integration von älteren Arbeitslosen. Beim gleichzeitigen verpflichtenden Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit der Forderung nach verstärkten Eigenbemühungen wäre es unangemessen, ältere Arbeitslose gegenüber jüngeren Arbeitslosen faktisch verstärkt der Verhängung von möglichen Sperrzeiten auszusetzen. 
  3. Die BAGFW hält es für unzureichend, dass durch die Neuregelung nur Menschen unter 63 Jahren davor bewahrt werden sollen, vorzeitige Renten mit Abschlägen in Anspruch nehmen zu müssen.  Der Ausschluss Älterer ab 63 Jahren von der Integration in den Arbeitsmarkt widerspricht dem Ziel einer erhöhten Erwerbstätigenquote Älterer. Zu berücksichtigen ist dabei auch die steigende Regelaltersgrenze für Frauen und Männer bis zum Alter von 67 Jahren.
  4. Bei der halbjährigen Überprüfung der Vermittlungsmöglichkeiten von Arbeitslosen über 58 Jahren soll der Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung keine Bedeutung zukommen, da diese für ältere Arbeitslose regelmäßig kein geeignetes Instrument zur Integration in den Arbeitsmarkt darstellt. Vielmehr ist zu überprüfen, ob die Bereitstellung von weiteren Förderangeboten, insbesondere zur Weiterbildung, in Frage kommt.
  5. Die BAGFW lehnt den Ausschluss von Arbeitslosen ab 58 Jahren, die länger als ein Jahr Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen und kein Arbeitsangebot erhalten haben, aus der Arbeitslosenstatistik ab. Geringere Integrationschancen dieser Personengruppe rechtfertigen den Ausschluss nicht.
  6. Die BAGFW begrüßt die Erhöhung und Vereinheitlichung der Hinzuverdienstgrenze für Rentner.

 

 

 

B. Im Einzelnen

 

 

1.    Generelle Vorbemerkung

 

Die  Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) unterstützt den Grundgedanken des vorliegenden Gesetzentwurfs, eine verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes mit Strategien zu einer stärkeren Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt zu verknüpfen. Die Erhöhung der Erwerbstätigenquote Älterer steht auch im Einklang mit einem entsprechenden Schwerpunkt europäischer Wirtschafts- und Sozialpolitik.

 

 

2.    Verlängerung des Arbeitslosengeldes (§ 127 SGB III-neu) und Eingliederungsgutschein für ältere Arbeitnehmer (§§ 223, 224 SGB III-neu, § 35 Abs. 5 SGB III-neu)

 

Der Gesetzentwurf sieht eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer ab dem vollendeten 50. Lebensjahr vor. Mit Vollendung des 50. Lebensjahres beträgt er nun bei einer Vorversicherungszeit von mindestens 30 Monaten 15 Monate. Ab Vollendung des 55. Lebensjahres werden 18 Monate Arbeitslosengeld gezahlt, wenn die Vorversicherungszeit von 36 Monaten erfüllt ist und ab dem 58. Lebensjahr wird nach Versicherungspflichtverhältnissen von insgesamt 48 Monaten insgesamt 24 Monate lang Arbeitslosengeld gezahlt. Die Rahmenfrist wird von 2 auf 5 Jahre verlängert.

 

Gleichzeitig wird für ältere Arbeitnehmer ab Vollendung des 50. Lebensjahres, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als 12 Monaten haben, im SGB III ein Eingliederungsgutschein eingeführt. Die Ausgabe des Eingliederungsgutscheins wird in einer Eingliederungsvereinbarung mit einem Arbeitsangebot oder einer Vereinbarung über notwendige Eigenbemühungen zur Einlösung des Eingliederungsgutscheines verbunden (§ 35 Abs. 5 SGB III-neu). Die Eingliederungsvereinbarung ist spätestens nach drei Monaten zu überprüfen. Mit dem Gutschein verpflichtet sich die Agentur für Arbeit, einen 12-monatigen Eingliederungszuschuss in Höhe von 30 bis 50 % (bei Rechtsanspruch 50 %) des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts an einen Arbeitgeber zu leisten, wenn der Arbeitnehmer für mindestens ein Jahr eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Std. wöchentlich aufnimmt.

 

Bewertung:

Die verstärkten Vermittlungsbemühungen für ältere Arbeitnehmer werden generell begrüßt. Der neu geschaffene Eingliederungsgutschein für ältere Arbeitnehmer kann das vorhandene und vorrangig zu nutzende Instrumentarium von Maßnahmen zur Integration Älterer, insbesondere den Eingliederungszuschuss für Ältere (§ 421 f SGB III), die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer (§ 421 j SGB III) und die Förderung beschäftigter Arbeitnehmer (§ 417 SGB III) bei Weiterbildung ergänzen. Vom Inhalt der Förderung entspricht das Instrument weitgehend dem Eingliederungszuschuss (§ 421 f)[1]. Wesentliche Unterschiede sind die Ausgabe der Förderung als Gutschein, die Ausgestaltung als Rechtsanspruch nach einem Jahr, die Begrenzung der Förderdauer auf ein Jahr und die regelmäßige Verknüpfung mit dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, in der entweder ein Arbeitsangebot festgelegt oder die notwendigen Eigenbemühungen vereinbart werden.

Da der Eingliederungsgutschein zu dem erst jüngst geschaffenen Eingliederungszuschuss hinzukommen wird und es hierbei um ähnliche Instrumente für überschneidende Zielgruppen geht, wird die Handhabbarkeit der Förderpraxis vermutlich erschwert. Die BAGFW verweist auf die aktuelle arbeitsmarktpolitische Zielsetzung der Bundesregierung, durch eine Instrumentenstraffung die Übersichtlichkeit und Effektivität der Arbeitsmarktförderung zu verbessern. Es muss vermieden werden, dass der neu eingeführte Eingliederungsgutschein die Anwendung des bestehenden Eingliederungszuschusses behindert, der ältere Arbeitslose mit individuell begründeten Vermittlungshemmnissen - zu recht ähnlichen Förderkonditionen wie der Eingliederungsgutschein - fördert.

Durch die Verknüpfung der Ausgabe des Eingliederungsgutscheins mit in einer verpflichtend abzuschließenden Eingliederungsvereinbarung dokumentierten Eigenbemühungen des Arbeitslosen kann sich faktisch die Möglichkeit erhöhen, dass bei Nichterfüllung der Eigenbemühungen eine Sperrzeit nach § 144 SGB III verhängt wird. Einen Grund, ältere Arbeitslose stärker als andere Arbeitslose zu fordern und sie angesichts der drohenden Sperrzeiten einem größeren Druck auszusetzen, gibt es nicht. Dies gilt umso mehr als die Integrationschancen älterer Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt faktisch eingeschränkt sind.

Sofern eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen wird, sollten geeignetere Förderinstrumente für Ältere, insbesondere die berufliche Weiterbildung, vorrangig berücksichtigt werden. Das ist in § 35 Abs. 5 zum Ausdruck zu bringen.  

 

 

3.    Erleichterter Bezug von Arbeitslosengeld II und keine Pflicht zum vorzeitigen Bezug von Altersrente bei Arbeitslosen zwischen 58 und 63 Jahren

 

Der Gesetzentwurf sieht Nachfolgeregelungen für die zum 31.12.2007 auslaufenden Sonderregelungen der § 65 Abs. 4 SGB II und § 428 SGB III für Arbeitslose ab 58 Jahren vor.

Nach der bisherigen Rechtslage kann derjenige, der das 58. Lebensjahr vollendet hat und nicht arbeitsuchend ist, mit dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vereinbaren, dass er dennoch Arbeitslosengeld II erhält. Gleichzeitig ist er gehalten, seine Altersrente zu beantragen, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, sie zu beantragen. Er ist allerdings nicht verpflichtet, vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen.

 

Die o. g. befristeten Sonderregelungen für Arbeitslose laufen zum 31.12.2007 aus. Das hat zur Folge, dass auch Menschen ab 58 Jahren arbeitsuchend sein müssen, wenn sie ALG II erhalten wollen. Würde keine Ersatzregelung geschaffen, würden diese Personen nicht mehr leistungsberechtigt nach dem SGB II sein, wenn sie ihre Hilfebedürftigkeit durch den Bezug von Rente reduzieren könnten. Eine reguläre Altersrente kann grundsätzlich erst mit dem 65. Lebensjahr (künftig ansteigend) bezogen werden. Nur noch für wenige Personengruppen besteht nach dem SGB VI die Möglichkeit, vorzeitig ohne Abschläge in Rente zu gehen. Die vorzeitige Rente ist

 

i.d.R. ab dem 60. Lebensjahr möglich.[2] Sie wird mit Abschlägen in Höhe von 0,3 % pro Monat des vorgezogenen Rentenbezugs gemindert. Wer mit 60 statt mit 65 Altersrente bezieht, erhält also i.d.R. 18 % Abschläge.[3] 

Die Pflicht, die Hilfebedürftigkeit im SGB II zu reduzieren, umfasst nach Ansicht der Bundesregierung auch die Pflicht, eine vorzeitige Rente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen, selbst wenn der Hilfebedürftige noch erwerbsfähig und erwerbswillig ist. Im Ermessen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende stünde es weiterhin, den Antrag selbst für den Leistungsberechtigten zu stellen (§ 5 Abs. 3 SGB II). Durch den Rentenbezug scheidet der Hilfebedürftige aus dem SGB II aus (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II). Reicht die Rente zum Leben nicht aus, ist er gezwungen, sich eine geringfügige Beschäftigung zu suchen oder ergänzend Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII zu beantragen. Darüber hinaus kann er sich zwar bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 15 SGB III arbeitsuchend melden. Er erhält dort aber nur Beratung und Vermittlung. Die Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung ist in der Regel ausgeschlossen, da von Personen wegen Bezugs ihrer Altersrente typischerweise erwartet wird, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr vorrangig durch Erwerbstätigkeit bestreiten müssen.[4]

 

Der Gesetzentwurf sieht nun folgende Nachfolgeregelung zu §§ 65 Abs. 4 und 428 SGB III vor: Nach § 12 a S. 2 SGB II wird klargestellt, dass Hilfebedürftige bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Zugleich ordnet § 3 Abs. 2 a SGB II-neu an, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige unverzüglich in eine Arbeit oder in eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind.

 

Bewertung:

Die BAGFW begrüßt die Neuregelung, insoweit sie Menschen unter 63 Jahren nicht darauf verweist, eine vorzeitige Rente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Für die Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt ist es unerlässlich, sie in einem System zu belassen, in dem ihnen Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Zugleich ist es sachgerecht, ihren lebenslang erarbeiteten Rentenanspruch unvermindert zu sichern.

 

Die Neuregelung, dass Arbeitslose, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, unverzüglich nicht nur in eine Arbeit, sondern auch in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vermittelt werden sollen, wird in ihrer derzeitigen Ausgestaltung abgelehnt. Positiv ist das Bemühen zu würdigen, durch unverzügliches Tätigwerden die Integration von älteren Arbeitslosen zu fördern. Oberstes Ziel muss indes die Vermittlung in eine geeignete und individuell sinnvolle Erwerbstätigkeit sein, die ggf. um die Bereitstellung von geeigneten Instrumenten der Arbeitsförderung, wie z.B. der Fort- und Weiterbildung zu ergänzen ist.

 

Für den Personenkreis der älteren Arbeitslosen ist in der Regel das Instrument der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nicht weiterführend. Langjährig Beschäftigte bedürfen in der Regel keiner gemeinnützigen Arbeitsgelegenheit, um ihre sozialen Kompetenzen zu stärken oder in einen Arbeitsalltag einzufinden. Angesichts der bisherigen Erfahrungen stellt auch für langjährig Arbeitslose die Arbeitsgelegenheit nicht generell ein Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt dar, es sei denn, die Qualifizierung steht dabei im Mittelpunkt. Auch für Ältere muss an dem Grundsatz festgehalten werden, dass Arbeitsgelegenheiten nur nachrangig zu anderen Förderleistungen des § 16 SGB II zum Einsatz kommen. Bei älteren Arbeitslosen sollten sie daher im Vergleich zu anderen Förderinstrumenten nur in begründeten Fällen zum Einsatz kommen, wo nachweislich soziale Kompetenzen fehlen oder wo sie zur Bewältigung des Arbeitsalltags notwendig sind. Anstatt der Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung sollte vielmehr unverzüglich geprüft werden, ob nicht weitere Integrationsinstrumente, so z.B. eine Förderung durch eine Weiterbildungsmaßnahme oder eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheit, in Betracht kommen.

 

Bei dem Element des Forderns ist zudem zu berücksichtigen, dass trotz aller Eigenbemühungen von arbeitslosen Älteren die Integrationschancen auf dem Arbeitsmarkt bislang deutlich geringer sind als bei jüngeren Personengruppen. In der Praxis ist sicherzustellen, dass jegliche Sanktionsentscheidung dieser besonderen Situation älterer Arbeitsuchender gerecht wird.  

 

Vorschlag:

In § 3 Abs. 2a SGB II-neu sind daher die Begriffe „oder in eine Arbeitsgelegenheit“ zu streichen und durch die Formulierung zu ersetzen „oder ihnen sind geeignete Leistungen zur Eingliederung gem. § 16 SGB II, z. B. eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheit oder Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, zu gewähren. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II sind nachrangig zu gewähren.“

 

Der neue Absatz 2 a lautet dann:

 

Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, sind unverzüglich in eine Arbeit zu vermitteln oder ihnen sind geeignete Leistungen zur Eingliederung gem. § 16 SGB II, z. B. eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsgelegenheit oder Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, zu gewähren. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II sind nachrangig zu gewähren.“

 

 

 

4.   Pflicht zur Inanspruchnahme von verminderten Renten ab Vollendung des 63. Lebensjahres, Härtefallregelung

 

§ 12 a SGB II stellt klar, dass Menschen ab Vollendung des 63. Lebensjahres grundsätzlich gehalten sind, auch vorzeitige Renten in Anspruch zu nehmen. § 13 Abs. 2 SGB II-neu ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung eine Härtefallregelung zu schaffen, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, vorzeitig Rente zu beziehen.

 

 

Bewertung:

Die BAGFW lehnt diese Regelung ab. Mit dem Ziel der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer und der bereits beschlossenen Erhöhung des Renteneintrittsalters ist es unvereinbar, ältere Arbeitslose ab dem 63. Lebensjahr vorzeitig in das Rentensystem zu verweisen und ihnen so den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwehren. Sozialpolitisches Ziel muss es vielmehr sein, ältere Arbeitslose verstärkt zu fördern und ihnen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen.

 

Rein fiskalische Interessen, die hinter den mit dieser Regelung verbundenen Einsparungen beim Arbeitslosengeld II stehen, dürfen dem nicht entgegenstehen. Obwohl es das Ziel der Bundesregierung auch nach den Vorgaben der Europäischen Union ist, die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer zu erhöhen, soll eine Gruppe von älteren Hilfebedürftigen in die Zuständigkeit der Rentenversicherung überführt und damit – gegen ihren Willen – faktisch vom Arbeitsmarkt verdrängt werden; denn ein freiwilliger Renteneintritt unter Hinnahme der Abschläge ist jederzeit möglich. Zudem werden bei Rentnern, deren mit Abschlägen versehene Renten unterhalb des Existenzminimums liegen, ergänzende Leistungen nach dem SGB XII erforderlich werden, so dass hier nur eine Verschiebung der Kostenlast auf die Kommunen erfolgt.

 

Entgegen dem Gesetzentwurf sind auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Härtefallregelung, die bisher in einer Verordnung ohne Zustimmung des Bundesrates und öffentlicher Diskussion vom BMAS geregelt werden sollen, aufgrund der Rechtsklarheit und Transparenz direkt im Gesetz zu verankern.

 

Vorschlag:

 

  • § 12 a S. 2 SGB II-neu ist zu streichen und wie folgt zu ändern:

 

„Abweichend von Satz 1 sind Hilfebedürftige nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.“

 

Ersatzweise wäre zumindest folgende Regelung vorzunehmen:

 

  • Im Rahmen der Härtefallregelung sind die Personen vom Verweis auf den Rentenbezug auszunehmen, deren mit Abschlägen versehene Rente unterhalb des Niveaus des Existenzminimums im SGB XII liegt.

 

 

5.   Keine statistische Erfassung von Arbeitslosen ab 58 Jahren, die länger als ein Jahr arbeitslos sind

 

Mit der Neuregelung des § 53 a SGB II wird eine eigene Rechtsgrundlage für die statistische Erfassung von arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen geschaffen, die der bisherigen Praxis entspricht. Ausdrücklich ausgeschlossen von der Erfassung sind hiernach Arbeitslose ab Vollendung des 58. Lebensjahres, die innerhalb der letzten 12 Monate in Arbeitslosigkeit und im Bezug von SGB II-Leistungen kein Arbeitsangebot erhalten haben.

 

 

Bewertung:

Die BAGFW lehnt den Ausschluss von arbeitslosen Älteren ab 58 Jahren aus der Arbeitslosenstatistik ab. Die Begründung, dass die Integrationschancen bei diesem Personenkreis deutlich eingeschränkt sind bzw. sich reduziert haben und sie nicht mehr uneingeschränkt arbeitsbereit sind sowie nicht mehr alle Möglichkeiten nutzen und nutzen können, ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, ist nicht nachvollziehbar, da auch die Arbeitslosenstatistik in jüngeren Jahrgängen Personen mit eingeschränkten Vermittlungschancen enthält. Geringere Integrationschancen einzelner Personenkreise können und dürfen nicht dazu führen, sie in der Statistik nicht auszuweisen. Vielmehr ist es gerade sinnvoll, in einer Statistik abzubilden, in welchem Maße ältere Arbeitslose integriert werden und ob das Ziel, die Erwerbstätigenquote dieser Personengruppe zu erhöhen, tatsächlich erreicht wird.

 

 

6.   Erhöhung der Hinzuverdienstgrenze für Bezieher von Vollrenten

 

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Hinzuverdienstgrenzen für die Bezieher von Vollrenten auf 400 € steigen.

 

Bewertung:

Die BAGFW begrüßt diese Regelung, da sie gerade Beziehern von niedrigen Renten ermöglicht, drohender Altersarmut aus eigener Kraft entgegenzuwirken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Berlin, den 20.12.2007



[1] Ab dem 50. Lebensjahr, nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit, Förderung in Höhe von 30 bis 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts, 12 – 36 Monate Laufzeit bei degressivem Zuschuss.

[2] Derzeit können Frauen, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, vorzeitig mit 60 Jahren in Rente gehen (§ 237 a SGB III, Anlage 20). Gleiches gilt für Schwerbehinderte und unter bestimmten Voraussetzungen für Menschen, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, arbeitslos sind und nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren (§ 237 SGB VI, Anlage 19). Schließlich können langjährig Versicherte derzeit mit 63 Jahren vorzeitig in Rente gehen (§ 236 SGB VI, Anlage 21). 

[3] Also 12 Monate x 5 Jahre = 60 x 0,3% = 18% Abschlag

[4] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/5461 S. 2.