Stellungnahme der BAGFW zur gesetzlichen Verankerung der Asylverfahrensberatung (§ 12a AsylG-E)

Derzeit werden zahlreiche Gesetzesvorhaben im Bereich Flucht, Migration und Rückkehr verhandelt. Der Fokus dieser Gesetze liegt im Wesentlichen darauf, die Ausreisepflicht abgelehnter Asylsuchender schneller durchzusetzen.

Derzeit werden zahlreiche Gesetzesvorhaben im Bereich Flucht, Migration und Rückkehr verhandelt. Der Fokus dieser Gesetze liegt im Wesentlichen darauf, die Ausreisepflicht abgelehnter Asylsuchender schneller durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es zentral, dass einer Entscheidung im Asylverfahren ein faires und rechtsstaatliches Verfahren vorausgeht. Eine behördenunabhängige und flächendeckende Asylverfahrensberatung kann dazu einen essentiellen Beitrag leisten.

Auch wenn zu begrüßen ist, dass im Asylgesetz nunmehr eine Regelung zur Asylverfahrensberatung verankert werden soll, ist der vorliegende Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zu einem § 12a AsylG nicht geeignet, eine flächendeckende und behördenunabhängige Asylverfahrensberatung zu gewährleisten. Denn zum einen ist durch diese Norm nicht garantiert, dass Asylsuchende tatsächlich vor Ort Zugang zu einer behördenunabhängigen Beratungsstelle haben. Zum anderen muss abweichend von der jetzt vorliegenden Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass entsprechende finanzielle Mittel, insbesondere für Personalkosten, bereitgestellt werden.

Bereits im November 2017 haben die in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände in ihrer Positionierung zur unabhängigen Asylverfahrensberatung die notwendigen Rahmenbedingungen dargelegt:

  • bundesweiter Zugang aller Schutzsuchenden zu unentgeltlicher, unabhängiger Asylverfahrensberatung vor und während des Asylverfahrens,
  • stabile Bundesfinanzierung für die Asylverfahrensberatung, die nicht nur ausreichende Beratungskapazitäten, sondern auch Sprachmittlung und juristische Anleitung nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes umfasst, sowie
  • angemessene zeitliche Rahmenbedingungen für die Asylverfahrensberatung, insbesondere ein ausreichendes Zeitfenster für die Beratung vor der Asylantragsstellung.

 

In diese Positionierung sind die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt „Asylverfahrensberatung“ eingeflossen, welches im Frühjahr 2017 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Kooperation mit der Diakonie Deutschland, dem Deutschen Caritasverband und dem Deutschen Roten Kreuz in drei Ankunftszentren durchgeführt wurde. Ziel des Pilotprojektes war es, die Rechtsstaatlichkeit und Fairness sowie die Qualität und Effizienz des Asylverfahrens durch eine unabhängige, unentgeltliche und fachlich qualifizierte individuelle Asylverfahrensberatung zu verbessern. Die Evaluation des Pilotprojektes liegt dem BMI vor und ist bisher nicht veröffentlicht.

In der Evaluation durch das BAMF und dem UNHCR wird festgestellt, dass ein hoher Informations- und Beratungsbedarf seitens der Asylsuchenden besteht. Asylverfahrensberatung trägt dazu bei, dass Asylsuchende die einzelnen Schritte des Behördenverfahrens und deren Bedeutung bezogen auf ihren konkreten Fall kennen, ihre Rechte besser verstehen und ihren Pflichten besser nachkommen können. Sie kann zu einem effektiveren Sachvortrag bezogen auf das individuelle Verfolgungsschicksal und folglich zu einer besseren Aufklärung des Sachverhalts in der Anhörung beitragen. Die Verfahrensberatung als Rechtsberatung hilft damit, einen effektiven Zugang zu den Verfahrensgarantien eines fairen Asylverfahrens sowie zum Rechtsschutz zu gewährleisten. Zudem kann sie bei der Identifizierung besonderer Bedarfe im Hinblick auf eine besondere Schutzbedürftigkeit unterstützen. Die Asylverfahrensberatung fördert somit die Qualität der getroffenen behördlichen Entscheidung und entlastet auch die Verwaltungsgerichte.

Trotz dieser Erkenntnis wird seit August 2018 ein weiteres Pilotprojekt „Asylverfahrensberatung“ durch das BAMF umgesetzt, in dem Mitarbeitende des BAMF allgemeine Informationen zum Asylverfahren vermitteln, jedoch keine Beratung in Bezug auf die individuellen Verfolgungsgründe und explizit keine Rechtsberatung anbieten. Aus Sicht der Verbände entspricht dieses Projekt weder der Asylverfahrensberatung, wie sie seit langem durch die Verbände angeboten wird, noch den Grundideen des oben erwähnten positiv evaluierten Pilotprojektes.

Grundlage für die gesetzliche Regelung ist jedoch dieses bisher nicht evaluierte Projekt geworden. Aus Sicht der Verbände kann die allgemeine Information zum Asylverfahren - wie im Gesetzentwurf (Stufe 1) dargestellt - durch das Bundesamt durchgeführt werden. Anders verhält es sich mit der individuellen Asylverfahrensberatung (Stufe 2).

Asylsuchende benötigen eine individuelle Beratung, die auch rechtliche Fragen einschließt, um beispielsweise absehen zu können, ob ein Asylantrag angesichts der gesetzlichen Vorgaben in ihrem konkreten Fall aussichtsreich ist und welche Informationen im Rahmen der Anhörung von besonderer Relevanz sind. Weiterhin zeigt die Beratungspraxis, dass es für Schutzsuchende wichtig ist, Informationen nicht allein von Behörden zu erhalten, da viele Menschen im Herkunftsstaat negative Erfahrungen mit staatlichen Stellen machen mussten. Vertrauen in die Unabhängigkeit der Beratung ist zum einen wichtig, um individuelle Fluchtgründe vollständig und nachvollziehbar darlegen zu können. Zum anderen dient das Vertrauen in die Beratung dem Verständnis und der Akzeptanz der eventuell negativen Entscheidung über den Asylantrag.

Es bedarf mithin einer klar erkennbar personellen, institutionellen und räumlichen Trennung der unabhängigen Asylverfahrensberatung von behördlichen Stellen.

In diesem Sinne bitten wir Sie, dafür zu sorgen, dass entsprechend der Verabredung im Koalitionsvertrag eine flächendeckende, individuelle und von Behörden unabhängige Asylverfahrensberatung durch freie gemeinnützige, unabhängige Träger (im Gesetzentwurf Stufe 2) im Asylgesetz verankert und umgesetzt wird.