Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege haben bereits in verschiedenen einzelverbandlichen Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf Position bezogen. In dieser gemeinsamen Stellungnahme möchten die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände gemeinsam ein besonderes Augenmerk auf folgende Vorschläge und Probleme des Gesetzentwurfes legen:
- Finanzierung der Pflegeversicherung
- Leistungsverbesserungen
- Dynamisierung der Leistungen (§ 30 SGB XI)
- Pflegeberatung (§ 7a SGB XI) und Pflegestützpunkte (§ 92 c SGB XI)
- Qualitätssicherung (§§ 113 - 115 SGB XI )
- Zusätzliche Betreuungsleistungen (§ 45b SGB XI)
- Externer Vergleich
- Pflegezeitgesetz
- Kompetenzerweiterung für Gesundheitsberufe (§ 63 Abs. 2+3 SGB V und Artikel 15 KrPflG und Artikel 16 AltPflG)
1. Finanzierung der Pflegeversicherung
Zur Abdeckung der bestehenden leichten Unterdeckung der laufenden Ausgaben in der Pflegeversicherung und zur Finanzierung der vorgeschlagenen Verbesserungen der Leistungen soll der Beitragssatz ab 01.07.2008 um 0,25 % auf 1,95 % bzw. auf 2,2 % für kinderlose Versicherte angehoben werden.
Bewertung
Nach Auffassung des Gesetzgebers reicht aus heutiger Sicht dieser Beitrag aus, die Leistungen der Pflegeversicherung bis Ende 2014/Anfang 2015 zu finanzieren, ohne dass die Mindestreserve von einer Monatsausgabe in Anspruch genommen werden muss. Aus der Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ist es nicht akzeptabel, dass damit die zentrale Frage der finanziellen Nachhaltigkeit der Pflegeversicherung nicht gelöst werden wird. Die Vereinbarungen des Koalitionsausschusses, zur künftigen Finanzierung der Leistungen die Beiträge der sozialen Pflegeversicherung um 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen, sind nur kurzfristig wirksam. Damit werden die demographiebedingten Probleme der Pflegeversicherung nicht gelöst. Für das Jahr 2008 ist die Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs geplant. Auch für mögliche Kosten der Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurde keine Reserve mitbedacht. Eine Nachhaltigkeit der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung ist dringlich, sie wird hierdurch jedoch nicht erreicht. Dieses Versäumnis geht zu Lasten der zukünftig pflegebedürftigen Menschen und der an der Versorgung Beteiligten und ist geeignet, die finanzielle und gesellschaftliche Konfliktlage in den kommenden Jahren noch zu verschärfen.
Lösungsvorschlag
Es sollte die Chance der großen Koalition genutzt werden, einen Vorschlag zu einer nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung zu entwickeln und umzusetzen.
2. Leistungsverbesserungen
Gesetzentwurf
Das Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz sieht vor, die Leistungsbeträge für Pflegesachleistung (§ 36 SGB XI), Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 SGB XI), für Tages- und Nachtpflege ( § 41 SGB XI), für Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) und in der Pflegestufe III sowie bei der so genannten Härtefallregelung in der vollstationären Pflege stufenweise anzuheben. Außerdem ist ein Ausbau der Leistungen der teilstationären Pflege angedacht. Mit der Neuregelung können u. a. bis zu 150% des Sachleistungshöchstbetrages beansprucht werden.
Bewertung
Seit Beginn der Pflegeversicherung im Jahre 1995 sind die Leistungssätze unverändert. Erstmalig werden nun teilweise die Leistungsbeträge angehoben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt die Anhebung der ambulanten, teilstationären und stationären Sachleistungen grundsätzlich als Schritt in die richtige Richtung. Die Anhebungen sind jedoch zu gering, um die seit 1995 stattgefundene Preissteigerungsrate aufzufangen. Auch die geplanten zweijährlichen pauschalen Steigerungen gleichen zu keinem Zeitpunkt den Realwertverlust aus.
Durch die geplante Anhebung des Pflegegeldes kommt es zu einem symbolischen Anerkenntnis der Leistungen der pflegenden Angehörigen. Dieses positive Signal wird nachdrücklich begrüßt, ebenso wie die Anhebung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung bei der Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege. Auch sie tragen zu einer Unterstützung und Entlastung der häuslichen Pflegearrangements bei.
Ebenfalls zu begrüßen ist der Ausbau des Anspruchs auf teilstationäre Pflege und die damit verbundene Neuregelung, mit der bis zu 150 % des Sachleistungshöchstbetrages beansprucht werden, wobei verschiedene Kombinationsmöglichkeiten Tages- und Nachtpflege, Pflegegeld, Pflegesachleistung und Kombinationsleistung denkbar sind.
Es ist zu erwarten, dass Entlastungen durch Tagespflege nun vermehrt nachgefragt werden, häusliche Pflegesituationen dadurch stabilisiert werden können und auch ein längerer Verbleib des pflegebedürftigen Menschen in der Häuslichkeit möglich wird.
Im Hinblick auf die Leistungsbeträge für die stationäre Pflege ist anzumerken, dass die Entscheidung des GKV-WSG, die Finanzverantwortung für die Behandlungspflege in den stationären Pflegeeinrichtungen dauerhaft ins SGB XI zu verlagern, auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Kostenstruktur in den stationären Einrichtungen hat. Auch aus diesem Grund halten wir eine Anhebung der Leistungen in den Pflegestufen I und II der stationären Pflege für dringend erforderlich.
Der Gesetzentwurf sieht bei der Verhinderungspflege keine Änderungen hinsichtlich der Vorpflegezeit von 12 Monaten vor. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hält diese Hürde für zu hoch, zumal auch nach gegenwärtigem Stand das Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI ohne Pflegestufe nicht auf die Vorpflegezeit angerechnet wird.
Eine Anhebung des unzureichenden Leistungsbetrages von lediglich 256 € für die Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43a SGB XI) ist dringend geboten.
Lösungsvorschlag
Um die Realwertverlust der SGB XI - Sach- und Geldleistungen im ambulanten und stationären Bereich auszugleichen, bedarf es bereits jetzt einer Leistungsdynamisierung (vgl. Kapitel 3.)
Die Leistungsbeträge bei den Pflegestufen I und II in der stationären Pflege nach § 43 SGB XI sind ebenfalls sofort zu erhöhen. Besser jedoch wäre die Lösung, die Leistungen der Behandlungspflege in der stationären Pflege systemkonform aus dem SGB V zu finanzieren.
Es bedarf dringend einer Anhebung des Leistungsbetrages gem. § 43 a SGB XI. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fordert deshalb eine Anhebung und Staffelung der Leistung in Anlehnung an die ambulanten Pflegesachleistungen gem. § 36 Abs. 3 SGB XI.
Der Anspruch auf Verhinderungspflege sollte voraussetzungslos bereits am ersten Tag der Pflegebedürftigkeit gegeben sein. § 39 Satz 2 SGB XI ist ersatzlos zu streichen. Sollte auf die Voraussetzung einer Vorpflegezeit nicht verzichtet werden, dann ist auch die Betreuung und Begleitung von Menschen mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI, denen keine Pflegestufe zuerkannt wurde, als Vorpflegezeit gemäß § 39 SGB XI anzuerkennen.
3. Dynamisierung der Leistungen (§ 30 SGB XI)
Gesetzentwurf
Die Notwendigkeit und Höhe der Dynamisierung/Anpassung der Leistungen soll erstmals 2014 geprüft werden. Sie könnte dann ggf. 2015 wirksam werden. Es ist vorgesehen, den Anstieg der Leistungsbeträge an die kumulierte Inflationsentwicklung in den letzten drei Kalenderjahren zu koppeln. Dabei ist sicherzustellen, dass der Anstieg nicht höher ausfällt als die Bruttolohnentwicklung im gleichen Zeitraum. Die Bundesregierung wird ermächtigt, bei der Festsetzung der Höhe der Dynamisierung die „gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ zu berücksichtigen.
Bewertung
Da die Leistungen der Pflegeversicherung seit 1995 unverändert geblieben sind, sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege einen erheblichen Nachholbedarf. Die fehlende Anpassung an die Preis- und Lohnentwicklung führt(e) zu einer deutlichen Kaufkraftreduktion und zu einem Verlust des Wertes der Pflegeleistungen. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind schon jetzt zu dynamisieren, da die geplanten Leistungsverbesserungen selbst den Kaufkraftverlust nicht ausgleichen werden.
Da die Dynamisierung erst 2015 einsetzen soll, wird bis zu diesem Jahr ein erneuter Realwertverlust der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung stattfinden. Kritisch anzumerken ist auch die automatische Begrenzung der Orientierungswerte durch die Bruttolohnentwicklung, zumal neben diesen Faktoren weitere gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen mit berücksichtigt werden können. Da kumulierte Preisentwicklung und Bruttolohnentwicklung nicht immer synchron verlaufen, jeweils aber der niedrigere Anstieg für die Dynamisierung maßgeblich sein soll, kann dies zu Dynamisierungsraten führen, die deutlich unterhalb des Anstiegs der für die Pflege relevanten Kostenfaktoren liegen.
Lösungsvorschlag
Eine Dynamisierung mit Inkrafttreten des Reformgesetzes ist daher sachgerecht und in das Pflegeversicherungsweiterentwicklungsgesetz aufzunehmen. Der Verweis auf die „gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ sollte entfallen. Der Orientierungswert sollte auf der Basis valider Daten und unabhängig von finanzpolitischen Erwägungen erfolgen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege spricht sich hier für eine unbürokratische und eindeutige Lösung aus, die nicht mit vielen Unwägbarkeiten behaftet ist.
4. Pflegeberatung (§ 7a SGB XI) und Pflegestützpunkte (§ 92 c SGB XI)
Gesetzentwurf
Der Gesetzentwurf sieht in § 92c SGB XI vor, dass zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung pflegebedürftiger Personen und Leistungsberechtigter nach § 45 a SGB XI Pflegestützpunkte eingerichtet werden sollen. In § 7a SGB XI wird ein einklagbarer Anspruch auf ein unterstützendes Fallmanagement für in die Pflegeversicherung eingestufte Pflegebedürftige eingeführt. Die Pflegekassen sollen einen Pflegeberater zur Verfügung stellen, der als persönlicher Ansprechpartner für 100 Pflegebedürftige zuständig sein soll.
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt grundsätzlich den Versuch, eine stärker auf die Bedürfnisse älterer und pflegebedürftiger Menschen ausgerichtete kommunale Infrastruktur zu schaffen und hierbei die Beratung, Begleitung und Unterstützung (Fallmanagement) von pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen sicherzustellen. Die bereits heute bestehende Verpflichtung zur umfassenden Beratung nach § 7 SGB XI durch die Pflegekassen wurde in der Vergangenheit durch die Pflegekassen nicht oder nur unzureichend erfüllt.
Allerdings enthält der Gesetzentwurf für uns nicht akzeptable Elemente. So soll die Pflegeberatung nur denjenigen zugute kommen, die bereits in die Pflegeversicherung eingestuft sind. Gerade Personen, die mit ihrem Hilfe- und Pflegebedarf noch unter dem erforderlichen Maß für die Einstufung in eine Pflegestufe liegen, haben einen hohen Beratungsbedarf. Eine frühzeitige Beratung kann Hilfe- und Pflegebedürftigkeit vermeiden helfen bzw. zumindest verzögern.
Die Verantwortung zur Schaffung einer kommunalen Infrastruktur zur Beratung und Begleitung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen betrachten wir, anders als im Gesetzentwurf vorgesehen, nicht als alleinige Aufgabe der Pflegekassen, sondern auch als Aufgabe der Kommunen. Die im Gesetz vorgesehene Einrichtung von Pflegestützpunkten berücksichtigt nicht ausreichend die bereits in einigen Ländern vorhandenen, u. a. auch von den Wohlfahrtsverbänden geschaffenen Beratungsstellen. Zudem werden die vorhandenen Beratungsstrukturen und -kompetenzen nicht ausreichend miteinbezogen: die Pflegeberatungsbesuche nach § 37 SGB XI und die Beratung und Schulung in der Häuslichkeit nach § 45 SGB XI. Diese Strukturen sind in die Konzeption der Pflegestützpunkte mit einzubeziehen. Die Innovation der Pflegestützpunkte liegt in einer Erweiterung der Pflegeberatung zu einem echten Case Management. Dies erfordert Vernetzung der Akteure vor Ort und Koordination der vorhandenen Angebotsstrukturen. Dabei gilt es, den Aufbau von Doppelstrukturen zu vermeiden: Wo Beratungsstellen bereits existieren, sind diese gegebenenfalls qualitativ weiterzuentwickeln. Nur in Regionen, in denen es noch keine entsprechenden Beratungsstellen gibt, sind diese neu aufzubauen. Hierbei ist ein aufsuchender Ansatz von entscheidender Bedeutung, vor allem im ländlichen Raum, wo Pflegebedürftige sonst große Wege zurücklegen müssten.
Die Ausgestaltung der Pflegestützpunkte sollte landesrechtlichen Regelungen überlassen bleiben. Außerdem sollten die Länder in die Förderung und Finanzierung von Pflegestützpunkten miteingebunden werden. Auf regionaler Ebene müssen Kommunen und Träger von Pflegeeinrichtungen zwingend in die Verträge zu Pflegestützpunkten einbezogen werden.
Zudem gebietet die derzeitig vorgesehene Trägerschaft der Stützpunkte allein durch die Pflege- und Krankenkassen nicht die für die Beratung und Begleitung pflegebedürftiger Menschen notwendige Neutralität. Gleiches gilt für den Einsatz der Pflegeberater. So sollen diese nicht nur den Hilfebedarf feststellen und einen Versorgungsplan empfehlen, sondern auch über die Gewährung bzw. Ablehnung von Leistungen durch die Pflegekassen und Krankenkassen entscheiden. Ist der Pflegeberater jedoch Angestellter der Pflegekasse, wie in der vorliegenden Gesetzesformulierung vorgesehen, so besteht die Gefahr, dass bei der Beratung finanzielle Interessen der Kassen im Mittelpunkt stehen könnten und er in einen Interessenskonflikt gerät. Beratung durch Pflegeberater und Pflegestützpunkte muss neutral, unabhängig und primär leistungseröffnend sein. Über die Genehmigungspflichten der Kostenträger ist eine Kontrolle über die Leistungen ausreichend abgesichert.
Des Weiteren ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass Pflegeberater(innen) auch die Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI durchführen können sollen. § 37 Abs. 3 SGB XI sieht den Beratungseinsatz durch eine von der Pflegekasse beauftragte (nicht bei ihr beschäftigte) Pflegefachkraft jedoch nur für den Fall vor, dass dieser anderweitig nicht zu gewährleisten ist. Deshalb ist Pflegeberatung nach § 37 SGB XI nur durch von der Pflegekasse unabhängige Pflegefachkräfte mit entsprechender Kompetenz durchzuführen.
Nicht verständlich ist die vorliegende Gesetzesformulierung im Hinblick auf die enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen für Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung. Sollte dies so gemeint sein, dass die Pflegestützpunkte selbst Leistungen anbieten bzw. bestimmte Leistungsformen präferieren, so ist dem unsererseits nicht zuzustimmen.
Pflegestützpunkte sollen beraten, begleiten und vermitteln und nicht selbst Leistungsanbieter werden.
Des Weiteren ist die Anschubfinanzierung für Pflegestützpunkte nicht ausreichend. Die Fördersumme von 80 Mio. Euro reicht nicht aus, um die vom Gesetz vorgesehenen 4000 Pflegestützpunkte mit einer geschätzten Anschubfinanzierung von 45.000-50.000 Euro zu fördern. Auch ist eine nachhaltige Finanzierung der Pflegestützpunkte aus dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht ersichtlich.
Lösungsvorschlag
Der Anspruch auf Beratung und Begleitung durch Pflegestützpunkte soll allen hilfe- und pflegebedürftigen Menschen mit einem entsprechenden Bedarf offen stehen.
Grundsätzlich kann die in Pflegestützpunkten geleistete Beratung und Begleitung nur empfehlenden Charakter haben. Autonomie und Wahlfreiheit des Pflegebedürftigen müssen an oberster Stelle stehen.
Die Finanzierung der Pflegestützpunkte erfolgt anteilig aus den Mitteln der Pflegeversicherung und der Kommunen. Damit wird sowohl der Infrastrukturverantwortung der Pflegekassen als auch der Länder Rechung getragen.
Die bereits vorhandenen Beratungsstellen der Länder und Wohlfahrtsverbände müssen Vorrang vor der Schaffung neuer Strukturen haben. Die bereits vorhandenen Beratungsstrukturen nach § 37 SGB XI (Pflegeberatungsbesuche) und § 45 SGB XI (Beratung, Anleitung und Schulung und in der Häuslichkeit) müssen in das Konzept der Pflegestützpunkte miteinbezogen werden. Die Durchführung der Pflegeberatungsbesuche nach § 37 SGB XI und die Beratung und Anleitung nach § 45 SGB XI ist durch qualifizierte Pflegekräfte durchzuführen. Des Weiteren ist bei der Erstellung des Versorgungsplans bei allen pflegerischen Fragestellungen pflegerischer Sachverstand einzubeziehen. Auch deshalb sind die Leistungserbringer in die Gestaltung und Angebote der Pflegestützpunkte verbindlich mit einzubeziehen. Die Ausgestaltung entsprechender Strukturen muss auf Landesebene in Gremien geregelt werden, in denen alle relevanten Akteure engagiert sind (bspw. die Pflegekonferenzen in den Kommunen).
Um die Unabhängigkeit von Pflegestützpunkten zu gewährleisten, müssen sie Einrichtungen in eigenständiger Rechtsträgerschaft sein. Die Pflege- und Krankenkassen schließen dazu einen Vertrag mit dem Träger des Pflegestützpunktes. Zur Sicherung der Qualität und der Neutralität der Leistung sind durch den Pflegestützpunkt Statistiken über die Beratungs- und Vermittlungstätigkeit zu führen und regelmäßig zu veröffentlichen.
Aussagen zur Qualifikation des Personals sollten unserer Auffassung nach in den Richtlinien unter Mitwirkung der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene getroffen werden, um so eine qualitätsgesicherte und an der Praxis orientierte Arbeit der Pflegestützpunkte gleich welcher Trägerschaft zu ermöglichen.
Die Richtlinien für die Qualifikation und Anzahl der Pflegeberater sind deshalb durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene sowie unter Beteiligung der Verbände der Pflegeberufe, der Verbände für Sozialarbeit und der maßgeblichen Organisationen für die Interessen der Selbsthilfe, der pflegebedürftigen und behinderten Menschen zu vereinbaren.
5. Qualitätssicherung (§§ 113-115 SGB XI)
Gesetzentwurf
Der Gesetzgeber hatte 2001 mit dem Pflege-Qualitätssicherungsgesetz (PQsG) ein Gesamtkonzept für die Qualitätssicherung im SGB XI vorgelegt. Es ist jedoch nur in Teilen umgesetzt worden, so dass in der Praxis des SGB XI über sechs Jahre hinsichtlich der Qualitätssicherung nur ein ungenügender konzeptioneller Rahmen bestand. Wir begrüßen ausdrücklich, dass dieses Defizit nun behoben werden soll. Wir begrüßen dabei besonders die partnerschaftliche Ausrichtung bei der Ausgestaltung der Einzelvorschriften auf Ebene der Vertragspartner.
Bewertung
Der Referentenentwurf muss sich aber auch daran messen lassen, welchen Beitrag er zur Entwicklung einer sektorübergreifenden Qualitätssicherung (insbesondere SGB XI, SGB V sowie den künftig 16 Landesheimgesetzen) leistet. Bei allen positiven Ansätzen im Referentenentwurf bezüglich einer Weiterentwicklung der Qualitätssicherung bleibt es unverständlich, warum im gegliederten System der Sozialversicherung - trotz aller politischen Bemühungen um sektorübergreifende Qualitätssicherung - verschiedene Politiken betrieben werden. Mittelfristig sollte eine externe Qualitätssicherung auf Basis von Ergebnisindikatoren aufgebaut werden, die sektorübergreifende Qualitätsanalysen und Qualitätssteuerung ermöglicht.
Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität (§ 113 SGB XI)
Gesetzentwurf
Der bisherige § 80 SGB XI wird aufgehoben. Die Vereinbarung der Maßstäbe und Grundsätze wird im Gesetzentwurf in den § 113 SGB XI übertragen und ergänzt. In den Vereinbarungen sollen demnach künftig insbesondere auch Anforderungen:
- an die Pflegedokumentation,
- an Sachverständige und Prüfinstitutionen nach § 114 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XI sowie
- an die methodische Verlässlichkeit von Zertifizierungs- und Prüfverfahren nach §114 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XI
geregelt werden.
Pflegedokumentation (§ 113 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI)
Bewertung
Die Hauptprobleme ineffizienter Pflegedokumentation liegen in der Überdokumentation bzw. in der Fehl- und Doppeldokumentation aufgrund der Sorge der Einrichtungen und deren Mitarbeiter/-innen vor haftungsrechtlichen Konsequenzen, dies trotz bekannter Anforderungen an eine Dokumentation aus fachlicher und rechtlicher Sicht sowie aus Sicht der Kostenträger. Andere, als die bereits bestehenden Anforderungen werden auch im Rahmen einer Vereinbarung der Grundsätze und Maßstäbe nicht gefunden werden und die Vereinbarung bereits bekannter Anforderungen löst die Probleme und Unsicherheiten in der Praxis nicht. Hier helfen nur weitere Aufklärung und Qualifikation vor Ort.
Eine bundesweite Standardisierung der Pflegedokumentation ist darüber hinaus nicht möglich. In der Pflegedokumentation müssen Pflegemodell, Pflegeplanung und Pflegehandlungen sowie Evaluation der Pflegeinterventionen einrichtungsintern und klientenspezifisch eng aufeinander bezogen werden. Die Anforderungen an eine Dokumentation müssen daher stets an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden.
Lösungsvorschlag
§ 113 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1. SGB XI ist zu streichen.
Zertifizierungs- und Prüfverfahren (§ 113 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB XI)
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege stellt in ihrer Qualitätspolitik ausdrücklich fest, dass die Anwendung eines umfassenden Qualitätsmanagements die Transparenz der Leistungsqualität schafft, deren Verbindlichkeit und Überprüfbarkeit erhöht und deren Nachweisbarkeit gegenüber Dritten sichert. Es ist ein zentraler Aspekt der Qualitätsmanagement-Strategie der Freien Wohlfahrtspflege, regelmäßig zu überprüfen, ob die fachlichen und wertebezogenen Qualitätsanforderungen wie auch die Anforderungen an das Qualitätsmanagement umgesetzt und eingehalten werden. Eine solche Prüfung wird durch unabhängige akkreditierte Zertifizierungsstellen sicher gestellt, die die fachliche und formale Kompetenz besitzen, die Qualitätsfähigkeit eines Dienstleistungsunternehmens und die Erfüllung definierter Qualitätsanforderungen zu begutachten und zu bescheinigen.
Qualitätswettbewerb setzt Selbstverantwortung und Gestaltungsräume für die Dienstleistungserbringer voraus. Ein Qualitätswettbewerb kann daher nicht durch staatliche Kontrollen befördert werden, sondern vor allem durch die Stärkung der Verantwortung der Träger und Verbände. Das Ordnungsrecht kann sich auf die Gefahrenabwehr beschränken, wenn die Träger mit ihren Einrichtungen und Diensten ihre Leistungs- und Qualitätsfähigkeit nachweisen können und dies durch eine unabhängige regelmäßige Überprüfung bestätigt wird. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Regelungen des § 114 Abs. 3 und die Vertragslösung hinsichtlich der Definition der Anforderungen an solche, von den Trägern veranlasste Prüfungen nach § 113 Abs. 1 Nr. 2 und 3. Unverständlich bleibt jedoch, warum im Gesetzentwurf die Quote der Stichprobenprüfung von zertifizierten Einrichtungen von 10 % (Referentenentwurf vom 10.09.07) auf 20 % heraufgesetzt wurde. Es gilt zu bedenken, dass jede Ausweitung der MDK-Prüftätigkeiten Mittel der Pflegeversicherung auf Kosten der Leistungen für Pflegebedürftige bindet.
Schiedsstelle
Gesetzentwurf
Die Vertragsparteien nach § 113 SGB XI sollen lt. § 113 b erstmalig eine Schiedsstelle einrichten. Diese soll dazu dienen, eventuelle Konflikte zwischen den Vertragsparteien (z. B. bei Vereinbarung der Grundsätze und Maßstäbe zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität) ziel- und ergebnisorientiert zu beenden.
Bewertung
Die Einführung einer Schiedsstelle auf Bundesebene als Instrument der Konfliktlösung wird begrüßt.
Qualitätsprüfungen
Gesetzentwurf
Die Neuregelung der Qualitätsprüfungen in § 114 SGB XI stellt eine Konkretisierung des bisherigen § 112 Abs. 3 SGB XI dar. In diesem Zusammenhang fördert der Gesetzgeber auch den Ansatz einer Stärkung des internen Qualitätsmanagements, indem von den Einrichtungen und Diensten veranlasste Prüfungen den Turnus für die Regelprüfung verlängern bzw. den Prüfumfang verringern.
Bewertung
Es gilt der Grundsatz: "Qualität lässt sich nicht in Einrichtungen hereinprüfen". Daher wird begrüßt, dass sich der Turnus und der Umfang der Regelprüfung reduziert, sofern im Prüfzeitraum von drei Jahren Heimaufsichtsprüfungen, Prüfungen nach Landesrecht oder von den Einrichtungen selbst veranlasste Prüfungen nach anerkannten Verfahren erfolgten. Letzteres ist im Übrigen bereits eine Empfehlung, die im Rahmen des Runden Tisches Pflege abgegeben wurde[1]. Dass die Anforderungen an diese Prüfungen auf Bundesebene unter Beteiligung der Vertragspartner nach § 113 SGB XI geregelt werden ist sinnvoll. Dass die Anerkennung dann aber auf Landesebene erfolgt, erscheint vor dem Hintergrund des bürokratischen Aufwands bei entsprechenden Anerkennungsverfahren in 16 Bundesländern als unangemessen.
Lösungsvorschlag:
§ 114 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ist, wie folgt, zu ändern:
„Voraussetzung hierfür ist, dass die Prüfung nach einem durch den Spitzenverband Bund der Pflegekassen anerkannten Verfahren zur Messung und Bewertung der Pflegequalität durch unabhängige Sachverständige oder Prüfinstitutionen entsprechend den von den Vertragsparteien nach § 113 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und 3 festgelegten Anforderungen durchgeführt wurde, die Prüfung nicht länger als drei Jahre zurückliegt und die Prüfungsergebnisse gemäß § 115 Abs. 1 Satz 6 veröffentlicht werden.“
Qualitätsprüfrichtlinien
Gesetzentwurf
An der Erstellung der Richtlinien werden die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die Bundesverbände privater Alten- und Pflegeheime, die Verbände der privaten ambulanten Dienste, die Bundesverbände der Pflegeberufe, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Verband der privaten Krankenversicherung e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene sowie die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen beteiligt.
Bewertung
Der Gesetzentwurf ordnet nun die Inhalte des bisherigen § 80 SGB XI dem Kapitel über die Qualitätssicherung (§ 112 ff. SGB XI) zu. Mit der Neuzuordnung des bisherigen § 80 SGB XI in § 113 SGB XI soll die Vereinbarung von Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität in einen engen Zusammenhang mit den weiteren Vorschriften der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung gestellt werden. Nach § 113 SGB XI sollen die Verbände der Leistungsträger und der Leistungserbringer gemeinsam und einheitlich Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität festlegen. Diese Vereinbarungen werden unmittelbar verbindlich und damit für die Pflegeeinrichtungen in Deutschland zwingendes Recht. Inwieweit diese Verbindlichkeit auch eine Berücksichtigung bei Vergütungsverhandlungen impliziert, war in der Vergangenheit wiederholt streitig. Bei der Definition von Qualitätsanforderungen muss jedoch immer auch die Kostenrelevanz reflektiert werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege weist darauf hin, dass es bislang versäumt wurde, die Maßstäbe und Grundsätze nach § 113 SGB XI inhaltlich mit den Qualitätsprüfungsrichtlinien (§ 114 a Abs. 7 SGB) zu verknüpfen. Dies ist sowohl im Gesetzeswortlaut wie in der Gesetzesbegründung nachzuholen.
Die Qualitätsvereinbarung gemäß § 113 SGB XI und ihre Schlüsselfunktion bei der Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität verlieren weiterhin deutlich an Relevanz, wenn die Pflegekassen in Zusammenarbeit mit dem MDS in § 114 SGB XI Abs. 7 weitergehende und andere Anforderungen für Qualitätsprüfungen durch die MDKen definieren. Es muss gesetzlich sichergestellt werden, dass das Verfahren der Qualitätsprüfungen auf den zwischen den Vertragspartnern vereinbarten Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität gem. § 113 SGB XI beruht. Die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehene gesetzliche Verankerung einer Beteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege an den Richtlinien über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität (QPR) stellt zwar eine Weiterentwicklung der gegenwärtigen Regelungen dar. Eine Beteiligung bildet aber gegenüber einer Vereinbarungslösung nach § 113 SGB XI nur die zweitbeste Alternative.
Nach Auffassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sind deshalb die Inhalte und die methodischen Anforderungen an die Richtlinien über die Qualitätsprüfungen des MDK gemeinsam und einheitlich unter den Vertragspartnern zu vereinbaren. Dies entspricht auch der gemeinsamen Qualitätsverantwortung der Vertragsparteien.
Um eine Gleichbehandlung der Wohlfahrtsverbände mit den Verbänden der gewerblichen Träger herzustellen, müsste im Rahmen einer Beteiligung zudem geregelt werden, dass nicht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege als eine Institution beteiligt wird, sondern die einzelnen Verbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.
Lösungsvorschlag
§ 113 Abs. 1 SGB XI sollte um folgende Änderungen (kursiv gesetzt) im Satz 3 ergänzt werden:
„Sie sind für alle Pflegekassen und deren Verbände sowie für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen unmittelbar verbindlich und bei allen Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB XI zu berücksichtigen.“
§114 a Abs. 7 sollte folgendermaßen geändert werden:
„Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfe, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene vereinbaren gemeinsam und einheitlich unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen Richtlinien über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114. Die Verbände der Pflegeberufe, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Verband der privaten Krankenversicherung, sowie die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen sind zu beteiligen. (…).“
In § 17 SGB XI sind die die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege betreffenden Angaben analog zu ändern.
6. Zusätzliche Betreuungsleistungen (§ 45 b SGB XI)
Gesetzentwurf
Auch Personen, die nicht in eine Pflegestufe eingruppiert sind, aber dennoch durch z.B. demenzbedingte Fähigkeitsstörungen erhebliche Einschränkungen der Alltagskompetenz haben, sollen zukünftig Leistungen der Betreuung aus der Pflegeversicherung erhalten.
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt, dass nun auch Personen, die nicht in eine Pflegestufe eingruppiert sind, aber dennoch durch z.B. demenzbedingte Fähigkeitsstörungen erhebliche Einschränkungen der Alltagskompetenz haben, Leistungen erhalten. Gerade dieser Personenkreis kann wegen des verrichtungsbezogenen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nach § 14 SGB XI keine anderen Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen.
Die Ausweitung der Leistungshöhe für zusätzliche Betreuungsleistungen von 460 Euro jährlich auf bis zu 2400 Euro jährlich ist positiv zu bewerten. Problematisch ist es jedoch, dass in diese Lösung der stationäre Bereich nicht einbezogen ist. Der vorgesehenen Regelung, nicht verwendete Mittel nur noch in das folgende Kalenderquartal übertragen zu können, stimmen wir nicht zu, da sie den Anspruch des Versicherten begrenzt.
Als problematisch erachtet die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, dass die Höhe des Leistungsanspruchs künftig vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen auf der Grundlage von Richtlinien, die unter Beteiligung des MDK erarbeitet werden sollen, festgelegt wird. Der Gesetzgeber ist gefordert, zumindest einen Rahmen für die MDK-Empfehlung vorzugeben. Ausweislich der amtlichen Begründungen soll sich die Höhe des Anspruchs dabei nicht am festgestellten Bedarf an Betreuung ausrichten, sondern an der persönlichen Situation und den festgestellten dauerhaften und regelmäßigen Schädigungen. Der Begriff „persönliche Situation“ ist ein in seiner Ausgestaltung und Reichweite unbestimmtes Kriterium. Damit kommt dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und dem MDK ein großer Interpretationsspielraum und eine hohe Definitionsmacht zu. Dies wird unserer Einschätzung nach in der Praxis zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen.
Lösungsvorschlag
Der Leistungsanspruch soll wie bisher auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden können.
Mit Blick auf eine unbürokratische Leistungsgewährung und im Hinblick auf eine zielführende zeitnahe Inanspruchnahme der Leistungen durch den berechtigen Personenkreis halten wir eine Leistungsgewährung von 200 € monatlich für alle Leistungsberechtigen für notwendig.
Der erweiterte Leistungsbetrag für Menschen mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz stellt im Übrigen eine Interimslösung bis zum Abschluss der Reform des Pflege(bedürftigkeits-)begriffs im Winter 2008 dar. Da es sich um eine Zwischenlösung handelt, ist unserer Ansicht nach ein einfaches und zeitnah umsetzbares Verfahren zur Festlegung des entsprechenden Betreuungsaufwands erforderlich. Deshalb sollte bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ein einheitlicher Leistungsbetrag ohne zusätzliche Festlegung im Einzelfall vergeben werden. Vor diesem Hintergrund lehnen wir die hier für jeden Einzelfall geplanten Festlegungen der Höhe des Anspruchs von der Pflegekasse auf Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab.
Die Notwendigkeit einer Richtlinie des Spitzenverbands Bund der Pflegekassen entfiele, gleichzeitig entstände ein entbürokratisierender Effekt.
7. Externer Vergleich (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI)
Bemessungsgrundsätze – Externer Vergleich (§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI)
Gesetzentwurf
Der neu eingeführte Satz 7 des § 84 Abs. 2 SGB XI sieht vor, dass bei der Bemessung der Pflegesätze für eine Pflegeeinrichtung die Pflegesätze anderer, vergleichbarer Einrichtungen berücksichtigt werden können.
Bewertung
In der Praxis werden sehr zweifelhafte Methoden der Entgeltfindung durch einen externen Vergleich insbesondere in Schiedsstellenverfahren angewandt. Bisher beschränken sich die von den Pflegekassen zum Vergleich vorgelegten Daten auf reine Entgeltvergleiche. Zudem legen die Pflegekassen nicht offen, ob und inwieweit die zum Vergleich herangezogenen Entgelte von Einrichtungen tatsächlich hinsichtlich der einzelnen Leistungs- und Qualitätsmerkmale vergleichbar sind. Damit wird der Pflegeeinrichtung systematisch die Grundlage für eine ausreichende Refinanzierung ihrer vertraglichen Verpflichtungen aus dem Versorgungsvertrag entzogen. Die von den Pflegekassen in der Regel vorgelegten Entgeltvergleichszahlen sind für Einrichtungen nicht nachvollziehbar. So kommt es z.B. zur Anwendung von regionalen Durchschnittswerten; Besonderheiten von Tarifbindungen und unterschiedlichen Altersversorgungswerken bleiben unberücksichtigt. Besonders lange in Betrieb befindliche Heime haben eine Vielzahl langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Laufe ihrer Betriebszugehörigkeit Lohnsteigerungen erhalten haben; regionale Durchschnittswerte berücksichtigen diese hausbezogene Mitarbeiterstruktur nicht. Hinzu kommt, dass Durchschnittswerte von den Pflegekassen als Höchstwerte in die Verhandlungen eingebracht werden.
Lösungsvorschlag
Um eine angemessene Berücksichtigung der Personalkosten in einem externen Vergleich sicherzustellen, ist gesetzlich vorzugeben, dass Tarifbindungen und -orientierungen grundsätzlich anzuerkennen sind.
8. Pflegezeitgesetz
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung/ Freistellung (§ 2 Pflege-ZG )
Gesetzentwurf
Beschäftigte haben das Recht, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fern zu bleiben, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen.
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt diese Regelung, die einen Anspruch auf eine kurzfristige Freistellung begründet, innerhalb derer sich die Beschäftigten um einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen kümmern können.
Bedauerlicherweise ist im Gesetzentwurf § 44 a Abs. 3 SGB XI entfallen, der im Referentenentwurf mit dem Pflegeunterstützungsgeld eine finanzielle Absicherung während der kurzfristigen Freistellung nach § 2 PflegeZG vorgesehen hatte. Wir erachten es jedoch als unverzichtbar und gesellschaftspolitisch geboten, hierfür eine unterstützende finanzielle Leistung vorzusehen. Akut auftretende Pflegesituationen bei Angehörigen sind den Situationen vergleichbar, in denen Arbeitnehmer/innen wegen der Erkrankung eines Kindes Freistellung, verbunden mit einem Anspruch auf Krankengeld, zusteht.
Im Gesetzentwurf bleibt unklar, in welchen Zeiträumen und für welchen Personenkreis der Anspruch auf zehntägige Freistellung besteht.
Lösungsvorschlag
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege regt deshalb an, die finanzielle Absicherung während der Freistellung nach § 2 PflegeZG und insbesondere das Zusammentreffen mit Ansprüchen auf Fortzahlung der Vergütung nach dem Modell des § 45 SGB V zu regeln. Es sollte in § 2 Abs. 1 PflegeZG geregelt werden, ob der Anspruch entweder in jeder eintretenden Pflegesituation erneut entsteht oder ob sich Beschäftigte pro Kalenderjahr jeweils zehn Tage für die Pflege naher Angehöriger freistellen lassen könnte.
Pflegezeit – Allgemeine Regelungen (§ 3 PflegeZG)
Gesetzentwurf
Mit der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG wird ein besonderer Rechtsanspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung zur Pflege naher Angehöriger gesetzlich verankert.
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt grundsätzlich die Einführung einer Pflegezeit, nach der Beschäftigte auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Damit wird aus familien- und pflegepolitischer Sicht ein Raum geschaffen, in dem es Beschäftigten ermöglicht wird, eine Pflegesituation für ihre Angehörigen zu organisieren, die sowohl den Bedürfnissen der/des Pflegebedürftigen als auch der/des betreuenden Angehörigen gerecht wird. Des Weiteren werden die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessert. Durch die Möglichkeit der teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung und das Rückkehrrecht in eine vorher bestehende Vollzeitbeschäftigung können berufliche Entwicklungschancen weitgehend erhalten bleiben.
9. Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten an Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sowie Altenpflegeberufe (Artikel 5 § 63 Abs. 3 b und c SGB V)
Gesetzentwurf
Mit der Möglichkeit der Durchführung von Modellvorhaben im Rahmen des § 63 SGB V wird erstmals die eigenständige Erbringung heilkundlicher Tätigkeiten für die Berufe nach dem Alten- und Krankenpflegegesetz möglich.
Bewertung
Zukünftig ist mit der Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten an Alten- und Krankenpflegeberufe eine Diversifizierung der Aufgaben dieser Berufe möglich, die auf dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und zum Ausbau der Prävention dringend notwendig ist. Den beiden Gesundheitsberufen wird dadurch ermöglicht, Tätigkeitsfelder zu erproben, die dem eigenen Qualifikationsniveau entsprechen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt deshalb die mit der Erweiterung des § 63 Abs. 3 geschaffene Möglichkeit von Modellvorhaben.
Damit die Modellvorhaben jedoch auch zeitnah nach In-Kraft-Treten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes gestartet werden können und auch auf Berufsangehörige mit bereits vorhandener entsprechender Qualifikation ausgedehnt werden können, sollten Übergangsregelungen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass die vorgesehenen und für die Modellversuche notwendigen Qualifikationen auch auf anderem Wege als der grundständigen Ausbildung, z.B. über entsprechende Studiengänge, Fort- und Weiterbildungen bereits ausgebildeter Gesundheits- und Krankenpflegekräfte bzw. Altenpflegekräfte nachgewiesen werden können.
Lösungsvorschlag
Eine formale Anerkennung der erworbenen Qualifikationen von bereits ausgebildeten und entsprechend fort- und weitergebildeten Gesundheits- und Krankenpflegekräften bzw. Altenpflegekräften könnte über die zuständigen Ministerien der Länder erfolgen. Im § 63 Abs. 3 c werden folgende Satzteile bzw. Sätze (fett gedruckt) eingefügt:
„Modellvorhaben nach Absatz 1 können eine Übertragung der ärztlichen Tätigkeiten, bei denen es sich um selbständige Ausübung von Heilkunde handelt und für die die Angehörigen der im Krankenpflegegesetz geregelten Berufe aufgrund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes oder aufgrund eines Nachweises entsprechender Studiengänge, Fort- oder Weiterbildungen qualifiziert sind, auf diese vorsehen. Eine Anerkennung der entsprechenden Studiengänge, Fort- und Weiterbildungen erfolgt über die zuständigen Ministerien der Länder. Satz 1 und 2 gilt für die Angehörigen des im Altenpflegegesetz geregelten Berufes aufgrund einer Ausbildung nach § 4 Abs. 7 des Altenpflegegesetzes entsprechend.“
Änderung der Ausbildungsordnung für die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sowie Altenpflegeberufe (Artikel 15 KrPflG und Artikel 16 AltPflG)
Gesetzentwurf
Im Hinblick auf die in § 63 Abs. 3 c SGB V vorgesehenen Modellvorhaben werden Änderungen des Krankenpflegegesetzes und des Altenpflegegesetzes, bzw. der Ausbildungsordnung vorgenommen.
Bewertung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt die Erweiterung der Ziele und Inhalte der Ausbildung. Damit die Modellvorhaben jedoch auch zeitnah nach In-Kraft-Treten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes gestartet werden können und bereits ausgebildete und geprüfte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte sowie Altenpflegekräfte nicht ausgeschlossen werden, sollten Übergangsregelungen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass die für die Modellvorhaben vorgesehenen Qualifikationen auch auf anderem Wege, z.B. über entsprechende Studiengänge, Fort- und Weiterbildungen von bereits ausgebildeten Gesundheits- und Krankenpflegekräften sowie Altenpflegekräften nachgewiesen werden können. Dies gilt umso mehr, als Staatsangehörige aus anderen EU-Staaten mit einem entsprechenden Ausbildungsnachweis zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten im Rahmen der Modellversuche berechtigt sind.
Lösungsvorschlag
S.o. zu § 63 SGB V Abs. 3 c
[1] Deutsches Zentrum für Altersfragen, Geschäftsstelle Runder Tisch Pflege (2005): Entbürokratisierung. Berlin, DZA