Jahresbericht 2019 der Arbeitsgruppe Verwertungsgesellschaften

Vorsitz: Reiner Sans, Deutscher Caritasverband

Aufgabenstellung und Arbeitsweise der AG „Verwertungsgesellschaften“


Die Arbeits- bzw. Verhandlungsgruppe „Verwertungsgesellschaften“ verhandelt die BAGFW-Gesamtverträge mit Verwertungsgesellschaften. Dies schließt die Prüfung der zugrundeliegenden (urheber-)rechtlichen Lizenzsachverhalte und deren praktische Relevanz für Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege ein. 

In Deutschland gibt es derzeit 13 Verwertungsgesellschaften (VG). Von Relevanz für die BAGFW waren bislang vor allem die GEMA, VG Media, GVL, und die VG Wort.

Die Verhandlungsgruppe nutzt für ihre Arbeit i.d.R. Telefonkonferenzen, gelegentlich Arbeitstreffen, in denen der Handlungsbedarf erörtert wird, Sachlagen rechtlich analysiert, Vertragsentwürfe bearbeitet werden. Die Verhandlungen mit Verwertungsgesellschaften werden gemeinsam als Gruppe geführt.

 

1. Neuer Gesamtvertrag der BAGFW mit der VG Musikedition


Die VG Musikedition und die BAGFW haben im November 2019 einen Gesamtvertrag zum Vervielfältigen von Noten und Liedtexten in Senioren- und Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen unterzeichnet.

Auch in Senioren- und Pflegeheimen kommt der Musik und dem gemeinsamen Singen erfreulicherweise eine immer größere Bedeutung zu. Regelmäßig werden dabei auch Kopien von Notenblättern (Musiknoten) und Liedtexten verwendet. Der nun unterzeichnete Gesamtvertrag ermöglicht es den Mitgliedseinrichtungen der BAGFW, die notwendigen Rechte einfach und kostengünstig zu erwerben. Aus Anlass der Veröffentlichung des Gesamtvertrages hat eine gemeinsame Pressemitteilung der VG Musikedition und der BAGFW gegeben.

Die VG Musikedition nimmt unter Anderem zahlreiche grafische Vervielfältigungsrechte, Abdruckrechte, gesetzliche Vergütungsansprüche sowie die Rechte an wissenschaftlichen Ausgaben und Erstausgaben für Musikverlage, Komponisten, Textdichter und musikwissenschaftliche Herausgeber wahr.

2. Weiterhin kein Gesamtvertrag der BAGFW mit der VG Media


Die VG Media, Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Sendeunternehmen und Presseverlegern mbH hatte den BAGFW-Gesamtvertrag, der allen lizenzierten Mitgliedern eine 20%igen Rabattierung erbrachte, auf Ende 2018 gekündigt. Ein neuer Vertrag scheitert bis heute an der Forderung der VG Media, wonach die BAGFW im Gegenzug zur Rabattierung umfassende Mitgliederlisten zur Verfügung stellen solle. Diese Forderung ist für die BAGFW unerfüllbar. Bis heute gibt es keinen neuen Gesamtvertrag mit der VG Media und daran wird sich vermutlich auch in 2020 nichts ändern.

Im Oktober 2019 übersandte uns die VG Media ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 01.10.2019 zur Vergütungspflicht von Senioreneinrichtungen. Senioreneinrichtungen sind danach für die Weitersendung der Programmsignale im Zusammenhang mit dem Vorhalten einer TV-Anschlussmöglichkeit in den Wohnungen der Bewohner lizenz- und vergütungspflichtig.  Die VG Media forderte uns auf, „alle Mitgliedseinrichtungen Ihrer Verbände über das Urteil und die Zahlungsverpflichtung schriftlich und ausführlich zu informieren und einerseits alles zu veranlassen, um unlizenzierte und somit widerrechtliche Nutzungen sofort abzustellen. Andererseits bitten wir Sie, Ihren Mitgliedsunternehmen zu erklären, dass wir wegen der Nutzungen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Schadensersatzansprüche geltend machen werden. Für diese Ansprüche müssen Ihre Mitgliedsunternehmen spätestens mit dem beigefügten Urteil Rückstellungen bilden, damit unsere Ansprüche jederzeit erfüllt werden können. Zu diesem Zweck sind entsprechende Nutzungen „Bewohnerzimmer mit Fernseh-, Radioempfangsmöglichkeit (Anschlussdosen)“ auf dem beigefügten Fragebogen von ihren Mitgliedsunternehmen der GEMA umgehend anzuzeigen. Wir bitten Sie des Weiteren, Ihre Mitgliedsunternehmen zu informieren, dass unlizenzierte Nutzungen Urheberrechtsverletzungen darstellen und dass die VG Media als Treuhänderin der ihr übertragenen Rechte dagegen vorgehen wird.“

Wir haben dieses Urteil des LG Berlin, dem eine Klage der VG Media vermutlich gegen die Pro Seniore Residenz Kurfürstendamm, eine Einrichtung der Victor`s Group zu Grunde lag, analysiert und kommen zu der Einschätzung:

Die Situation in einer Seniorenresidenz, die in der Tat Mieter einer „normalen“ Wohnung sind, unterscheidet sich wesensmäßig von einem Altenpflegeheim. Gerade im Blick auf die einzelfallbezogene Rechtsprechung bestehen allein im Sachverhalt so erhebliche Unterschiede zwischen einer Seniorenresidenz und einem Altenpflegeheim, dass die LG Berlin-Entscheidung nicht einschlägig ist. Auch bietet ein Altenpflegeheim im Unterschied zu der Seniorenresidenz, eine SAT-Anlage nicht entgeltlich an. Und es verbessert sich die Vermietbarkeit des Zimmers im Altenpflegeheim nicht durch die Zurverfügungstellung eines Kabelweiterleitungsnetzes.

Die Rechtsprechung des BGH zur persönlichen Verbundenheit der Gesamtheit aller Bewohner eines Altersheimes aus dem Jahr 1974 erscheint uns deshalb nicht geeignet, den europarechtlichen Begriff der „privaten Gruppe“ zu definieren.

3. Weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen den Verwertungsgesellschaften und der BAGFW zum Begriff der „öffentlichen Widergabe“ i.S.d. § 15 Absatz 3 Urheberrechtsgesetzes.


Die GEMA macht auch die Ansprüche der anderen Verwertungsgesellschaften geltend. Dazu gehören insbesondere die VG Media und ZWF (Zentralstelle für die Wiedergabe von Fernsehsendungen), die ein Zusammenschluss ist der fünf Verwertungsgesellschaften AGICOA, GWFF, VFF, VGF, VG Bild-Kunst und GÜFA, die Filmurheber- und Filmproduzentenrechte vertreten.

Nach wie vor bestehen zwischen der GEMA und der BAGFW unterschiedliche Rechtsauffassungen zum Bestehen von Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Absatz 3 Urheberrechtsgesetz. So hatten wir bereits in der Präambel des mit der GEMA im Jahr 2017 abgeschlossenen Gesamtvertrages ausdrücklich vermerkt, dass wir bei der Musikwiedergabe in Aufenthaltsräumen und auch bei der Kabelweiterleitung in die Zimmer von Altenhilfeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen der Behindertenhilfe und Jugendhilfe eine Öffentlichkeit als nicht mehr für gegeben halten. Diese Einrichtungen bilden in der Regel den Lebensmittelpunkt der Bewohner und Bewohnerinnen, einem klar abgegrenzten stabilen Personenkreis, zwischen dem aufgrund der räumlichen Nähe, der gemeinschaftlichen Einnahme von Mahlzeiten und von gemeinschaftlichen Aktivitäten enge Beziehungen bestehen. Darüber hinaus gilt nach wie vor auch der Unterschied zu Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen. Die Bewohner und Bewohnerinnen der Alten- und Behindertenhilfeeinrichtungen sind regelmäßig an dem Ort der Einrichtung gemeldet und haben keinen sonstigen Wohnsitz mehr. Sie sind durch vielfältige Aktivitäten miteinander verbunden. Eine Fluktuation findet praktisch nur bei Tod statt.

Der Abschluss eines Gesamtvertrages mit einer der Verwertungsgesellschaften wäre das Signal verbunden, dass wir die Rechtsansicht der Verwertungsgesellschaften, in den Alten- und Behindertenhilfeeinrichtungen liege der Tatbestand der öffentliche Widergabe vor, weiterhin mittragen und damit eine letztlich auch gerichtliche Klärung erneut auf die lange Bank schieben bzw. klagebereiten Einrichtungen und deren Verbänden „in den Rücken fallen“. Zu dem angestrebten klärenden Musterverfahren ist es bislang nicht gekommen. Es findet sich trotz finanzieller Unterstützungsangebote von Einrichtungsspitzenverbänden bislang kein Einrichtungsträger, der sich auf so ein langwieriges kostenträchtiges Verfahren einlässt.