Jahresbericht 2022 des Fachausschusses Migration und Integration

Vorsitz: Paul Buckendahl, Diakonie Deutschland

Im Jahr 2022 prägten vor allem die Folgen des Krieges in der Ukraine die Arbeit des Fachausschuss Migration und Integration. Im Februar 2022 wurde eine fachausschussübergreifende AG eingerichtet, durch die der Austausch zwischen den Verbänden kurzfristig möglich war und die Mitglieder des Fachausschusses Migration und Integration maßgeblich einbrachten. In teilweise wöchentlichen Treffen wurden Rückmeldungen von den Trägern vor Ort ausgetauscht, von politischen Gesprächen berichtet, Hilfen koordiniert und Empfehlungen an Entscheidungsträger:innen und Positionierungen formuliert. Bearbeitet wurden unter anderem folgende Themen: Aufenthalt, Unterbringung, Versorgung, Registrierung, Schutz vor Missbrauch und Gewalt, Zugang zum Arbeitsmarkt, Gesundheits- und Sozialleistungen, Anerkennung von Berufsabschlüssen und die Koordination und Unterstützung von Ehrenamtlichen.

Migrationsberatung

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Fachausschusses waren die Beratungsstellen für Zuwander:innen. Seit etwa 8 Jahren befinden sich die Beratungszahlen der Migrationsberatung für zugewanderte Erwachsene (MBE) bei gleichbleibender Ressourcenausstattung auf hohem Niveau. Die Verbände standen diesbezüglich im Jahr 2022 wieder mit dem Fördermittelgeber in einem intensiven Dialog. Im Rahmen des zusätzlich erhöhten Beratungsbedarfs geflüchteter Menschen aus der Ukraine stellte die Bundesregierung Mittel in Höhe von 5,2 Mio. zur Verfügung. Für das Haushaltsjahr 2023 konnte die drohende Kürzung des Haushaltstitels durch intensive Lobbyarbeit abgewendet und sogar ein leichter Aufwuchs auf insgesamt 81 Millionen Euro erreicht werden.

Zu einer besseren Sichtbarkeit der MBE soll zum einen eine eigene Webseite beitragen, die 2022 in die Wege geleitet wurde und 2023 mit einer ersten Landingpage freigeschaltet werden soll. Als Servicestelle für die Webseite wurde der Infoverbund Asyl und Migration gewonnen. Zum anderen fand um den 14. September herum mit breiter Beteiligung unter den Trägern der 8. Aktionstag für die MBE und JMD (Jugendmigrationsdienste) statt. Der Aktionstag wurde durch den Fachausschuss durch umfangreiches Informationsmaterial unterstützt.  

Asylverfahrensberatung

Das Thema der Asylverfahrensberatung (AVB) wurde wie im Jahr 2021 ebenfalls zentral im Fachausschusses bearbeitet. Seit den 1990er Jahren werden durch die AVB der Verbände Asylsuchende unterstützt, im Asylverfahren selbstverantwortlich zu handeln und die Gründe ihrer Flucht nachvollziehbar darzustellen. Der Fachausschuss hatte sich kontinuierlich für eine bedarfsdeckende Finanzierung der behörden-unabhängigen AVB der Verbände durch Bundesmittel eingesetzt. Die Bundesregierung vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag schließlich die Einführung einer solchen AVB. Der Fachausschuss begleitete 2022 intensiv die fachliche Konzeption des Programms und die Verbände formulierten zum Teil gemeinsame Positionen, z.B. zu den Förderbedingungen. Letztere standen im 2. Halbjahr im Fokus der Lobbyarbeit, gegenüber dem BMI, aber auch den Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag.

Zu Themen der AVB bot die BAGFW 2022 wieder einen verbandsübergreifenden Workshop an, der von der Diakonie mit ca. 200 Teilnehmenden durchgeführt wurde. Es fanden Module zu den Grundprinzipien der AVB, zu Gesetzesänderungen im Asyl- und Migrationsrecht, aktuellen Rechtsprechungen im Dublin-Verfahren und zur Geschlechtsspezifischen Gewalt im Asylverfahren statt.

Asylbewerberleistungsgesetz

Die BAGFW nahm außerdem vor dem Bundesverfassungsgericht (BverfG) als sog. sachkundiger Dritter (§ 27a BVerfGG) in zwei Verfahren zum Asylbewerberleistungsgesetz Stellung. Das erste der beiden Verfahren (1 BvL 3/21) hatte die Frage zum Gegenstand, ob die durch das 3. AsylbLÄndG zum 1.9.2019 eingeführte Kürzung der Leistungen von alleinstehenden Erwachsenen in Sammelunterkünften gegen die Verfassung verstößt . Mit Beschluss vom 19.10.2022 bestätigte das BverfG die Auffassung der BAGFW, nach der dies zutrifft. Das zweite Verfahren (1 BvL 5/21) betrifft die Berechnung des Leistungsniveaus nach dem AsylbLG und ist noch anhängig. Die BAGFW vertritt hier die Auffassung, dass das Leistungsniveau das verfassungsrechtlich garantierte Minimum unterschreitet.

Psychosoziale Versorgung

Ein weiteres Arbeitsfeld des Fachausschusses stellt die psychosoziale Beratung, Begleitung und psychotherapeutische Behandlung von geflüchteten Menschen dar. Der FA veröffentlichte in einem Papier den psychosozialen Bedarf von Geflüchteten, das Angebot der Psychosozialen Zentren und den zusätzlichen (Finanzierungs-) Bedarf und schätzte letzteren auf jährlich ca. 50 Mio. Euro ohne die zusätzlichen Bedarfe aufgrund des Ukrainekrieges. Die neue Bundesregierung stellte 2022 im Rahmen des Bundesflüchtlingsprogrammes des BMFSFJ (Kapitel 1710, Titel 68405) Ergänzungsmittel für Psychosoziale Zentren in Höhe von 16 Mio. Euro zur Verfügung, die etwa zur Hälfte genutzt werden konnten. Der Fachausschuss setzte sich dafür ein, dass die Mittel in 2023 versteigt werden. 9,7 Mio. Euro werden in 2023 zusätzlich zur Verfügung stehen, gesamt ca. 15,8 Mio. Euro.

Unionsbürger:innen

Zum Themenschwerpunkt Unionsbürger:innen konnte 2022 die 2. aktualisierte Auflage der Handreichung für Berater:innen zum Thema Zugang zum Gesundheitssystem für Unionsbürger:innen fertiggestellt werden. Die dazugehörige Online-Fortbildungsreihe mit jeweils sechs Modulen fand aufgrund der hohen Nachfrage wieder mit zwei Durchläufen statt. Im Jahr 2022 konnte außerdem eine weitere Handreichung zum Thema Familienleistungen in Zusammenarbeit mit der EU-Gleichbehandlungsstelle für Arbeitnehmer:innen und dem BMFSFJ in die Wege geleitet werden.

Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan

Der Fachausschuss hat sich intensiv für eine Aufnahme verfolgter und bedrohter Menschen aus Afghanistan eingesetzt und seine Expertise für ein Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan eingebracht.

Gemeinsames Europäisches Asylsystem

Schließlich verabschiedete die BAGFW auch ein Positionspapier zum Reformvorschlag der Europäischen Kommission von 2020 zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem. Darin fordert sie eine faire Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit bei der Aufnahme von Asylsuchenden zwischen den EU-Staaten.

Im Jahr 2022 zeigten insbesondere die Folgen des Krieges in der Ukraine, wie wichtig die Arbeit der Wohlfahrtsverbände und deren Träger für eine gute Aufnahme, Betreuung und Beratung von Geflüchteten und Einwander:innen ist. Mit seiner Expertise und den Erfahrungen der Träger vor Ort, wird der Fachausschuss seinen Blick für die Situation eingewanderter Menschen in die Bundespolitik einbringen und sich für ihre Rechte einsetzen.