Vorschlag der Ad-hoc-AG „Gemeinnützigkeitsrecht“ für eine Änderung des § 6 SozDiG (Gesetz zur Förderung eines Freiwilligen Sozialen Jahres)

Anlässlich einer Betriebsprüfung des Deutschen Roten Kreuzes – Landesverband Baden-Württemberg e. V.

1.         Problemaufriss

 

Anlässlich einer Betriebsprüfung des Deutschen Roten Kreuzes – Landesverband Baden-Württemberg e. V. im Jahr 2004 vertrat die örtlich zuständige Finanzverwaltung die Auffassung, dass der Landesverband Baden-Württemberg im Rahmen der Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) eine Personalgestellung der jungen Erwachsenen an die entsprechenden Einsatzstellen ausführt. Sämtliche Mittel, die seitens des Landesverbandes durch diese Tätigkeit vereinnahmt werden, wurden als umsatzsteuerbare und -pflichtige Entgelte qualifiziert. Sie sollen dem Regelsteuersatz von derzeit 16 % unterliegen.

 

Mittlerweile gehen auch weitere Finanzverwaltungen und das Bundesfinanzministerium (BMF) davon aus, dass im Rahmen der Durchführung des FSJ beim FSJ-Träger Umsatzsteuer anfallen könnte.

 

Insbesondere problematisch ist hier eine sog. Bildungs- und Verwaltungspauschale von ca. 120 €, die von den Einsatzstellen pro FSJler an die FSJ-Träger geleistet wird. Während der Anteil der Pauschale, der für die vom FSJ-Träger geleistete Bildungsarbeit entrichtet wird, unter die Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 22 a UStG fällt, ist der Verwaltungsanteil nicht umsatzsteuerbefreit.

 

Anlässlich der Sitzung des Bundestagsausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ am 25.10.2006 kündigte das BMF eine Nichtbeanstandungsregelung an, wonach die Finanzverwaltung von einer (rückwirkenden) Umsatzbesteuerung der FSJ-Träger absähe, sofern das BMF noch im Jahre 2006 vom BMFSFJ Signale erhalte, dass eine Änderung des FSJ-Gesetzes zur Vermeidung der Umsatzsteuer erfolge. Die Gesetzesänderung müsse zum 01.01.2008 In-Kraft-treten.

 

 

Der Vertreter des BMF machte zwei Vorschläge, wie der zwischen FSJ-Träger und Einsatzstelle problematische Leistungsaustausch verhindert werden könne:

 

-       Es müsste eine Änderung der Pflichtenverteilung erfolgen: Die Einsatzstelle müsste stärker in die Pflichtenverteilung bzw. den Vertragsschluss einbezogen werden, so dass Einsatzstellen stärker als bisher Arbeitgeberfunktion gegenüber den Freiwilligen übernehmen (z. B. dreiseitiger Vertrag, Einsatzstellen übernehmen Taschengeld und Sozialversicherungsbeiträge)

 

-       Alternativ müssten die Einsatzstellen an die FSJ-Träger anstatt der Bildungs- und Verwaltungspauschale pro FSJler einen Zuschuss entrichten, der dann jedoch unabhängig von der konkreten Leistung der FSJ-Träger bzw. der Anzahl der FSJler sein müsste und somit nicht steuerbar sei.

 

Das BMFSFJ, welches die Gesetzesänderung vorbereitet, hat sich an die BAGFW mit der Bitte um Vorschläge zur Änderung des Gesetzes gewandt.

 

 

2.         Lösungsvorschlag

 

Grundsätzlich halten die Teilnehmer der BAGFW Ad-hoc-AG Gemeinnützigkeitsrecht die Umsatzsteuerbefreiung gem. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG (sog. 6. EG- Richtlinie) für FSJ-Leistungen für einschlägig. Jedoch ist den Teilnehmern bewusst, dass das BMF eine solche Lösung ablehnt.

 

Die Teilnehmer der Ad-hoc-AG Gemeinnützigkeitsrecht gehen davon aus, dass der vom BMF vorgeschlagene leistungsunabhängige Zuschuss der Einsatzstellen an die FSJ-Träger von den Einsatzstellen nicht akzeptiert werden kann. Eine solche Lösung, die in der Tat die Umsatzsteuerbarkeit der Verwaltungspauschale verhindern würde, ist aus praktischen Gründen nicht durchführbar.

 

Die Vertreter der Ad-hoc-AG sind sich zudem einig, dass der Vorschlag, wonach eine Änderung der Pflichtenverteilung erfolgen müsse und die Einsatzstelle einbezogen werden in die Pflichtenverteilung bzw. in den Vertragsschluss, das Problem der Umsatzsteuerpflicht bezüglich der Verwaltungspauschale voraussichtlich nicht lösen wird.

 

Allerdings trägt die Parlamentarische Staatssekretärin im BMF, Frau Dr. Barbara Hendricks, in einem Schreiben vom 21. September 2006 an den Vorsitzenden des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“, Herrn Dr. Michael Bürsch, einen weiteren Lösungsvorschlag vor.

 

Frau Dr. Hendricks schreibt auf Seite 2: „Entscheidend ist vielmehr, dass Rechtsbeziehungen zwischen dem Freiwilligen und dem Maßnahmeträger bestehen, welche letzterem die Befugnis einräumen, den Freiwilligen delegieren zu können und der Träger auch zur Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten verpflichtet ist.

 

Eine derartige Rechtsbeziehung besteht zwischen dem Freiwilligen und der Einsatzstelle nicht, so dass diese insoweit auf die Dienste des Trägers zurückgreifen muss und in der Folge diese Inanspruchnahme (aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen) auch entgelten muss. Dadurch wird ein umsatzsteuerrechtliches Leistungsaustauschverhältnis zwischen Trägern und Einsatzstelle begründet. Die Leistung des Trägers ist damit nach § 1 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerbar, d. h. sie unterliegt dem Umsatzsteuergesetz.“

 

Auf Seite 4 fasst Frau Dr. Hendricks noch einmal zusammen: „Nach hiesiger Auffassung lassen sich die aufgezeigten Konsequenzen nur durch Änderung der rechtlichen Rahmenbedingung bzgl. der Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres nach den SozDiG vermeiden: Wenn hiernach ein Rechtsverhältnis begründet würde, wonach die beteiligten Einsatzstellen und Träger jeweils für die sie betreffenden Rechte und Pflichten ausschließlich und unmittelbar berechtigt und verpflichtet würden, wäre ein Leistungsaustausch zwischen diesen zu verneinen.“

 

Nach dem Verständnis der Ad-hoc-AG Gemeinnützigkeitsrecht entsteht derzeit der Leistungsaustausch zwischen FSJ-Träger und Einsatzstelle durch das fehlende Rechtsverhältnis zwischen Einsatzstelle und FSJler. Durch einen dreiseitigen Vertrag zwischen FSJ-Träger, Einsatzstelle und FSJler würde dieser Mangel behoben.

 

Diesen Vorschlag der Parlamentarischen Staatssekretärin aufgreifend schlägt die Ad-hoc-AG „Gemeinnützigkeitsrecht“ daher folgende Formulierung des § 6 SozDiG vor (Änderungen kursiv):

 

 

㤠6 Mehrseitige Vereinbarung, Bescheinigung, Zeugnis

 

(1) Der Träger des freiwilligen Dienstes, die Einsatzstelle und der Freiwillige oder die Freiwillige schließen vor Beginn des freiwilligen Dienstes eine gemeinsame schriftliche Vereinbarung ab. Sie muss enthalten:

 

1.       Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift des Freiwilligen oder der Freiwilligen,

 

2.    die Bezeichnung des Trägers des freiwilligen Dienstes und der Einsatzstelle,

 

3.    die Angabe des Zeitraumes, für den der Freiwillige oder die Freiwillige sich gegenüber dem Träger des freiwilligen Dienstes und der Einsatzstelle zum freiwilligen Dienst verpflichtet hat, sowie Regelungen zur vorzeitigen Beendigung des Dienstes,

 

4.    die Erklärung, dass die Bestimmungen dieses Gesetzes während der Durchführung des freiwilligen Dienstes beachtet werden,

 

 

5.    Angabe des Zulassungsbescheides des Trägers, soweit es dessen bedarf,

 

6.    die für den Zeitraum des jeweiligen Einsatzes entweder vom Träger des freiwilligen Dienstes oder der Einsatzstelle - jeweils auf eigene Rechnung - zu erbringenden Geld- und Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung und Taschengeld,

 

7.    die Angabe der Urlaubstage.

 

(2) Der Träger stellt dem Freiwilligen oder der Freiwilligen nach Abschluss des Dienstes eine Bescheinigung aus. Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 und 6 gilt entsprechend; außerdem muss die Bescheinigung den Zeitraum der Teilnahme enthalten.

 

(3) Bei Beendigung des freiwilligen Dienstes kann der Freiwillige oder die Freiwillige von dem Träger ein schriftliches Zeugnis über die Art und Dauer des freiwilligen Dienstes ordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung während der Dienstzeit zu erstrecken. Dabei sind in das Zeugnis berufsqualifizierende Merkmale des Freiwilligendienstes aufzunehmen.“

 

 

Um den Handlungsrahmen der FSJ-Träger und Einsatzstellen zu erhalten, wurde auf eine Konkretisierung der einzelnen Rechte und Pflichten der FSJ-Träger und Einsatzstellen weitgehend verzichtet.

 

Jedoch ist zu gewährleisten, dass dieser Formulierungsvorschlag der Ad-hoc-AG Gemeinnützigkeitsrecht, welcher auf dem o. g. Schreiben der Staatssekretärin beruht, mit dem BMF im Hinblick auf seine Rechtssicherheit abgestimmt wird.

 

 

 

 

 

 

Berlin, 22.11.2006

Ad-hoc-AG „Gemeinnützigkeitsrecht“

Kontakt:

Ulla Engler

Rechtsanwältin

Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.

Oranienburger Str. 13 – 14

10178 Berlin

Tel. 030/ 24 636 316

organisationsrecht@paritaet.org

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