Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf einer Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-COV-2 vom 4.3.2021

Einführung von kostenlosen Bürgertests mit PoC-Antigen-Schnelltests: Dies kann die Einrichtungen und Dienste bei der Testung der Besucher/innen im Zuge der Pandemiebekämpfung entlasten.

A.      Zusammenfassende Bewertung

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bedanken sich für die Einladung und nehmen gerne gemeinsam zur Testverordnung Stellung.

Positiv bewertet wird die Einführung von kostenlosen Bürgertests mit PoC-Antigen-Schnelltests. Dies kann die Einrichtungen und Dienste bei der Testung der Besucher/innen im Zuge der Pandemiebekämpfung entlasten.

Generell sei angemerkt, dass Barrierefreiheit beim Testzugang und Testen selbst gewährleistet sein muss. Neben einer barrierefreien Erreichbarkeit und Zugänglichkeit von Testzentren bedeutet dies, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung vor Ort die nötige Unterstützung erhalten. Es ist auch sicherzustellen, dass die Informationen zur Testung selbst barrierefrei bereitgestellt werden. Bei Personen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen, z.B. bei stark eingeschränkter Mobilität oder Psychosen, sollten auch zugehende Testungen ermöglicht werden. Sollten für Testungen Krankentransporte erforderlich sein, sollen diese nach § 60 SGB V abgerechnet werden können.

 

In folgenden Punkten sieht die BAGFW Änderungsbedarfe:

  • Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, Spätaussiedlern und vollziehbar Ausreisepflichtigen, die nach Aussage der STIKO zu den Settings mit hohem Ansteckungsrisiko gehören, sowie sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten in die präventiven Testungen nicht einbezogen werden. Auch die Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG, Frauenhäuser und vergleichbare Schutzunterkünfte, Gemeinschaftseinrichtungen für Mutter/Vater und Kind nach § 19 SGB VIII sowie ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, welche die STIKO gleichfalls als Settings mit hohem Ansteckungsrisiko in dieselbe Kategorie wie die Einrichtungen für Asylsuchende kategorisiert hat, müssen einbezogen werden.
  • Die BAGFW bittet dringend darum, dass auch die Menschen, die in aufenthaltsrechtlicher Illegalität in unserem Land leben, teils unter prekären Wohn- und Lebensverhältnissen, Zugang zu den Bürgertestungen bekommen. § 87 AufentG darf für die Dauer der Pandemie weder bei den Testungen noch bei den Impfungen Anwendung finden.
  • Nach wie vor fehlt eine Refinanzierung der Personalkosten für die Testungen in der Wohnungslosenhilfe, in den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen sowie in der SAPV, der Intensivpflege und bei den ambulanten Hospizdiensten. Diese Regelungslücke gilt es, mit dieser Verordnung zu schließen. Die Einrichtungen müssen - auch aus Gleichheitsgründen - dieselbe Pauschale wie die Pflegeeinrichtungen und die Einrichtungen der Eingliederungshilfe erhalten können.
  • Bezüglich der Stückzahl der Testungen bitten wir sowohl in Bezug auf die Intensivpflegedienste als auch in Bezug auf die personalintensiven Dienste der Eingliederungshilfe um eine Erhöhung der Stückzahl auf 90 pro zu betreuender und zu pflegender Person.
  • Die Absenkung der Sachkostenpauschale von 9 auf 6 Euro lehnen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Zum einen liegen die Kosten im Schnitt höher als 6 Euro, zum anderen haben die Dienste und Einrichtungen auch schon Tests bestellt, die sie nicht mehr refinanziert bekämen. Es ist zudem davon auszugehen, dass bei der aufgrund der TestV steigenden Nachfrage die Preise wieder anziehen.

 

B.      Stellungnahme zu ausgewählten Einzelvorschriften

 

§ 1 Anspruch

Die BAGFW lehnt die Änderung zu Absatz 2, wonach Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität vom Rechtsanspruch auf die Bürgertestungen nach § 4a ausgeschlossen werden, indem nur Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Anspruch haben, ab.

Zudem haben Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität aufgrund der Übermittlungspflichten nach § 87 AufenthG Probleme, ihre Ansprüche durchzusetzen, weil sie befürchten müssen, dass ihre Daten an die Ausländerbehörden weitergeleitet werden. § 87 AufenthG sollte im Sinne des Bevölkerungsschutzes zumindest für die Dauer der Pandemie daher ausgesetzt werden. Darüber hinaus setzen sich die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege für eine Problemlösung ein, die allen in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder Wohnsitz, Zugang zur Regelversorgung in der GKV bietet.

Änderungsbedarf

Absatz 2 wird wie folgt formuliert:

„Den Anspruch nach Absatz 1 haben auch Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Für alle Personen, die einen tatsächlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, der nicht nur für die Dauer eines Kurzaufenthalts, etwa zu touristischen Zwecken besteht, darf § 87 Aufenthaltsgesetz keine Anwendung finden. Ein Anspruch nach § 4a besteht nur dann, wenn diese Personen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

§ 2 Testungen von Kontaktpersonen

In der Begründung zu Nummer 2 ist klarzustellen, dass der Haushalt nach Nummer 2 auch betreute Wohnformen umfasst.

§ 4 Testungen zur Verhütung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen, dass nunmehr auch die Rettungsdienste, der ÖGD und die Impfzentren mit der Ergänzung zu Absatz 2 Nummer 5 zu den testrelevanten Einrichtungen gerechnet werden.

Die Fallkonstellation des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, wonach asymptomatische Personen nach Aufnahme oder Wiederaufnahme in eine Einrichtung getestet werden können, ist dahingehend klarzustellen, dass auch Menschen, die in besonderen Wohnformen der Behindertenhilfe leben, aber das Wochenende bei ihren Angehörigen verbracht haben, von den Testungen umfasst sind.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bekunden erneut ihre Position, wonach für uns nicht nachvollziehbar ist, warum Unterkünfte der Obdachlosenhilfen, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, Flüchtlingen, Spätaussiedlern und vollziehbar Ausreisepflichtigen sowie sonstige Massenunterkünfte nicht in die präventiven Testungen einbezogen werden, obwohl gerade in diesen Einrichtungen ein hohes Ansteckungsrisiko, wie auch die STIKO-Empfehlung ausweist, besteht. Diese Einrichtungen sind unter § 4 dringend zu ergänzen. Das Gleiche gilt für Justizvollzugsanstalten.

Vor dem Hintergrund, dass Kinder und Jugendliche immer stärker selbst durch die neuen Virus-Mutationen erkranken und das Personal in den Kinder- und Jugendeinrichtungen anstecken können, fordern die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, dass die Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG, Frauenhäuser und vergleichbare Schutzunterkünfte, Gemeinschaftseinrichtungen für Mutter/Vater und Kind nach § 19 SGB VIII sowie ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einbezogen werden.

Änderungsbedarf

§ 4 Absatz 1 Nummer 1

        1. In oder von Einrichtungen oder Unternehmen nach Absatz 2 Nummer 1 bis 4 behandelt, betreut, gepflegt oder untergebracht werden sollen oder nach Rückkehr aus der Häuslichkeit von Familienangehörigen übernommen wird,

§ 4 Absatz 2 Nummer 2 wird wie folgt formuliert:

„Einrichtungen nach § 36 Absatz 1 Nummer 1 bis 6 des Infektionsschutzgesetzes“

In § 4 wird nach Nummer 4 folgende neue Nummer 5 ergänzt:

„Frauenhäuser, vergleichbare Schutzunterkünfte, Gemeinschaftseinrichtungen für Mutter/Vater und Kind sowie ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.“

§ 4a i.V. mit § 5 Absatz 2 Satz 1: Bürgertestungen

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen die Einführung kostenloser Bürgertestungen. Die Möglichkeit der kostenlosen Bürgertestungen kann die Einrichtungen und Dienste, für die ein negatives Testergebnis Voraussetzung für das Betreten oder den Besuch ist, entlastend wirken. Es sollte überdacht werden, ob angesichts des Beitrags der Testungen zur Eindämmung des Virus eine Begrenzung auf einmal pro Woche vorgenommen werden sollte.

§ 4b Bestätigungs- und Virusvariantendiagnostik

Die BAGFW begrüßt, dass jeder positive Antigen-PoC-Schnelltest mit einem PCR-Test bestätigt werden muss. Eine wichtige Strategie zur Eindämmung des SARS-CoV2- Virus und seiner Mutationen ist des Weiteren eine Virusvariantendiagnostik. Die Regelung, dass jedem positiven PCR-Test ein spezifischer Virusvariantennachweis folgen soll, ist daher zu begrüßen.

Generell begrüßt die BAGFW die Beauftragung von Rettungs- und Hilfsorganisationen im Rahmen von Testungen nach § 4a Bürgertestungen und § 4b Bestätigungs- und Virusvariantendiagnostik. Es wird allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rettungs- und Hilfsorganisationen lediglich für die Durchführung von Testungen beauftragt werden können. Die Durchführung von Testdiagnostiken im Labor und/oder der Sequenzierung von Viren (Mutationen) liegen hingegen nicht im Kompetenzbereich der Rettungs- und Hilfsorganisationen. Die Diagnostik und Sequenzierung sind den dafür zuständigen und geeigneten Laboren vorenthalten. Es wird deswegen eine inhaltliche Trennung des § 4b in Bestätigungstestung und §  4c Virusvariantendiagnostik gefordert, um die Zuständigkeiten klar voneinander abzugrenzen. 

 

§ 6 Leistungserbringung

 

Absatz 2: Leistungsanspruch

Wie oben schon zu § 1 kommentiert, dürfen Menschen, die ihren tatsächlichen Aufenthaltsort nicht nur durch vorübergehenden, etwa touristischen Kurzaufenthalt in der Bundesrepublik haben, nicht von den Testungen ausgeschlossen werden. Nummer 4 des Absatzes 2 ist entsprechend anzupassen.

Änderungsbedarf

§ 6 Absatz 2 Nummer 4 ist zu streichen.

 

Absatz 3: Anzahl der Tests

Wir begrüßen, dass die  Stückzahl für Tests bei den ambulanten Intensivpflegediensten und -  neu mit dieser Verordnung – auch für die Hospize auf bis zu 30 PoC-Testungen pro Patient/in erhöht wird. Diese Anzahl reicht aber immer noch nicht aus. Ausgehend davon, dass pro Patient/in 6 Mitarbeitende im Wechsel von 2 Tagen im Einsatz sind, sollten pro Monat bis zu 90 Stück zur Verfügung stehen.

Ambulante Dienste der Eingliederungshilfe können weiterhin bis zu 20 PoC-Antigentests pro Klient/in pro Monat erhalten. Diese Stückzahl ist in Bezug auf manche ambulanten Dienste der Eingliederungshilfe zu gering veranschlagt. Es gibt Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen, die bis zu 24 Stunden ambulante Pflege- und Assistenzleistungen benötigen, die dann über eine Vielzahl von Unterstützer*innen erbracht wird. Um diese Zielgruppe im Rahmen des jeweiligen Testkonzeptes bestmöglich vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, sind mehrfache Testungen nötig. Im Einzelfall ist es aufgrund der individuellen Versorgungssituationen notwendig, bis zu 90 Tests im Monat pro Klient/in einzusetzen, um diesen besonders vulnerablen Personenkreis bestmöglich vor einer lebensbedrohlichen Ansteckung zu schützen. Die besondere Einsatz- und Organisationsstruktur solch spezialisierter Dienste führt derzeit bereits bei der Umsetzung der Testverordnung zu einem erheblichen Finanzierungsproblem. Insbesondere kleinere, spezialisierte Dienste, die ambulante Angebote der Eingliederungshilfe und Pflege erbringen, sind hier erheblichen finanziellen Belastungen ausgesetzt.

Änderungsbedarf

In § 6 Absatz 3 ist in Bezug auf die Intensivpflegedienste und die ambulanten Dienste der Eingliederungshilfe nach § 4 Absatz 2 Nummer 4 die Stückzahl von 20 auf 90 pro zu betreuender Person zu erhöhen.

 

§ 7 Abrechnung der Leistungen – Testkosten Eingliederungshilfe

Die Verbände der BAGFW haben begrüßt, dass mit der letzten Änderungen TestV die Personalkosten für die Testungen in der Eingliederungshilfe aufgrund von § 7 Absatz 3 Satz 3 refinanziert werden.

Diese Ergänzung muss für die Eingliederungshilfe rückwirkend sein, da diese Testungen bereits seit Herbst 2020 eingesetzt werden. Diese Kosten können in der Eingliederungshilfe ebenso wenig wie die Schutzausrüstung über SoDEG abgerechnet werden. Daher setzen sich die Verbände der BAGFW weiterhin mit Nachdruck für ein rückwirkendes Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 14.10.2020 (Ersterlass der Testverordnung) ein.

 

§ 11 Vergütung von Sachkosten für PoC-Antigen-Tests

Zwar sind die Preise der Antigen-PoC-Tests in den letzten Wochen leicht unter 9 Euro gesunken, sie liegen aber noch deutlich über 6 Euro. Zudem haben viele Dienste und Einrichtungen die Tests bereits eingekauft und könnten diese mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung nicht mehr refinanzieren. Es wäre also mindestens zu garantieren, dass die Absenkung erst für nach Inkrafttreten dieses Entwurfs bestellte Tests gilt. Je nach Art der für die Bürger/innen freigegebenen Tests, wird der Markt für PoC-Antigentest sicherlich reagieren und unter Umständen zu einem Anstieg der Preise für die Tests führen. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die genannte Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen zu niedrig ausfällt. Jede Organisation kauft preisbewusst ein, die Sachkosten müssen im jeweils entstandenen Umfang auch weiterhin ersetzt werden. Es ist daher aus Sicht der BAGFW dringend geboten, auf eine Absenkung der Sachkostenpauschale zu diesem Zeitpunkt zu verzichten. Sollte mit Voranschreiten der nationalen Teststrategie und der Testproduktion eine allgemeine Preissenkung deutlich werden, sollte die Verordnung an die Preisentwicklung angepasst werden.

Änderungsbedarf:

Die Angabe „6“ wird durch die Angabe „9“ ersetzt.

 

§ 12 Vergütung von weiteren Leistungen

Die Verbände der Wohlfahrtspflege begrüßen, dass die Personalkosten für die Testungen in der Eingliederungshilfe in Höhe von 9 Euro vergütet werden. In gleicher Weise müssen jedoch auch den Reha- und Vorsorgeeinrichtungen, den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, den SAVP-Diensten und den ambulanten Hospizdiensten, die ebenfalls Gegenstand dieser Verordnung sind, diese Kosten refinanziert werden. Auch sie haben keine anderweitige Refinanzierungsmöglichkeit. Wir weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die SAPV-Dienste, die Intensivpflegedienste und die ambulanten Hospizdienste als Einrichtungen nach dem SGB V unter keinerlei Schutzschirm fallen.

Uns erreicht vermehrt die Problemanzeige, dass Ärzt/innen den Einrichtungen die Schulung in Rechnung stellen müssen, da die nach § 12 Absatz 2 vorzunehmende Schulung nur maximal alle zwei Monate erstattungsfähig durchgeführt werden kann. Dieser Turnus ist jedoch für die Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht ausreichend, denn die Kurse können nur für max. 13-15 Personen stattfinden. Größere Einrichtungen brauchen also mehrere Schulungen parallel. Sofern sie diese veranlassen, muss der Arzt sie in Rechnung stellen, da er sie nicht über die TestV abrechnen kann.

Änderungsbedarf

§ 12 Absatz 3 Satz 1 ist wie folgt zu ergänzen:

„Stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste der Eingliederungshilfe nach § 4 Absatz 2 Nummer 4, Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 sowie Einrichtungen der ambulanten Intensivpflege, der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, Hospize, die keinen Versorgungsvertrag nach dem SGB XI haben sowie ambulante Hospizdienste erhalten für die Leistungen nach Absatz 1 je durchgeführter Testung eine Vergütung von 9 Euro; (…).„