Jahresbericht 2017 des Fachausschusses Kinder, Jugend, Familie und Frauen

Vorsitz: Liane Muth, Deutscher Caritasverband

 



 
 

Kinder- und Jugendhilfe

Reform des Kinder- und Jugendhilfeplans des Bundes

Die neuen „Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen und Leistungen zur Förderung der Kinder- und Jugendhilfe durch den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) traten zum 1.1.2017 in Kraft. Die neuen Verfahrensprofile (Rahmenverträge, Jahresplanungsgespräche, Sachberichterstattungen,…) wurden 2017 erfolgreich umgesetzt. Auch hat die neu eingerichtete handlungsfeldspezifische KJP-Arbeitsgruppe mit dem Titel „Weitere bundeszentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe“ getagt und dem Ministerium ihre Erfahrungen mit den neuen Richtlinien mitgeteilt.
 

16. DJHT 2017

„22 mio. junge chancen – gemeinsam.gesellschaft.gerecht.gestalten.“ lautete das Motto des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages (16. DJHT), der vom 28. bis 30. März 2017 in der Landeshauptstadt Düsseldorf stattfand. Eine von der BAGFW ausgerichtete Leitveranstaltung widmete sich dem Thema „Flüchtlinge: Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe“. In seinem Vortrag betonte BAGFW-Präsident Prälat Dr. Peter Neher die besondere Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe für die Integration aller jungen Geflüchteten und ihrer Familien. Die große Zahl und Vielfalt der seit 2015 in Deutschland ankommenden Flüchtlinge stellte die Kinder- und Jugendhilfe vor enorme Herausforderungen und überforderte zeitweise die Strukturen, Institutionen und Verfahren. Aus den Entwicklungen der letzten Jahre ist für die Kinder- und Jugendhilfe der Auftrag entstanden, sich auf Unterstützungsbedarfe von Flüchtlingsfamilien, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) und jungen Erwachsenen einzustellen und ihre Angebote und Strukturen darauf zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Dabei unterliegt die Kinder- und Jugendhilfe generell einem quantitativen Ausbaudruck und ist aufgefordert, sich fach-konzeptionell weiterzuentwickeln, um den stetig wachsenden Anforderungen wie z.B. im Bereich der Kindertagesbetreuung oder der Schulsozialarbeit gerecht zu werden.
Kernthemen der Podiumsdiskussion war die Komplexität der rechtlichen Regelungen, die Unterbringung und Versorgung, der Zugang zu Bildungsangeboten, die gesundheitliche Situation und Gewalt durch / gegen junge Geflüchtete.
 

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF)

Die Zahl der Asylanträge unbegleiteter Minderjähriger ist 2017 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Die Ursache ist v.a. in den fehlenden Zugangswegen nach Europa bzw. nach Deutschland zu suchen. Bedenklich ist auch der Rückgang der Gesamtschutzquote, die laut BumF (Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V.) trotz gleichbleibender Schutzbedürftigkeit von 90% im Jahr 2015 auf 80% im Zeitraum Januar bis August 2017 sank. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die veränderte Entscheidungspraxis des BAMF bzgl. der Hauptherkunftsländer der unbegleiteten minderjähren Flüchtlinge Afghanistan, Eritrea und Somalia.

Die Bundesregierung ist in der Pflicht, gemäß § 42e SGB VIII dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorzulegen. Im Rahmen der Berichtserstellung für das Jahr 2017 fragte das Familienministerium auch die Verbände der BAGFW an, Erfahrungen, Einschätzungen und Informationen einzubringen. Der BAGFW-Fachausschuss hat diesen Prozess kritisch reflektiert.

Ebenso wurden die geplanten Änderungen im SGB VIII sowie zu asyl- und aufenthaltsrechtlichen Änderungen gesichtet und diskutiert. Aufgrund der Stagnation der Reformbemühungen traten die befürchteten Verschlechterungen bzgl. der Versorgung und Betreuung von umF vorerst nicht ein. Sollte es während der neuen Legislaturperiode doch noch zu einer Neufassung des § 78f SGB VIII kommen, würde dies zu einer Ungleichbehandlung zwischen jungen Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und jenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf leistungsvereinbarungsrechtlicher Ebene führen. Das wäre nicht nur diskriminierend, sondern würde auch die Integration der jungen Geflüchteten erschweren.
 

Reform des Rechts der Kinder- und Jugendhilfe

Die geplante Reform des SGB VIII hat die Verbände und Gremien der BAGFW stark beschäftigt. Ende Juni hat der Bundestag ein verändertes Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) beschlossen. Dieses sieht verschiedene gesetzliche Änderungen in der Kinder-und Jugendhilfe vor, dabei insbesondere im SGB VIII. Das KJSG trat aber nicht zum 01.01.2018 in Kraft, da bis dahin keine Verabschiedung durch den Bundesrat erfolgte. Angesichts des notwendigen Änderungsbedarfs im Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts setzt sich die BAGFW dafür ein, dass 2018 unter breiter Beteiligung der Fachwelt ein neuer Anlauf zur Reform des SGB VIII erfolgt. Außerdem haben sich die Verbände der BAGFW 2017 an den Dialogforen zur Inklusiven Lösung beteiligt, die das BMFSFJ initiiert hatte und die vom Deutschen Institut für Urbanistik und dem Deutschen Verein durchgeführt wurden.

Zum Werdegang: Auf den zunächst diskutierten ursprünglichen Entwurf zur Änderung des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) folgte eine umfassende Kritik der Verbände. Zum einen wurden die geringen Mitwirkungsmöglichkeiten und zum anderen inhaltliche Aspekte kritisiert. Aufgrund der Rückmeldungen sind große Teile des Gesetzentwurfes nach der Expertenanhörung im Juni im Bundestag aus dem KJSG gestrichen worden.

Die Streichungen betrafen insbesondere die geplanten Veränderungen des SGB VIII im Pflegekinderwesen, die bürokratischen Regelungen für die offene Kinder- und Jugendarbeit (§ 48b SGB VIII) sowie die Beschränkung im Zugang zu einer Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen (§ 13 Abs. 3 SGB VIII). Die im ersten Entwurf noch enthaltenen Veränderungen im Bereich der Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) wurden schon im Vorfeld aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

Geändert wurde der Beratungsanspruch in § 8 SGB VIII. Fortan haben Kinder und Jugendliche einen uneingeschränkten Beratungsanspruch unabhängig von einer Krisensituation.

Kritisch sehen die Verbände die Änderungen im Bereich der Leistungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Danach haben gemäß § 78f SGB VIII die Länder die Möglichkeit, auf die finanzielle Ausstattung von Leistungen durch sogenannte Rahmenverträge Einfluss zu nehmen. Hier steht zu befürchten, dass die Leistungsstandards für junge geflüchtete Menschen in der Jugendhilfe abgesenkt werden.
 

Projekt „Demokratie und Vielfalt in der Kita“

Die Projekte in den Verbänden der BAGFW wurden 2017 gestartet. Ziel ist es, die Demokratiekompetenz von Kindern, Eltern und Erzieherinnen sowie die Sprachfähigkeit gegen demokratiefeindliche Aussagen zu fördern. Erzieherinnen sollten zum einen demokratiefeindliche Phänomene erkennen und angemessen reagieren können. Außerdem umfasst das Projekt die pädagogische Arbeit mit den Kindern. Der Fachausschuss tauschte sich 2017 hierzu aus:
 

Qualität in Kindertageseinrichtungen

Der Qualitätsdialog in der Kindertagesbetreuung zwischen Bund, Ländern, Kommunen, freien und öffentlichen Trägern, Wissenschaft und Forschung sowie anderen Organisationen, der 2016 in einem Zwischenbericht mündete und Handlungsschwerpunkte und –ziele identifizierte, fand 2017 Eingang in Eckpunkte für ein Qualitätsentwicklungsgesetz. Diese im Mai 2017 von der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) beschlossenen Eckpunkte werden von der BAGFW begrüßt. Die BAGFW trat 2017 dafür ein, dass an dieser Grundlage weitergearbeitet und entsprechende gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Der Fachausschuss hat über seine Unterarbeitsgruppe „Kita“ Treffen mit dem Referat Kindertagesbetreuung im BMFSFJ durchgeführt und hierüber den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie die damit verbundenen verschiedenen Planungen, Einführungen und Umsetzungen von Bundesprogrammen aktiv begleitet.
 

Jugendmedienschutz

Der Fachausschuss beschäftigte sich 2017 mit dem Jugendmedienschutz im digitalen Zeitalter und mit den Notwendigkeiten neuer Regelungen.
 

 



 
 

Familien-, Frauen- und Gleichstellungspolitik

EU-Vereinbarkeitspaket: BAGFW Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom April 2017

Die Europäische Kommission hat am 26.04.2017 einen Richtlinienvorschlag zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben berufstätiger Eltern und pflegender Angehöriger vorgelegt. Dadurch soll die Gleichstellung von Frauen und Männern im Hinblick auf die Chancen am Arbeitsmarkt und die Behandlung am Arbeitsplatz erreicht werden.

Im Richtlinienvorschlag werden einige neue oder höhere Mindeststandards für Eltern-, Vaterschafts- und Pflegeurlaub festgelegt.

Der FA hat sich mit dem Richtlinienvorschlag beschäftigt und eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Beispielsweise ist das Recht auf einen vergüteten, zehntägigen Vaterschaftsurlaub für alle erwerbstätigen Väter sowie der Anspruch für Arbeitnehmer(-innen) auf fünf Tage vergüteten Pflegeurlaub im Jahr begrüßt worden. Die Stellungnahme wurde auch ins Englische übersetzt.
 

Referentenentwurf zu dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Istanbul, 11. Mai 2011

Der Fachausschuss hat sich mit dem Referentenentwurf beschäftigt und eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet.

Die BAGFW begrüßt die Ratifikation der Europaratskonvention und die damit verbundene zeitnahe Umsetzung in nationales Recht.
 

Kooperation mit der BZgA

Die kontinuierliche Kooperation des Fachausschusses mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wurde fortgesetzt. Als besonderes Projekt ist die Zusammenarbeit zur Erstellung von trägerübergreifendem, bundesweitem Informationsmaterial für schwangere Frauen mit Fluchthintergrund zu nennen. In 2017 wurde ein Zuwendungsantrag an die BZgA gestellt, der im Sommer 2017 positiv entschieden wurde. Die Konzeptionsphase zur Erstellung der Materialien hat im September 2017 begonnen.
 

Projekt Vernetzung und fachliche Begleitung Gewaltschutz für geflüchtete Frauen

Seit 2016 widmen sich über 100 Projekte in Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände dem Gewaltschutz und Empowerment von geflüchteten Frauen und anderen besonders schutzbedürftigen Personengruppen. Frauenhauskoordinierung ist Trägerin eines übergeordneten Projekts und hat die Aufgabe, für die Vernetzung und fachliche Begleitung aller Projekte zu sorgen. Im September 2017 hat die Fachtagung „Empowerment ist… Realitäten und Perspektiven in der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen“ in Berlin stattgefunden.
 

Politische Forderungen

Das auf Kinder, Jugend, Familie, Frauen bezogene Forderungspapier der BAGFW wurde 2017 überarbeitet. Darin geht es u.a. um Care-Zeit für alle, um qualitativ gute Ganztagsbetreuung von Kindern, um die Weiterentwicklung der monetären Unterstützungssysteme, um Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder.