Die Nutzung von E-Health und Telemedizin durch ältere Menschen

Inputgeber

  • Prof. Dr. Britta Böckmann, Fachhochschule Dortmund
    Mitglied der Sachverständigenkommission zum Achten ALTERSBERICHT
  • Benjamin Fehrecke-Harpke, BAGFW/ DRK-Generalsekretariat

     

Input

Einführend skizzierte Professorin Dr. Britta Böckmann von der Fachhochschule Dortmund und Mitglied der Sachverständigenkommission zum Achten Altersbericht anhand von Praxiserfahrungen, dass die Technologieentwicklung vielfältige Optionen bietet, aber ein Gap in der flächendeckenden Anwendung und Nutzung besteht. Zu oft blieben die technologischen Möglichkeiten auf einen Projektstatus mit wenigen Nutzer*innen begrenzt. Damit werde eine gerechte Nutzung der bestehenden technologischen Möglichkeiten behindert oder gar ausgeschlossen. Aber genau dieses müsse das Ziel sein, bestehende Anwendungsmöglichkeiten in die Fläche zu bringen und so einer breiten Zielgruppe zugänglich zu machen. Als Schlüsselthema wurde der Umgang mit Daten betont. Hierbei nimmt die Frage des Vertrauens und des Datenschutz eine Schlüsselfrage ein. Wobei Professorin Böckmann deutlich machte, dass alleinig Evidenz und Studien als Lösungsansätze nicht überzeugen, da die zu gewinnende Zielgruppe die Endverbraucher und hilfebedürftigen Personen sind. So werden in der Kommission Überlegungen diskutiert, inwieweit Gütesiegel für Datenschutz inkl. Datensparsamkeit, Dateneigentumsfragen, praxistaugliche Ansätze bieten, um den Umgang mit Daten für die Endverbraucher transparenter zu machen.

 

Kommentierung

In der Kommentierung bestätigte Benjamin Fehrecke-Harpke vom DRK-Generalsekretariat, dass digitale Möglichkeiten (neue) Zugänge für unterschiedliche Zielgruppen schaffen und damit mehr Teilhabechancen eröffnen können. Herr Fehrecke-Harpke betonte, dass das notwendige Vertrauen in technologische Ansätze primär durch Information der spezifischen Zielgruppen und praktische Erprobung gewonnen werden sollte. Gleichzeitig wies er auch auf die teilweise überhöhten Erwartungen an E-Health und Telemedizin hin. So können diese Ansätze persönliche Kommunikation sinnvoll und hilfreich unterstützen aber nicht ersetzen, da insbesondere im sozialen und medizinischen Bereich die direkte unvermittelte Interaktion zwischen den Menschen elementar ist. Damit böten die genannten Ansätze auch keine ernst zu nehmenden Potentiale Personalressourcen zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

 

Diskussion

In der anschließenden Diskussion wurde noch einmal die grundlegende Zielsetzung von E-Health- und Telemedizinansätzen betont, da diese keinen Selbstzweck oder Innovationszweck per se dienen können, sondern ein „gutes Leben“ ermöglichen sollen. Für ältere Menschen bedeutet dieses z.B. was ermöglicht mir ein möglichst langes Verweilen in der eigenen Häuslichkeit. Dieses gilt es auch in der realen Praxis erlebbar zu machen. Insofern wurde noch einmal die Forderung von Herrn Fehrecke-Harpke verstärkt, mehr praxisnahe Forschung sowie Angebote in der Praxis zu schaffen. Weiter bestand Konsens, dass durch E-Health- und Telemedizin die Kommunikation zwischen Mediziner*innen, Pflegekräften und Patinent*innen sich in Quantität und Qualität verändert. Auch dieses gilt es bei der Etablierung neuer digitaler Ansätze zu beachten.

Hierzu wurden mehrere Kriterien formuliert, die nicht nur in Bezug auf ältere Menschen gelten:

  • Alle Nutzer*innen in ihrer Unterschiedlichkeit (Patient*innen wie auch Pflegepersonal und Ärzteschaft) müssen mitgenommen werden.
  • Die digitalen Angebote müssen sich durch ein inklusives und intuitives Design auszeichnen.
  • Die Nutzung dieser Angebote setzt zielgruppenspezifische niedrigschwellige Informationszugänge voraus. Damit verbunden müssen auch in den beteiligten Professionen verstärkt Aus-und Weiterbildungen angeboten werden.

In Bezug auf die Rahmenbedingungen wurde betont, dass diese aktuell deutlich ausbaufähig sind. So wurde in der Diskussion mehrfach darauf hingewiesen, dass Telemedizin und Assistenzsysteme in die Hilfsmittelfinanzierung aufgenommen oder hybride Finanzierungsformen getestet werden müssen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass E-Health und Telemedizin weiterhin Nischenansätze bleiben, die nur von wenigen Menschen genutzt werden und eine gewünschte Flächenwirkung ausbleibt. Als Ziel wurde die Überführung von E-Health und Telemedizin in die Regelversorgung benannt.

Ein weiterer Aspekt, der für eine Etablierung digitaler Ansätze als relevant beschrieben wurde ist die Frage der Substitution. Onlinesprechstunden und andere digitale Angebote entfalten erst eine erfahrbare Wirkung, wenn die Pflegekräfte in diesen Prozess sinnvoll eingebunden und die jeweiligen Aufgaben angepasst werden. Hier gilt es vorhanden Potentiale nutzbar zu machen und die beteiligten Akteure sinnvoll zu vernetzen.

In Bezug auf die Datennutzung wurde darauf hingewiesen, dass Standards für die flächendeckende Nutzung von E-Health und Telemedizin eine Grundvoraussetzung sind, da ansonsten keine Interoperabilität gewährleistet werden kann. Gleichzeitig muss gesichert bleiben, dass die Nutzung digitaler Angebote und damit die Preisgabe von (digitalen) Daten weiterhin freiwillig für die Nutzer*innen sein müssen. Hier bestehen Befürchtungen, dass diese Freiwilligkeit zunehmend einer (teilweise impliziten) Pflicht weicht.

In der Diskussion wurde deutlich, dass Digitales Empowerment für ältere Menschen sowie Transparenz und bundesweite Standards die zentralen Themen für eine erfolgreiche Anwendung von E-Health- und Telemedizin-Angeboten sind. Ohne diese Voraussetzungen ist ein souveräner Umgang mit den eigenen Daten nur eingeschränkt möglich und fördert die Fortschreibung von Skepsis sowie von Einzelprojekten und damit ggf. ungleichen Teilhabechancen.