Sterbebegleitung und Patientenautonomie Positionen der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege

In den Einrichtungen und Diensten der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege werden Menschen im Sterben begleitet.

In den Einrichtungen und Diensten der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege werden Menschen im Sterben begleitet.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege achten die Würde des Menschen, sein Recht auf Selbstbestimmung sowie sein Recht auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit.

Vor diesem Hintergrund formulieren die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege ihre Position zur Sterbebegleitung und Patientenautonomie.

 

Sterben

Sterben ist ein Teil des Lebens und betrifft den Menschen in allen Facetten seiner Existenz. Der sterbende Mensch und seine Umgebung können dieses Geschehen nicht vollständig kontrollieren und gestalten.

Existentielle Ereignisse im Leben eines Menschen wie Geburt oder Sterben sind Phasen im Leben, in denen der Mensch am stärksten auf Hilfe und Verantwortung anderer Menschen und der Gemeinschaft angewiesen ist. Daher ist es unmöglich, Antworten nur aus der Sicht eines oder mit Blick auf einen der Beteiligten bzw. Betroffenen zu geben.

Die Achtung des Willens und das Bemühen um das Wohl Sterbender sind gleichermaßen wichtig beim gemeinsamen Handeln. Die ethischen, sozialen und menschlichen Dimensionen des Sterbens gehen über juristische Regelungen hinaus. Menschliche Nähe, Kommunikation und Fürsorge sind wesentliche Elemente der Sterbebegleitung neben medizinischer und pflegerischer Betreuung.

Bei einer allein auf den Einzelnen fixierten Sicht wird die soziale Dimension von Sterben und Tod leicht übersehen. Sterben ist Ausdruck von Individualität und Sozialität. Deshalb tragen neben dem Sterbenden auch Angehörige, Pflegekräfte, Ärzte und ggf. Seelsorger oder andere Begleiter in diesem Prozess Verantwortung.

 

Patientenautonomie

Grundlage der Sterbebegleitung ist die Achtung der Patientenautonomie.

Die Debatte zu den Fragen der Sterbebegleitung und Patientenautonomie wird zunehmend auf juristische Fragen verengt. Die Fragen nach Rechtssicherheit können nur einen Teil der Belange Sterbender klären. Da Patientenautonomie gestützt und Verantwortung geteilt werden müssen, kann der Fokus nicht nur auf die Belange eines Beteiligten gerichtet sein.

Die Debatte um Reichweite und Bindungswirkung von Patientenverfügungen ist Ausdruck der Suche nach juristischen Lösungen der mit dem Sterben verbundenen Fragen. Das birgt die Gefahr, dass existentielle Situationen und Krisen vorwegnehmend abstrahiert und generalisiert werden, um zu möglichst eindeutigen Kriterien als Entscheidungshilfen im Falle ihres tatsächlichen Eintretens zu gelangen. Möglichst eindeutige gesetzliche Regelungen sollen dazu beitragen, den Patientenwillen zu ermitteln und in existentiellen Situationen die Patientenautonomie zu gewährleisten.

Der Patientenwille kann sich wandeln. Dies gilt insbesondere, weil existentielle Situationen verändernd wirken. Patientenverfügungen, die nicht auf die tatsächliche Situation zutreffen, können ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen. Sicherheit gibt es aber nur durch Beziehung. Prospektiv verfasste Patientenverfügungen sind Willensbekundungen, die beachtet werden müssen. Das Vorliegen von Patientenverfügungen entbindet den behandelnden Arzt nicht von der Pflicht zu prüfen, ob der bekundete Patientenwille auf die aktuelle Situation zutrifft oder sich gewandelt hat.

Auch die zugesicherte Formfreiheit von Patientenverfügungen kann die Ermittlung des Patientenwillens erschweren. Ein nicht zweifelsfrei ermittelter Patientenwille kann keine Verbindlichkeit entfalten. Der mutmaßliche Patientenwille muss sich auf individuelle Äußerungen und Indizien stützen. Lassen sich solche individuellen Anhaltspunkte nicht ermitteln, hat der Lebensschutz Vorrang.

Bei der aktuellen Debatte und den Überlegungen für gesetzliche Regelungen, müssen die verschiedenen Perspektiven und Entscheidungszwänge berücksichtigt werden. Sterbende möchten möglichst leidfrei sterben und dies ggf. vorsorglich regeln. Ärzte suchen Rechtssicherheit für ihre Handlungen und Entscheidungen und wollen ihrem Gewissen und dem ärztlichen Ethos folgen dürfen. Angehörige wollen dem Wohl des Sterbenden gerecht werden, können aber auch eigenen Interessen folgen. Vertrauenspersonen wollen den Willen des Sterbenden kennen und umsetzen. Eine Patientenverfügung kann helfen die Bedingungen für das Sterben zu verbessern, das Leid der Betroffenen und Beteiligten zu lindern und rechtliche Sicherheit herzustellen. Sie bleibt aber ein begrenztes Mittel um Krisen oder existentielle Situationen zu bewältigen.

 

Sterbebegleitung

Persönliches Vertrauen, Empathie und ein soziales Netz können helfen, mit Ängsten und Leiden im Sterben umzugehen.

Durch die Benennung einer Person des Vertrauens als Bevollmächtigte können die persönlichen Anliegen im Sinne des Sterbenden geregelt werden.

Die Erfahrungen der Hospizarbeit zeigen, dass den Bedürfnissen sterbender Menschen mit einem Spektrum an psychosozialen und palliativen Leistungen entsprochen werden kann. Betreuungsmöglichkeiten in stationären Hospizen oder ambulanten Hospizdiensten sind geeignet, Sterbenden konkrete Hilfe zu leisten und ihrer Angst vor Leiden und Sterben zu begegnen. Deshalb müssen Hospizdienste ein fester Bestandteil der medizinischen und pflegerischen Grundversorgung der Bevölkerung sein und weiter ausgebaut werden. Dazu ist eine sicherstellende Finanzierung der stationären und ambulanten Hospizarbeit notwendig. Auch in den Einrichtungen und Diensten der Pflege und der Krankenbetreuung muss dem Thema Sterben und Sterbebegleitung mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Aus- und Fortbildungen zum Thema Sterbebegleitung müssen angeboten und gefördert werden.

Zur Sterbebegleitung gehören auch die Möglichkeiten palliativmedizinischer Versorgung. Die Sicherheit einer effektiven Schmerzbekämpfung kann Ängste vor dem Sterben mildern. Die Erfahrungen der Palliativstationen zeigen, dass palliativmedizinische Versorgungen den Patienten Geborgenheit und Hilfe bieten. Das beeinflusst ihre Entscheidungen und die in Patientenverfügungen getroffenen Festlegungen.

Deshalb sind palliativmedizinische Kenntnisse auszubauen und deren Anwendung breit zu fördern. In den ambulanten und stationären Vergütungssystemen müssen palliativmedizinische Maßnahmen adäquat abgebildet werden, weil sonst die Gefahr droht, dass Patienten entsprechende Leistungen vorenthalten werden.

 

Nur wenn soziale Aufmerksamkeit, Ausbau der Hospizdienste und Weiterentwicklung der Palliativmedizin gefördert bzw. ausgebaut werden, kann der Gebrauch des Rechtsinstituts der Patientenverfügung das befördern, worauf die darin getroffenen Entscheidungen zielen: Die Achtung der Würde sterbender Menschen.