Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zum Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Änderung wehr- und zivildienstrechtlicher Vorschriften 2010 (Wehrrechtänderungsgesetz 2010 – WehrRÄndG 2010)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schafft die Bundesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen, um das in der Koalitionsvereinbarung für die 17. Legislaturperiode festgelegte Ziel, die Dienstdauer von Grundwehrdienst- und Zivildienstleistenden von neun auf sechs Monate zu verkürzen, zu erreichen.

 

A. Grundsätzliche Bewertung:

 

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schafft die Bundesregierung die rechtlichen Rahmenbedingungen, um das in der Koalitionsvereinbarung für die 17. Legislaturperiode festgelegte Ziel, die Dienstdauer von Grundwehrdienst- und Zivildienstleistenden von neun auf sechs Monate zu verkürzen, zu erreichen.

 

Die BAGFW begrüßt die Absicht einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst (siehe § 41a) einzuführen, unterstreicht aber nochmals ihre bereits mehrfach geäußerten erheblichen Bedenken bezüglich der im Gesetz vorgesehenen Umsetzung der Dienstzeitverkürzung.

 

Der Zeitpunkt der Einführung der Umsetzung der Dienstzeitverkürzung für Zivildienstleistende zum 1. Januar 2011 wird seitens der BAGFW kritisch gesehen, da den Beschäftigungsstellen aufgrund fehlender Durchführungsbestimmungen nicht hinreichend Zeit zur Vorbereitung der Umstellung eingeräumt wird.

 

Die BAGFW unterstreicht, dass sie den Zivildienst nach wie vor als Lerndienst gestalten möchte, in dessen Konzept sie die Teilnahme an einem Seminar zur Förderung der im Dienst erworbenen persönlichen und sozialen Kompetenzen für alle Zivildienstleistende als verbindliche Vorgabe für notwendig erachtet.

 

 

B. Zu den Änderungen im Einzelnen (chronologisch):

 

Artikel 3 Änderung der Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung

 

Gesetzentwurf:

Der Entwurf des WehrRÄndG sieht vor, dass Zivildienstleistende für die Dauer ihrer Erfüllung der Wehrpflicht zukünftig nur einen Urlaubstag pro Monat erhalten.

Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, dass für diejenigen welche einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst erbringen, die bisherige Regelung bestehen bleibt und dies auch für die Dienstmonate vor der Beantragung des freiwilligen zusätzlichen Zivildienstes rückwirkend gilt.

Bewertung:

Diese Regelung wird unserer Auffassung nach in der Praxis zu Anwendungsproblemen führen. Gleichzeitig ist diese Regelung mit Blick auf die Gleichbehandlung der Dienstpflichtigen problematisch.

 

Lösungsvorschlag:

Die bisherige Regelung, Zivildienstleistenden Urlaubstage entsprechend den sonstigen  Arbeitnehmer/innen zu gewähren, ist beizubehalten.

 

 

Artikel 7 Änderung des Zivildienstgesetzes

 

Abs. 3 (Aufwandszuschüsse)

 

Gesetzentwurf:

In § 6 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 wird das Wort „und“ durch das Wort „oder“ ersetzt.

 

Bewertung:

Die stärkere Gewährung von sogenannten Aufwandszuschüssen, insbesondere zum Erhalt von Zivildienststellen im unmittelbaren Dienst am Menschen zum Erhalt des Zivildienstes als Lerndienst war eine der Anregungen der Verbände und wäre ein Ansporn diese anspruchsvolleren Stellen zu erhalten. Damit soll vor allem den erhöhten Anforderungen Rechnung getragen werden.

Ob die vorgesehene Maßnahme nämlich ausreicht, um das Ziel auch tatsächlich zu erreichen, bleibt abzuwarten und muss aufmerksam beobachtet werden.

 

 

§ 41a (Freiwilliger zusätzlicher Zivildienst)

 

Gesetzentwurf:

Zivildienstleistende erhalten künftig die Möglichkeit, für drei bis sechs Monaten einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst zu leisten. Dieser freiwillige zusätzliche Zivildienst kann nur durch den Zivildienstleistenden nach dem 2. Dienstmonat beantragt werden. Während dieser „freiwilligen Dienstzeit“ befinden sich die Dienstleistenden laut Gesetzesbegründung in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis, haben gleichzeitig aber die Rechtsstellung eines Dienstleistenden, der als anerkannter Kriegsdienstverweigerer Zivildienst leistet. Demzufolge werden den Dienststellen analog der vorhergehenden sechsmonatigen Dienstzeit die Geld- und Sachbezüge im bisherigen Umfang erstattet.

 

Bewertung:

Mit der Einführung eines freiwilligen zusätzlichen Zivildienstes wird dem Vorschlag der Verbände entsprochen, wonach der Gesetzgeber aufgefordert wird, Maßnahmen zu entwickeln, auf deren Grundlage betroffene junge Männer ohne weitere Nachteile zu erleiden die sogenannte biografische Lücke schließen können, die möglicherweise durch die neuerliche Dienstzeitver-kürzung entstehen kann. Mit dem zusätzlichen freiwilligen Zivildienst schafft der Gesetzgeber ein völlig neues Element. Die Auswirkungen dieses neuen Elements sind in den ersten 12 Monaten nach in Kraft treten dieses Gesetzes so zu evaluieren, dass mögliche unbeabsichtigte Wirkungen des zusätzlichen freiwilligen Zivildienstes erkannt und abgestellt werden. Ein Aspekt der Evaluation könnte auch die Prüfung sein, ob Zivildienstleistenden mit Blick auf im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr zur Verfügung stehende Bundesmittel ein zusätzlicher freiwilliger Zivildienst verwehrt wird.

 

Die BAGFW regt an, einen freiwilligen zusätzlichen Zivildienst von ein bis sechs Monaten zu ermöglichen. Diese Zeit ist auch im Sinne des sozialen Lerndienst zu gestalten.

 

Lösungsvorschlag:

Für die im Rettungsdienst (TG 08) einzusetzenden Zivildienstleistenden ist aufgrund der besonders langen Ausbildungszeiten eine Sonderregelung erforderlich bzgl. des Zeitpunktes des Antrags auf den freiwilligen zusätzlichen Zivildienst.

 

 

§ 81a (Übergangsvorschrift)

 

Gesetzesentwurf:

Der Entwurf sieht in Bezug auf die Förderbedingungen im Zusammenhang mit dem § 14c Abs. 4  vor diese zu verändern.

 

Bewertung:

Die grundsätzliche Veränderung wird Seitens der Verbände begrüßt bzw. ist von ihnen auch angeregt worden. Allerdings wäre in diesem Zusammenhang unserer Auffassung nach eine  „Vertrauensschutzregelung“ im Sinne einer Übergangsregelung dringend erforderlich.

Juristische Prüfungen, den Tatbestand des Vertrauensschutzes geltend zu machen, werden bei einzelnen Vertragspartnern daher derzeit sondiert.

 

Lösungsvorschlag:

Die Änderung des § 14c ist beizubehalten, aber mit einer Übergangsregelung zu versehen.

 

 

Artikel 9 Änderung des Dritten Zivildienstgesetzänderungsgesetzes

 

Gesetzentwurf:

Die Artikel 7 und 8 Absatz 2 des 3. Zivildienständerungsgesetzes vom 14. Juni 2009 sollen aufgehoben werden.

 

Bewertung:

Die Artikel 7 und 8 Absatz 2 des 3. Zivildienstgesetzänderungsgesetzes sehen vor, dass ab dem 01. Januar 2011 alle Zivildienstleistenden, unabhängig von ihren Tätigkeiten, verbindlich an einem Seminar zur Vertiefung der im Dienst erworbenen persönlichen und sozialen Kompetenzen teilnehmen.

Die BAGFW hat wiederholt betont, dass sie auch unter veränderten Rahmenbedingungen daran festhält, dass der Zivildienst als Lerndienst auszugestalten ist. Die BAGFW begrüßt deshalb ausdrücklich, dass auch die Bundesregierung an diesem Ziel grundsätzlich festhält, welches auch mit den vorhandenen Ressourcen umgesetzt werden kann.

Im Gesetzgebungsverfahren zum 3. ZDGÄndG wurde mit Erfolg argumentiert, dass gerade das Seminar zur Vertiefung der im Dienst erworbenen persönlichen und sozialen Kompetenzen ein Kernstück des Lerndienstkonzepts ist, an dem jeder Zivildienstleistende unabhängig von den jeweiligen Tätigkeiten, teilnimmt.

Es ist auch unter den veränderten Rahmenbedingungen der Dienstzeitverkürzung sowohl für die Zivildienstleistenden wünschenswert und letztlich auch im Interesse der Einsatzstellen, dass alle Zivildienstleistende diese Seminare besuchen. Wegen der Dienstzeitverkürzung wird es den Dienststellen aber immer schwerer fallen, zusätzliche Abwesenheitszeiten der Zivildienstleistenden zu kompensieren. Deshalb ist die Beibehaltung einer gesetzlichen Verpflichtung auch weiterhin sinnvoll.

Seit der Veröffentlichung des 3. ZDGÄndG zum 14. Juni 2009 arbeiten die Lehrgangsveranstalter an einer (stufenweisen) Umsetzung des Gesetzes, dass das Seminar zur Vertiefung der im Dienst erworbenen persönlichen und sozialen Kompetenzen in diesem Jahr als freiwilliges Angebot und ab dem 01. Januar 2011 als verbindliche Maßnahme realisiert werden kann.

Die Verbände unterstreichen zudem ihre kritische Einschätzung der Angebote zur politischen Bildung in der bestehenden Form. Die Verbände haben in ihren jeweiligen Stellungnahmen zur Gestaltung der Rahmenbedingungen bei einer Dienstzeitverkürzung ausführlich dargelegt, wie dem Anliegen der politischen Bildung für junge Männer, insbesondere für die im unmittelbaren Dienst am Menschen eingesetzten Zivildienstleistenden eine Kombination mit den Seminarformen zur „Vertiefung der im Dienst erworbenen persönlichen und sozialen Kompetenzen“ und dem „Seminar zu speziellen Fachthemen“, durch die Umsetzung eines integrierten Begleitkonzeptes Rechnung getragen wird, bei dem alle Akteure im Zivildienst entsprechend ihrem Auftrag bestimmte Anteile gemäß vertraglicher Regelungen übernehmen.

 

Lösungsvorschlag:

Artikel 9 des WehrRÄndG wird ersatzlos gestrichen und das 3. Zivildienstgesetzänderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.Juni 2009 bleibt unverändert in Kraft.

 

 

C. Über den Gesetzentwurf hinaus gehender Regelungsbedarf:

 

Die BAGFW hat sich zur Bezuschussung von Seminaren verschiedentlich geäußert. Im sogenannten Dualen System sind die Verbände für die fachliche Schulung und Qualifizierung der bei ihnen eingesetzten Zivildienstleistenden selbst verantwortlich. Vor allem bei den anspruchsvollen Tätigkeiten im unmittelbaren Dienst am Menschen müssen die Dienststellen in der Regel erhebliche Eigenbeiträge erbringen. Dagegen müssen Dienststellen im nicht verbandlichen Bereich, deren Zivildienstleistende an den staatlichen Zivildienstschulen fachlich auf ihre Tätigkeiten vorbereitet werden, keine eigenen finanziellen Beiträge leisten. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt. Sie ist daher aufzuheben. Dies würde es den Einrichtungen erleichtern, auch unter deutlich ungünstigeren Bedingungen auch künftig insbesondere für einen Lerndienst maßgebliche Zivildienstplätze im erforderlichen Umfang anzubieten.