Erwartungen der BAGFW für ein soziales Europa

4. September 2023 in Brüssel, Veranstaltungsreihe
Das Foto zeigt die Abendveranstaltung zur Europäischen Säule sozialer Rechte

Anlässlich der BAGFW-Mitgliederversammlung in Brüssel am 4. und 5. September 2023 haben eine Reihe von Veranstaltungen zu sozialpolitischen Themen in der gemeinsamen Vertretung der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino in Brüssel stattgefunden. Die Vertreter:innen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege (FW) nutzten die Diskussionen, um der europäischen Politik ihre Forderungen und Erwartungen zu verdeutlichen. Für die BAGFW und ihre Mitgliedsverbände war die Veranstaltungsreihe eine wichtige Möglichkeit, um mit politischen Entscheidungsträger:innen auf europäischer Ebene und Akteuren der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen. Vor dem Hintergrund, dass im Juni 2024 die zehnte direkte Wahl des Europäischen Parlaments stattfindet und in Deutschland erstmals Bürger:innen ab 16 Jahren ein aktives Wahlrecht haben, setzt sich die BAGFW verstärkt für eine sozialere Europäische Union und insbesondere eine stärkere Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte (ESSR) ein.

Am Vormittag trafen sich die Präsident:innen der Spitzenverbände der FW mit dem Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), Oliver Röpke. In dem Gespräch wurde deutlich, dass die Verbände der FW es einerseits begrüßen, dass mit Vorschlägen zu Stärkung der Sozialwirtschaft die Wichtigkeit sozialer Dienstleistungserbringer in der gesamten EU stärker in den Vordergrund gerückt werden soll. Die Vertreter:innen merkten jedoch an, dass dies nicht dazu führen sollte, dass funktionierende Systeme wie bspw. das der deutschen Gemeinnützigkeit mit einem wachsenden (unfairen) Wettbewerb mit privat-gewinnerbringenden Trägern aus der gesamten EU konfrontiert werden.

EU-Migrations- und Asylpaket:
BAGFW fordert, die Menschenrechte zu wahren

Am Mittag starteten die (Haupt)Veranstaltungen mit einem runden Tisch zum erwarteten EU-Migrations- und Asylpaket, bei dem vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen die Frage, wie die Situation von Geflüchteten gezielt verbessert werden kann, diskutiert wurde. Moderiert wurde der runde Tisch von Prof. Dr. Bernd Schlüter, Mitglied des EWSA. Aus dem Europäischen Parlament nahm Lena Düpont (CDU) teil und plädierte für eine gemeinsame Abstimmung aller Verordnungen des neuen Pakts. Steffen Feldmann, Vorstand Finanzen und Internationales beim Deutschen Caritasverband, vertrat die Position der deutschen Wohlfahrtspflege und betonte die Wahrung der Menschenrechte und forderte eine umfassende Entlastung der EU-Außengrenzen. Mitglied des deutschen Bundestages Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) beleuchtete u. a. die Perspektive des Fachkräftemangels. Von der Europäischen Kommission waren Franz Lamplmair, Special Advisor, und Anna Schmidt, Policy Officer, aus der Generaldirektion Migration und Inneres zugegen. Sie berichteten u. a. über die Arbeit der Kommission vor Ort in Griechenland.

Stärkung der Not-for-Profit-Social-Economy: BAGFW betont die Besonderheiten des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts

Nachmittags wurde das Thema der Not-for-Profit-Social Economy in der EU aufgegriffen. Wie diese gestärkt werden und geplante EU-Maßnahmen in der Praxis funktionieren können, wurde bei einem zweiten runden Tisch diskutiert. Mitglied des Europäischen Parlaments, Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/Die Grünen), gab Aufschluss zu seinem Initiativbericht zu einem möglichen europäischen Vereinsrecht. Giada Negri, Koordinatorin für Research und Advocacy des European Civic Forums, beleuchtete die Position der Zivilgesellschaft in Europa. Dr. Joß Steinke, Bereichsleiter Jugend und Wohlfahrtspflege vom Deutschen Roten Kreuz, vertrat die Position der deutschen Wohlfahrt und brachte die Sorgen der Verbände an. Von der Europäischen Kommission waren Anna Athanasopoulou, Head of Unit, und Karel Vanderpoorten, Policy Officer, aus der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU anwesend und erläuterten die geplanten legislativen Maßnahmen der EU.

Abendveranstaltung zur Europäischen Säule sozialer Rechte: BAGFW fordert die konsequente Umsetzung des Aktionsplans

Bei der öffentlichen Abendveranstaltung zur Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) wurden die Gäste durch Dr. Richard Seeber, Leiter der Tiroler Landesvertretung, begrüßt. Oliver Röpke, Präsident des EWSA, betonte in seiner Keynote, dass die aktuellen Herausforderungen im sozialen Bereich nur mit Innovation und einer engen Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft einschließlich Sozialpartnern sowie politischen Akteuren in den Mitgliedstaaten und der EU bewältigt werden können. Die darauffolgende Podiumsdiskussion wurde von BAGFW-Geschäftsführer Dr. Gerhard Timm moderiert. Wie die Ziele des Aktionsplans zur ESSR erreicht werden sollen, war die Fragestellung, die von Michael Groß, Präsident BAGFW und AWO, Özlem Demirel, MdEP, Joost Koorte, Generaldirektor der Generaldirektion Beschäftigung und Soziales der Kommission und Anna Kwiatkiewicz, Senior Advisor bei BusinessEurope, diskutiert wurde. Während Michael Groß dafür plädierte, das Aufstiegsversprechen der Gesellschaft umzusetzen und den Menschen wieder Hoffnung zu geben, indem das soziale Europa gestärkt wird, sprach sich Özlem Demirel für eine Wirtschaft, die den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird, aus. Joost Korte machte darauf aufmerksam, dass mehr in Menschen investiert werden müsse. Anna Kwiatkiewicz hob die Rolle des sozialen Dialogs und der Sozialpartner hervor, forderte jedoch nationale Kompetenzen nicht anzutasten.