Jahresbericht 2022 des Fachausschusses Gemeinnützigkeit und Steuern

Vorsitz: Frank Hofmann, Diakonie Deutschland

Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts

Mit dem Jahressteuergesetz 2020 erfolgten Reformen im Gemeinnützigkeitsrecht. Daraus ergaben sich, insbesondere nach den Auslegungshinweisen der Verwaltungsvorschriften des BMF zur Abgabenordnung (AO) für die Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege zu einzelnen Regelungen in Bezug auf Rechtsklarheit und Rechtssicherheit Bedenken. Mit Schreiben vom 12.01.2022 wurde der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) erneut aktualisiert. Die erfolgte Klarstellung der Finanzverwaltung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften ist zu begrüßen. Demnach können gemeinnützige Organisationen sich im Rahmen ihrer satzungsmäßigen Zwecke auch politisch betätigen und darüber hinaus gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen, ohne die Gemeinnützigkeit zu gefährden.

Erleichterungen erfolgten ebenfalls zu der von der BAGFW kritisierten Verwaltungsregelung zu Kooperationen (§ 57 Abs. 3 AO). Die Finanzverwaltung hält aber am doppelten Satzungserfordernis fest. Die aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege bestehende Überinterpretation des Gesetzes wurde nicht beseitigt. Die derzeitige Regelung ist unpraktikabel, eine Änderung ist weiter anzustreben. Mit der erfolgten Aufnahme eines Bagatellvorbehaltes in den AEAO bei kleineren Verstößen gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Regelungen erhöht sich die Rechtssicherheit für die gemeinnützigen Einrichtungen in der Freien Wohlfahrtspflege.

Nach den Erfahrungen spendensammelnder gemeinnütziger Organisationen in der Fluthilfe bestehen Unklarheiten im Hinblick auf die Bedürftigkeitsprüfung bei der Spendenauszahlung an Geschädigte. Diese führen teilweise zu zeitverzögerten Auszahlungen. Der Fachausschuss hat die entsprechenden Regelungen in der Abgabenordnung identifiziert und beabsichtigt Vorschläge zur Neuformulierung (§ 53 Abs. 2) zu erarbeiten.


Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts

Die Koalitionäre haben in der laufenden Legislaturperiode eine weitere Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechtes geplant. Der Fachausschuss hat die bestehenden rechtspolitischen Vorschläge der Freien Wohlfahrtspflege, insbesondere im Gemeinnützigkeits- und Umsatzsteuerrecht überarbeitet und den Änderungsbedarf begründet.

Darüber hinaus sind die derzeit bestehenden Regelungen zur Bewertung und Besteuerung einer Sachspende kompliziert, bürokratisch und führen teilweise dazu, dass sich für den potentiellen Spender die Vernichtung von spendentauglichen Gütern, im Vergleich zu einer Spende wirtschaftlich günstiger darstellt. Diese Wirkung ist zu vermeiden. Die Koalitionäre haben hierzu Handlungsbedarf im Koalitionsvertrag erkannt. Der Fachausschuss hat einen rechtspolitischen Vorschlag zu einer Neuregelung durch Ergänzung von § 3 Abs. 1b Nummer 3 Umsatzsteuergesetz erarbeitet und begründet.

Ebenso hat sich der Fachausschuss mit dem von der BAGFW-Finanzkommission erstellten Positionspapier „Für Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt - Vorrang der #Gemeinnützigkeit – Anregung für ein Reformpaket“ befasst und hierzu seine fachlichen Rückmeldungen gegeben.

 

EU-Mindeststandards im Vereinsrecht

Durch das Europäische Parlament wurden der EU-Kommission Vorschläge für ein Statut eines „Europäischen Vereins“ sowie für Mindeststandards für Organisationen ohne Erwerbszweck in der Europäischen Union vorgelegt. Vor der Erarbeitung eines legislativen Vorschlages wurde durch die EU-Kommission eine Konsultation anberaumt. Die Rechtsform des eingetragenen Vereins ist die häufigste Rechtsform in der Freien Wohlfahrtspflege. Die vorgeschlagenen Regelungen zur Organisation ohne Erwerbszweck haben bei Umsetzung Einfluss auf das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht. Der Fachausschuss hat gemeinsam mit dem Europaausschuss zu erwartende Auswirkungen aus den geplanten Maßnahmen für die Freie Wohlfahrtspflege analysiert und eine Stellungnahme erarbeitet. Vorschläge zur Stärkung eines größeren zivilgesellschaftlichen Zusammenhalts in Europa, die Vereinfachung von grenzüberschreitenden Projekten sowie der Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten werden begrüßt. Vorschläge für Mindeststandards im Gemeinnützigkeitsrecht sind in der derzeitigen Form abzulehnen, da diese zu Wettbewerbsnachteilen der gemeinnützigen Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege im Vergleich zu anderen nicht gemeinnützigen Organisationen ohne Erwerbszweck führen.