Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW) zum Sachleistungsprinzip im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode des Deut-schen Bundestages wurde vereinbart, das Asylbewerberleistungsgesetz im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip zu evaluieren.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages wurde vereinbart, das Asylbewerberleistungsgesetz im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip zu evaluieren. Die BAGFW bedankt sich für die Gelegenheit, die Erfahrungen der Wohlfahrtsverbände mit dem Sachleistungsprinzip dem BMAS mit der folgenden Stellungnahme darlegen zu können. Wir haben dazu eine Umfrage zu den Erfahrungen in unseren Einrichtungen durchgeführt und die Ergebnisse ausgewertet.

 

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände haben seit der Verabschiedung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) im Jahre 1993 das Gesetz grundsätzlich abgelehnt und in seinen Kernpunkten kritisiert. Insbesondere wurden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geäußert und deutlich gemacht, warum das AsylbLG die soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung der Flüchtlinge fördert. Zentrale Kritikpunkte waren dabei die Höhe der Leistungen, der Einbezug immer weiterer Personenkreise in das AsylblG, die sukzessive Verlängerung der Bezugsdauer von ein auf vier Jahre[1], in denen die betroffenen Flüchtlinge lediglich die abgesenkten Leistungen nach §3 AsylblG erhalten sowie das Sachleistungsprinzip.

 

Die im AsylbLG enthaltenen Regelsätze gelten seit ihrer Einführung im Jahre 1993 unverändert. Eine Anpassung an die im selben Zeitraum um etwa 25% gestiegenen Lebenshaltungskosten hat nie stattgefunden. Die Regelsätze liegen mittlerweile um ca. 36% unter dem in SGB II und SGB XII festgesetzten Existenzminimum. Die Bundesregierung hat diesen niedrigen Leistungssatz damit gerechtfertigt, dass die Anspruchsberechtigten aufgrund ihrer unklaren Aufenthaltsperspektive keinen sozialen Integrationsbedarf hätten. Seinerzeit sollte das Leistungsrecht abstellen auf die Bedürfnisse eines in der Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalts, beschränkt auf die Dauer der Durchführung des Asylverfahrens bzw. einer kurzen Duldungsfrist. Personen, die ein „verfestigtes Bleiberecht“ haben waren explizit ausgenommen (Bundestagsdrucksache 14/4451)[2]. In der Gesetzesbegründung von 1993 wurde
eine Einschränkung für einen Zeitraum von zwölf Monaten als verhältnismäßig angesehen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum diese Verhältnismäßigkeit sich heute auf 48 Monate erstrecken soll. Die durchschnittliche Bezugsdauer von Leistungen nach dem AsylblG beträgt mittlerweile ca. drei Jahre und betroffen sind nicht nur Personen während der Dauer des Asylverfahrens, sondern auch Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

 

Darüber hinaus sind die ursprünglichen Gründe für die Einführung des AsylbLG entfallen. Die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Zuge des Asylkompromisses 1993 wurde durch die hohe Zahl von Asylsuchenden begründet und dem Bedarf, hier angebliche leistungsrechtliche Anreize für die Einreise nach Deutschland zu minimieren. Die Zahl der Asylanträge ist gegenüber 1993 um ca. 95% gesunken, wodurch dieses Argument nicht mehr aufrecht erhalten werden kann.

 

Für die Einführung des AsylbLG war jedoch nicht nur die Zahl der Asylantragsteller legitimierend, sondern auch, dass in etwa 95% aller Asylanträge keine Asylberechtigung anerkannt wurde. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass es der leistungsrechtlich typische Regelfall sei, „dass dieser Personenkreis keinen ausländer-rechtlichen Grund für einen Aufenthalt in Deutschland besitzt“ (Bundestagsdrucksache 12/4451, S.7). Für Personen mit rechtmäßigen Aufenthaltstiteln zum Beispiel nach § 25 Abs. 5 ist evident nicht zutreffend, dass sie keinen ausländerrechtlichen Grund für ihren Aufenthalt hätten. Auch die Entwicklung der Anerkennungspraxis bzw. der Schutzquote sprechen gegen die oben genannte These: Die Ablehnungen von Asylanträgen beruhte damals vor allem auf der restriktiven Anerkennungspraxis und der unzureichenden Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention. In den letzten Jahren lag die Gesamtschutzquote bei über einem Drittel der Antragsteller Darüber hinaus zeigt sich in den Herkunftsländern der Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG, dass diese Herkunftsländer sämtlich Regionen sind, in denen Menschenrechtsverletzungen stattfinden oder stattgefunden haben. Es ist daher anzunehmen, dass die meisten dieser Personen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen nach Deutschland eingereist sind und nicht wegen der Sozialleistungen.

 

Die BAGFW lehnt das AsylbLG insgesamt als Sonderregelung außerhalb des SGB ab und hält es für verfassungswidrig[3]. Das Existenzminimum aus ordnungspolitischen Interessen zu kürzen, mit dem Ziel die Bereitschaft zur Rückkehr zu fördern bzw. einen angeblichen Pull-Effekt zu verringern, wird von der BAGFW abgelehnt. Diese Ablehnung schließt den in § 3 AsylbLG geforderten Vorrang der Sach- vor Geldleistungen, also das Sachleistungsprinzip ein.

 

Die folgende ausführlichere Befassung mit dem Sachleistungsprinzip muss in diesem Gesamtzusammenhang gesehen werden. Um die Wirkung des Sachleistungsprinzips für die betroffenen Flüchtlinge richtig einschätzen zu können, sind darüber hinaus weitere, sich aus dem AsylbLG ergebende Restriktionen zu berücksichtigen. Insbesondere trifft dies auf die medizinischen Leistungen nach § 4 und die sonstigen Leistungen nach § 6 AsylblG sowie andere die Lebensbedingungen der Flüchtlinge einschränkende Aspekte wie die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot zu. In Kombination von Sachleistungsprinzip und Arbeitsverbot werden Asylsuchende an sinnvoller und vor allem sinnstiftender Beschäftigung gehindert. Entsprechend Ihrer Anfrage werden wir jedoch auf diese Wechselwirkungen nicht näher eingehen.

 

 

Die unterschiedliche Anwendung des Sachleistungsprinzips  

 

Bevor die Kritik präzisiert wird, soll die Anwendung des Sachleistungsprinzips nach den Erfahrungen der Einrichtungen der in der BAGFW zusammengeschlossenen Verbände kurz beschrieben werden. Verwiesen wird zudem auf die Antwort der Bundesregierung vom 10. November 2010 auf eine entsprechende Anfrage der Fraktion Die Linke[4].

 

Die Regelleistungen (Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und Analogleistungen nach § 2 AsylbLG) werden in der Bundesrepublik insgesamt überwiegend als Sachleistungen gewährt, wobei die Geldleistungen vor allem auf die Leistungen analog SGB XII nach § 2 AsylbLG zurückzuführen sind. Bei der Anwendung des Sachleistungsprinzips gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den Bundesländern und Kommunen innerhalb der Bundesländer. Teilweise ist dies in den Aufnahmegesetzen der einzelnen Bundesländer festgelegt, teilweise sind die Kommunen frei, zu entscheiden, inwiefern sie das Sachleistungsprinzip anwenden. Dies hat zur Folge, dass Personen in der gleichen aufenthaltsrechtlichen Situation innerhalb Deutschlands einen völlig unterschiedlichen Zugang zu bestimmten Leistungen und insbesondere der Form der Bewilligung (Sachleistungen, Wertgutscheine oder Geldleistungen) haben. Für die Betroffenen hängt es in hohem Maße davon ab, in welche Kommune sie „verteilt“ werden. Dabei handelt es sich um erhebliche Unterschiede, die aus Sicht der BAGFW nicht vertretbar sind.

 

Im Wesentlichen – insofern dies aufgrund der großen Unterschiede verallgemeinerbar ist - stellt es sich so dar, dass die Grundleistungen nach § 3 AsylblG als Sachleistungen plus 40,90 Euro in bar (sog. Taschengeld) gewährt werden, die Leistungen nach § 2 entsprechend SGB XII bis auf die Gemeinschaftsunterkunft als Geldleistungen und die unabweisbaren Leistungen nach § 1a AsylbLG ausschließlich als Sachleistung bzw. plus Halbierung des Taschengelds auf 20,45 Euro monatlich.

 

Durchweg wird in den ersten drei Monaten des Aufenthalts in den Erstaufnahmeeinrichtungen das Sachleistungsprinzip angewendet, zum großen Teil aber auch wesentlich länger. Tendenziell ist zu beobachten, dass in den Kommunen eher Geld anstelle von Sachleistungen angeboten wird. Dies hängt auch damit zusammen, dass in den Kommunen häufiger Leistungen analog SGB XII nach der Vorbezugszeit entsprechend § 2 gewährt werden. Jedoch wird beispielsweise in Bayern auch bei Analogleistungen in rechtswidriger Weise das Sachleistungsprinzip angewendet. Dass heißt, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts erhalten alle Personen nach § 1 AsylbLG Sachleistungen. Auch bei der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung wird die Erlaubnis zur privaten Wohnsitznahme nicht unbedingt erteilt. Wenn doch, dann muss diese Person bei Arbeitslosigkeit wieder in eine Gemeinschaftsunterkunft ziehen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern werden bei Analogleistungen nur Sachleistungen gewährt, wenn der Leistungsempfänger aus Sicht des Sachbearbeiters „unwirtschaftlich“ mit Barmitteln umgeht (vgl. auch Bundestagsdrucksache 17/3660, S. 35). Dagegen ist es in Berlin möglich, schon vor Ablauf der ersten drei Monate in eine Wohnung zu ziehen, insofern sie kostengünstiger ist, und teilweise ist das Sachleistungsprinzip auch für Empfänger nach § 1a AsylbLG aufgehoben.

 

Vom Sachleistungsprinzip kann an einiger Orten nur im Ausnahmefall abgewichen werden, z.B. wenn eine medizinische Indikation dies dringend erfordert. Wenn die Gewährung von Sachleistungen nicht möglich ist, wird geprüft, ob Wertgutscheine den Zweck erfüllen. Teilweise werden Geldleistungen nur gewährt. wenn die Versorgung mit Wertgutscheinen auch nicht möglich ist, Insofern Geld- statt Sachleistungen gewährt werden, betrifft dies meist nur Nahrungsmittel. Unterkunft, Bekleidung und Hygieneartikel werden dann weiterhin als Sachleistung oder in Form von Wertgutscheinen gewährt.

 

Teilweise wird Kleidung nur aus Kleiderkammern gewährt, wobei die Auswahl entsprechend der Größe der Kleiderkammer eingeschränkt ist und gebrauchte Haushaltsgeräte nur leihweise.

 

Die schon reduzierten Leistungen sind für Personen, die der Leistungseinschränkung nach §1a AsylbLG unterliegen, weil die Gründe für ihre längere Aufenthaltsdauer in ihrer Verantwortungssphäre gesehen werden – „ein ihm selbst individuell anzulastendes Verhalten muss nicht vorliegen“ (Bundestagsdrucksache 17/3660, S. 14) – besonders problematisch. Die Betroffenen verfügen oft über keine Barmittel, um persönliche Bedürfnisse zu befriedigen oder beispielsweise alte Schulden zu bezahlen oder ähnliches, was sie in eine sehr schwierige Situation bringen kann.  

 

 

Kritik am Sachleistungsprinzip aus der Erfahrung der Beratungspraxis

 

Die Kritik der BAGFW am Sachleistungsprinzip lässt sich zusammenfassend wie folgt darstellen:

 

1. Die dauerhafte Anwendung des Sachleistungsprinzips ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, es ist diskriminierend und integrationsfeindlich. Zudem sind Sachleistungen oft von minderer Qualität und nicht auf die Bedürfnisse der Bezieher abgestimmt.

 

2. Das Sachleistungsprinzip ist teuer und verwaltungsaufwändig.

 

  1. Die dauerhafte Anwendung des Sachleistungsprinzips ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar

 

Zur Würde des Menschen in Verbindung mit der persönlichen Freiheit gehört die Selbstbestimmung. Dies bezieht sich auch darauf, wie man wohnt, isst und sich kleidet. Der Mensch definiert sich auch durch die Form des Essens, Kleidens und Wohnens als Subjekt und schafft damit eine eigene Individualität und Identität. Formen des Essens, Kleidens und Wohnen sind Ausdruck von Zugehörigkeit oder Ausschluss. Sie konstituieren einen wesentlichen Teil von Gesellschaft und Kultur und sind nonverbale Kommunikationsmittel. Die dauerhafte Versorgung mit Sachleistungen beeinträchtigt die Lebensplanung und das Selbstbestimmungsrecht von Anspruchsberechtigten in erheblichem Maße. Das Sachleistungsprinzip verletzt die Würde von Menschen, schränkt die persönliche Freiheit der Betroffenen unverhältnismäßig ein und stellt damit aus Sicht der Wohlfahrtsverbände einen Eingriff in elementare Grundrechte dar.

 

Für Menschen, die aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalts nicht sichern können oder nicht dürfen, wird das notwendige Existenzminimum zur Verfügung gestellt. Es ist für die Betroffenen dabei notwendig, ein Gesamtbudget, das statistisch berechnet sein mag, entsprechend der persönlichen Bedürfnisse einteilen zu können – also die Verteilung von Mitteln für Wohnen, Essen, Kleidung und anderer existentiellen Bedürfnisse individuell zu bestimmen. Dies wird durch das Sachleistungsprinzips außer Kraft gesetzt wird.

 

Die Erfahrung in den Einrichtungen der in der BAGFW zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände ist: Die Gewährung gekürzter Leistungen gemäß AsylbLG, insbesondere die Gewährung von Sachleistungen verschärft die ohnehin schwierige psychosoziale Lage der Betroffenen.

 

Das Sachleistungsprinzip hat sich aufgrund seines stigmatisierenden und den Sonderstatus der Anspruchsberechtigten verfestigenden Charakters darüber hinaus als integrationsfeindlich erwiesen. Es hat zur Folge, dass die Betroffenen später als anerkannte Flüchtlinge oder als Bleibeberechtigte größere Hürden bei der Integration überwinden müssen.

 

 

1.1   Die einzelnen Sachleistungen

 

Wenn auch die Umsetzung des Sachleistungsprinzips sehr unterschiedlich ist, gibt es zentrale Kritikpunkte, die sich auf die Unterkunft, Essen/Nahrungsmittel, Kleidung und Gesundheits- bzw. Hygieneartikel beziehen.

 

Unterkunft

Das Zusammenwohnen unterschiedlichster Menschen in einem Wohnheim über einen längeren Zeitraum schränkt die persönliche Freiheit erheblich ein. Eine Privatsphäre ist meist nicht vorhanden. Unterschiedlichste Formen der Alltags- und Lebensgestaltung treffen hier unvermittelt aufeinander und führen zu sozialem Stress. Dieser Stress ist insbesondere für Menschen mit psychischen Problemen und Traumata unerträglich. Insbesondere Frauen und Kinder sind von Belästigungen anderer Bewohner betroffen. Viele Menschen teilen sich eine Gemeinschaftsdusche und -toilette, die teilweise nicht einmal abschließbar sind,.

 

Es gibt oft nur Gemeinschaftsküchen, die für eine intensive Nutzung nicht geeignet sind. Aufgrund der hohen Belegungszahl wurden teilweise Schädlingsbekämpfungsmittel versprüht, die zu Atemwegserkrankungen gerade bei Babys, Kleinkindern und alten Menschen führen können. Die Räume sind häufig sehr klein. Standards von ohnehin engen sechs Quadratmetern pro Person gelten nicht überall. Mangels geeignetem Mobiliar fehlen in der Regel Lernmöglichkeiten für Kinder. Es gibt oft nur einen kleinen Tisch, an dem die ganze Familie ihre Mahlzeiten einnimmt, Hausaufgaben erledigt oder Babys gewickelt werden müssen. Auch Stühle fehlen, so dass regelmäßig die Betten als Sitzgelegenheit genutzt werden müssen, insbesondere, wenn Besuch da ist.

 

Viele Gemeinschaftsunterkünfte weisen darüber hinaus Baumängel und Schäden auf: Kaputte Wände und Böden bergen Verletzungsgefahren. Teilweise funktionieren die Heizungen nicht oder sind nicht regulierbar, so dass es zu Erkrankungen kommt. Gemeinschaftsunterkünfte sind oft in Leichtbauweise erbaut. Durch die fehlende Schalldämmung und die starke Belegung haben sie einen hohen Lärmpegel.

 

Dagegen fehlen in den Gemeinschaftsunterkünften häufig Sachleistungen, die der Gemeinschaft zugute kämen: Es fehlen Gemeinschaftsräume, wo Begegnung stattfinden, gemeinsam Deutsch gelernt oder gespielt werden kann. Räume für gemeinsame Veranstaltungen und religiöse Praktiken sind nicht vorhanden oder viel zu klein. Die Betreuung von Kindern, wo sie in ihrem oft tristen Alltag Anregung erfahren können, ist – soweit vorhanden - beschränkt auf wenige Stunden.

 

Verstärkt wird die Problematik der Unterkünfte dadurch, dass diese häufig am Stadtrand oder vollkommen isoliert auf dem Land bzw. fernab des Stadtgebiets liegen. Erledigungen wie zum Beispiel Einkaufen oder Arztbesuche werden dadurch sehr aufwändig oder durch fehlende Gelder für öffentliche Verkehrsmittel unmöglich. So bezahlt das Sozialamt teilweise nur Fahrten zur Ausländerbehörde (mit Vorlage der Einladung). Außer für Behördengänge werden in der Regel keine Tickets bezahlt.

 

Verschärft werden die Probleme in den Gemeinschaftsunterkünften häufig dadurch, dass aufgrund der unzureichenden Kostensätze keine angemessene Sozialberatung in den Unterkünften gewährleistet ist. In der Antwort der Liga Hessen auf die Anfrage der BAGFW zur Evaluation des Sachleistungsprinzips im Asylbewerberleistungsgesetz vom 25. Oktober 2010 heißt es:

„Insgesamt lässt sich sagen, dass die Finanzierung (des Betriebs einer Gemeinschaftsunterkunft, Anmerkung der Verfasser) mit den jetzigen Tagessätzen nicht ausreichend ist, um die Qualitätsstandards für die Unterbringung mit sozialpädagogischer Begleitung aufrecht zu erhalten. Würde die tägliche Arbeit in der Unterkunft wegfallen, würde ein entscheidender Faktor der Begleitung fehlen und ebenso die Kosten für alle anderen Bereiche ansteigen, da es auch zu den Aufgaben der Sozialarbeiter gehört, für die Ordnung und den reibungslosen Ablauf des Lebens in der Gemeinschaftsunterkunft Sorge zu tragen“. Vermutlich wären die derzeit realen und vor allem betriebswirtschaftlich beeinflussten Kosten einer Gemeinschaftsunterkunft deutlich höher, wenn man angemessene sozialarbeiterische und -betreuerische Standards einführen würde. Dadurch entstehender Mehraufwand ließe sich jedoch auf lange Sicht durch Einsparungen bei den Folgekosten wieder auffangen.

 

Nahrungsmittel

Die Selbstbestimmung bezüglich des Essens ist ein elementares Grundbedürfnis des Menschen. Dies bezieht sich auf die Auswahl der Nahrungsmittel, ihre Zubereitung und die Zeit, wann Mahlzeiten eingenommen werden – es geht nicht allein um das Stillen von Hunger. Diese Freiheit über Monate und Jahre vorzuenthalten, ist unverhältnismäßig. Auch die teilweise Berücksichtigung der zentralen religiösen Vorschriften in der Zusammenstellung von Essenspaketen schafft keine Abhilfe.

 

Zudem werden bei der Zusammenstellung der Essenspakete oftmals Unverträglichkeiten der Betroffenen auf bestimmte Nahrungsmittel nicht beachtet bzw. Alternativen werden nicht angeboten. Mitunter führt auch das vorgegebene Sortiment zu Problemen: So wird des Öfteren auch für Muslime Schweine- statt z.B. Lammfleisch geliefert. Die in der Regel normierten Essenspakete werden somit den vielfältigen kulturellen und individuellen Bedürfnissen der Empfänger häufig nicht gerecht.

 

Zudem sind bei den in Essenspaketen ausgegebenen Lebensmitteln immer wieder mangelnde Qualität, Frische und Vielfalt der gewährten Nahrungsmittel festzustellen. Teilweise erhalten die Anspruchsberechtigten Nahrungsmittel, deren Verfallsdatum unmittelbar bevorsteht oder die bereits abgelaufen sind. Aufgrund dieser Probleme kam es kürzlich sogar zu Hungerstreiks in bayerischen Unterkünften.[5]

 

Kleidung

Kleidung wird oftmals nur mittels Kleiderkammern oder durch Wertgutscheine zur Verfügung gestellt. Auch hier gilt: Kleidung hat nicht nur die Funktion des Bedeckens und Wärmens des Körpers, sondern ist Ausdruck der Persönlichkeit. Personen, die Leistungen nach dem AsylbLG erhalten, ist diese Freiheit jedoch vorenthalten.

 

Insbesondere Personen mit besonders großen bzw. kleinen Kleidermaßen haben Schwierigkeiten, die passende Kleidung zu finden. Mitunter erhalten die Bezieher von Sachleistungen erst lange nach Wintereintritt wintertaugliche Kleidung, Teilweise sind die angebotenen Kleider verschlissen oder dreckig.

 

Gesundheits- und Körperpflege

Sogenannte Hygienepakete werden meist mit dem gleichen Deodorant, Duschgel, Shampoo etc. bestückt. Der Bedarf nach diesen Mitteln ist jedoch höchst individuell, zum Beispiel je nachdem ob die konkrete Person sprödes oder fettiges Haar hat. Auch Binden und Windeln werden teilweise, zum Beispiel in Bayern, nicht nach Bedarf, sondern nach vorgegebenen Stückzahlen ausgegeben. Cremes zum Beispiel zur Rehabilitation spröder und gerissener Haut bei Kälte im Winter sind in der Regel nicht vorgesehen, Kosmetika zum Beispiel zur Behandlung oder Abdeckung unreiner Haut ebenso wenig. Damit wird teilweise das Schamgefühl der Betroffenen verletzt. Auch Gesundheitsartikel, die nicht entsprechend §4 AsylblG der Behandlung einer akuten und schmerzhaften Krankheit dienen, werden nicht gewährt, zum Beispiel rezeptfreie Medikamente zur Behandlung von Erkältungskrankheiten.  

 

 

Weitere Sachleistungen

Für Schulmaterialien werden teilweise einmalig Gutscheine zum Beispiel in Höhe von 40 Euro (Bayern) ausgegeben, die den Bedarf jedoch nicht decken. Damit können nicht die notwendigen Unterrichtsmaterialien besorgt werden, wodurch Kinder an der Mitarbeit im Schulunterricht gehindert werden. Gerade Kinder, die die deutsche Sprache lernen wollen, brauchen Wörterbücher, die auch im Zuge von der mancherorts noch vorhandenen Lernmittelfreiheit nicht übernommen werden. Ein Schulranzen ist in dem Betrag nicht vorgesehen, sodass die Kinder mit Plastiktüten zur Schule gehen.

 

Die zum Teil nur leihweise zur Verfügung gestellten gebrauchten elektrischen Haushaltsgeräte entsprechen oft nicht mehr den Sicherheitsstandards und stellen eine Unfallquelle dar. Gebrauchte Küchengegenstände sind zum Teil nicht mehr zu reinigen und können Krankheiten hervorrufen.

 

 

1.2   Die Sachleistungen in Kombination mit anderen Leistungen nach AsylblG

 

Neben den Sachleistungen spielen für die Betroffenen auch andere Leistungen im Kontext mit dem Sachleistungsbezug eine Rolle. Auf diese wird im Folgenden eingegangen:

 

Leistungen in Form von Warengutscheinen

Neben den Sachleistungen sind auch Warengutscheine aus folgenden Gründen als problematisch anzusehen: Sie können häufig nur in bestimmten Geschäften im jeweiligen Landkreis eingelöst werden. Sie sind zeitlich und inhaltlich festgelegt (einzulösen bis ..., Warengutscheine für z.B. Herrenbekleidung, Unterwäsche, Socken, Schuhe). Sie erfordern zwingend einen passgenauen Einkauf, da Rückgeld meist nur bis höchstens 10% des Warengutscheinwertes erstattet wird. Insgesamt wird das Einlösen von Wertgutscheinen von vielen Betroffenen als diskriminierend empfunden. So kommt es vor, dass für Kleidungsstücke, die rabattiert waren, der ursprüngliche Preis berechnet wurde. Zudem gibt es für benötigte Bekleidung vorgegebene, teilweise nicht marktgerechte Preise: Oftmals ist der vorgegebene Satz für Leistungen zu niedrig, so dass es kaum möglich ist, das Kleidungsstück oder einen anderen Gegenstand für den vorgesehenen Preis zu finden.

 

Die Problematik der Wertgutscheine lässt sich auch an einem Beispiel aus Hessen verdeutlichen: „Innerhalb eines Umkreises von einem Kilometer um die Wohnung von Frau A. gibt es ledig­lich zwei Supermärkte: der nächstgelegene (…) weigert sich, die Warengutscheine des Hochtaunuskreises anzunehmen; der andere Supermarkt ist ein teurer Markt, der von seinem Preisniveau für Frau A. für ihre Einkäufe nicht in Frage kommt. Sie muss daher sämtliche Einkäufe für sich und ihre fünfjährige Tochter von weiter entfernt liegenden Supermärkten nach Hause holen, ohne Geld für Fahrtkosten gewährt zu bekommen und zur Verfügung zu haben“.

 

Sachleistungen im Verhältnis zu Sonstigen Leistungen nach § 6 AsylbLG

Der Regelsatz und damit der Gegenwert der Sachleistungen sind auf ein Minimum beschränkt, besondere Bedarfe sind nicht vorgesehen. Weitere erforderliche oder unerlässliche Leistungen können über § 6 AsylblG gewährt werden. In der Gesetzesbegründung hieß es: „Diese leistungsrechtliche Auffangvorschrift ist notwendig, weil die voranstehenden Regelungen – insbesondere § 2 [jetzt §3, Anm.d.A.] – Pauschalleistungen auf niedrigem Niveau vorsehen, die auf den typischen Regelfall abgestellt sind“ (vgl. Bundestagsdrucksache 12/4451, S.10). Sie können „insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind“. In der Statistik zum Asylbewerberleistungsgesetz (siehe Bundesamt für Statistik Fachserie 13 Reihe 7) wird ersichtlich, dass die Aufwendungen sehr gering sind (nur etwas mehr als 2% der Gesamtleistungen), sodass viele Kosten, die insbesondere für die besonderen Bedürfnisse von Kindern entstehen, nicht abgedeckt sind. Zudem ist auch hier die behördliche Praxis laut Aussage der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/3660, S.13) sehr unterschiedlich. Jedoch betrifft ein beträchtlicher Anteil dieser Summe wohl die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Mitwirkungspflicht (zum Beispiel Gebühren für Ausweispapiere), wodurch der Rahmen für kinderspezifische und gesundheitliche Maßnahmen weiter reduziert ist. Dies entspricht auch den Rückmeldungen aus der Beratungspraxis, wonach besondere Leistungen nur im äußersten Ausnahmefall gewährt werden. Dadurch werden Kindern, die Leistungen des AsylblG beziehen müssen, de facto Rechte, die sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ergeben, vorenthalten. Das Recht auf freie Entwicklung ihrer Persönlichkeit wird dadurch vereitelt.

 

Taschengeld

Sämtliche Leistungen, die nicht nach § 3 oder § 6 AsylblG gewährt werden, müssen von dem Taschengeld in Höhe von 40,90 Euro finanziert werden. Dabei geht es meist nicht um „persönliche Bedürfnisse“, für die das Taschengeld vorgesehen ist, sondern um Ausgaben, die der Verwirklichung von Rechten dienen, insbesondere, wenn es um gesundheitliche oder kindspezifische Erfordernisse geht. Auch wird das Taschengeld zur Rechtsdurchsetzung aufgewendet. Nach deutschem Recht muss prinzipiell jeder Zugang zu Gerichten haben. In der Praxis trifft dies aber für Personen mit Leistungen nach AsylbLG kaum zu: So muss zur Durchsetzung von Rechten oft ein Rechtsanwalt beauftragt werden, dessen Gebühren meist über dem Jahresbudget des Taschengeldes liegt. Der gerichtliche Erfolg insbesondere in Abschiebungshaftsachen zeigt, dass dies oftmals eine notwendige Investition ist, da die Betroffenen ohne Rechtsanwalt ihr Recht nicht hätten durchsetzen können. Dennoch können Rechte oft nicht verwirklicht, weil sie auch mit dem Taschengeld alleine nicht finanziert werden können und Prozesskostenhilfe häufig nicht gewährt wird.

 

Selbst wenn das Taschengeld nicht für die Verwirklichung von Rechten genutzt werden muss, ist es keineswegs ausreichend, um ein Mindestmaß der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse sicherzustellen.

 

  1. Das Sachleistungsprinzip ist teuer und verwaltungsaufwändig

 

Begründet wurde die Einführung des AsylblG und des Sachleistungsprinzips mit einer angesichts der großen Zahl von Asylsuchenden als erforderlich gehaltener Reduzierung von Kosten. In der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 12/4451) wurden damals Einsparungen in Höhe von 1,4 Milliarden DM erwartet. Doch schon der Bericht des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages 1993 ging von lediglich 400 Millionen DM Einsparpotential aus (Bundestagsdrucksache 12/5009). Seitdem haben die Ausgaben erheblich abgenommen. Im Jahr 2009 lagen sie laut Statistischem Bundesamt erstmals unter einer Milliarde €.

 

Die Kosten des Sachleistungsprinzips zu beziffern, führt zu unterschiedlichen Einschätzungen zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteure[6]. Jedoch erklärt auch die Bundesregierung, „dass die Kosten für die Grundleistungen je Leistungsempfänger nach dem AsylbLG in einigen Bundesländern mit hohen Sachleistungsquoten relativ hoch sind“ (Bundestagsdrucksache 17/3660, S. 27) . Dies wird auch aus der Asylbewerberleistungsstatistik des Statistischen Bundesamts ersichtlich.[7]

 

Zahlreiche Städte und Landkreise sind aus diesem Grund nach und nach dazu übergegangen, Geldleistungen anstelle von Sachleistungen zu gewähren. Beispielhaft sei hier die Stadt Münster genannt. Dort wurde die Ausgabe von Gutscheinen 2007 abgeschafft, nachdem eine Unternehmensberatungsfirma der Stadt vorgerechnet hatte, dass damit jährlich ein fünfstelliger Betrag in der Verwaltung gespart werden könnte.

 

Angesichts der direkten materiellen und immateriellen Kosten und der Folgekosten ist das Sachleistungsprinzip aus Sicht der BAGFW auch aus Kostengründen als nicht verhältnismäßig anzusehen.

 

Trotz der Erweiterung des leistungsberechtigten Personenkreises hat die Zahl der leistungsberechtigten Personen kontinuierlich abgenommen und sind die Ausgaben entsprechend des Asylbewerberleistungsgesetzes gesunken. Von einer evidenten Einwanderung in Sozialsysteme dieses Personenkreises kann daher nicht gesprochen werden.

 

 

Abschließende Bewertung des Sachleistungsprinzips und Handlungsbedarf

 

Die Bundesregierung hat mittlerweile eingeräumt, dass die Festsetzung der Leistungssätze im AsylbLG nicht den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 entspricht, mit anderen Worten, dass das AsylbLG in seiner jetzigen Fassung verfassungswidrig ist. Für das kommende Jahr steht daher eine grundsätzliche Novellierung an. Diese sollte sich nicht nur auf die Leistungshöhe beziehen, sondern auch die anderen genannten Aspekte wie die Bezugsdauer, den Kreis der Leistungsberechtigten und insbesondere das Sachleistungsprinzip in den Blick nehmen.

 

Aus Sicht der BAGFW verstößt die dauerhafte Gewährung von Sachleistungen gegen die Menschenwürde und greift unverhältnismäßig in Grundrechte ein. In dieser Stellungnahme wurde gezeigt, dass das Sachleistungsprinzip die körperliche und psychische Gesundheit beeinträchtigt, das Selbstwert- und teilweise Schamgefühl verletzt und die Ressourcen und Fähigkeiten der Betroffenen verringert. Es beschränkt in hohem Maße insbesondere die Entwicklung der Persönlichkeit von Kindern. Es ist zudem diskriminierend und integrationsfeindlich. Die Versorgung mit Sachleistungen ohne bzw. mit erheblich eingeschränkter Wahlfreiheit entmündigt die Menschen und macht sie zu Objekten staatlichen Handelns.

 

Auch angesichts der direkten materiellen Kosten und der Folgekosten ist das Sachleistungsprinzip aus Sicht der BAGFW auch aus Kostengründen als nicht verhältnismäßig anzusehen. In zahlreichen Bundesländern wird deshalb bereits heute – auch unter Hinweis auf die Kosten – teilweise vom Sachleistungsprinzip abgewichen.

 

Aus Sicht der BAGFW ist daher das Sachleistungsprinzip nicht nur deshalb abzulehnen, weil es eine spätere Integration behindert und mit großer Wahrscheinlichkeit Folgekosten (durch Inanspruchnahme notwendig gewordener sozialarbeiterischer und -therapeutischer Angebote produziert, sondern auch, weil es die Führung eines menschenwürdigen Lebens verhindert, diskriminierend ist und von sozialer Teilhabe ausschließt.

 

Die BAGFW plädiert aus den oben genannten Gründen für eine bundesweite Gewährung von Geldleistungen.

 

 

 



[1] Die im Zuge der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1997 mit dem gleichrangigen Arbeitsmarktzugang begründete erhöhte Vorbezugszeit auf 48 Monate ist schon allein deshalb sachfremd, da es für den gleichrangigen Arbeitsmarktzugang nicht auf eine Vorbezugszeit, sondern auf den Einreisezeitpunkt ankommt. Damit werden de facto oft nicht gleichzeitig während des grundsätzlichen Arbeitsverbotes oder nachrangigen Arbeitsmarktzugangs Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz bezogen. Vielmehr unterbricht die eigenständige Lebensunterhaltssicherung innerhalb der ersten vier Jahre den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die im Falle von Arbeitslosigkeit angehängt werden.

[2] „Bei den beiden in Absatz 2 Nr 1 und 2 genannten Personengruppen erfolgt also eine soziale Einbindung, die es rechtfertigt, sie aus dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes herauszunehmen“ (Bundestagsdrucksache 14/4451, S. 7). In der Gesetzesbegründung der Fraktionen der CDU/CSU und FDP in ihrem damaligen Antrag heißt es „Dadurch können die Leistungen gegenüber der Sozialhilfe, die vom Individualisierungsgrundsatz ausgeht und ein existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben der Leistungsberechtigten ‚auf eigen Füßen‘ in der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel hat, vereinfacht und auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel kurzen, vorübergehenden Aufenthaltes abgestellt werden“ (Bundestagsdrucksache 14/4451, S. 5).

[3] Stellungnahme der BAGFW v. 28.04.2009 zur Bundestagsanhörung 4. Mai 2009 (BT-Dr. 16/10837)

[4] Bundestagsdrucksache 17/3660, S.?

[5] Beispielhaft für viele andere steht an dieser Stelle folgende aktuelle Darstellung aus Bayern: „250 Bewohnerinnen und Bewohner …erklärten am Montag, 22. November, den unbefristeten Hungerstreik. Gleichzeitig haben 12 Bewohnerinnen des Lagers in … und 50 Bewohner des Lagers … begonnen, die Annahme der Essenspakete zu boykottieren; auch der am 9. November begonnene Essenspaketeboykott in … wird fortgesetzt. Damit erreicht der Protest in bayerischen Lagern ein Ausmaß wie seit mindestens 10 Jahren nicht mehr. Die Forderungen der Flüchtlinge: Geld statt Essenspaketen; Privatsphäre, Hygiene und menschenwürdiges Wohnen: Wohnungen statt Flüchtlingslager; bessere medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung; Abschaffung der Residenzpflicht; Zugang zu Deutschkursen und Bildungsangeboten; das Recht, zu arbeiten. Überall brennen den protestierenden Flüchtlingen ähnliche Probleme auf den Nägeln: Zwangsunterbringung in extremer Enge, mit 4 bis 8 Personen auf einem Zimmer, unter krankmachenden Bedingungen. Versorgung mit minderwertigen Essenspaketen, die erwachsenen Menschen die Selbstbestimmung über eigene Ernährung und eigene Ausgaben verwehrt. Die fortbestehende Beschränkung der Bewegungsfreiheit durch Residenzpflicht. Skandalös schlechte medizinische Versorgung, bei der häufig Krankenscheine für notwendige Behandlungen und Medikamente verweigert werden. Dass Menschen, die gerne ihr eigenes Geld verdienen würden, bei der Suche nach Arbeit und Ausbildung blockiert werden. Dass es für Flüchtlinge viel zu wenig Sprachkurs- und Bildungsangebote gibt. Und nicht zuletzt der respektlose und erniedrigende Umgangston vieler BehördenmitarbeiterInnen und Lagerleitungen. Während … für den besonders schlechten Zustand der Lagergebäude berüchtigt ist, kommt in den kleinen Ortschaften die Isolation in der ländlichen Abgeschiedenheit als besondere Härte für die Flüchtlinge hinzu“.

[6] Zu der Frage nach den Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften kommt eine Studie des Bayerischen Flüchtlingsrats zu dem Ergebnis, dass bei 7.636 Flüchtlingen (Stand: November 2009) in Bayern, die auf dem privaten Wohnungsmarkt untergebracht werden können und somit nicht dem Sachleistungsprinzip unterliegen, ein jährliches Einsparvolumen von 2,83 Mio. € realistisch ist. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung kommt im März diesen Jahres auf eine Einsparung von 7,7 Mio. €/Jahr bei Aufrechterhaltung der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften.

[7] Statistisches Bundesamt „Sozialleistungen – Leistungen an Asylbewerber“ Fachserie 13 Reihe 7, 2008