Gemeinsames Positionspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-pflege (BAGFW) zur Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

Die Europäische Union verhandelt derzeit ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Grundlage hierfür ist ein Mandat, das der Rat der EU gegeben hat.

Die Europäische Union verhandelt derzeit ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Grundlage hierfür ist ein Mandat, das der Rat der EU gegeben hat.

 

Die BAGFW hat im September 2014 erste Kernpositionen und Erwartungen formuliert, die in Freihandelsabkommen zu berücksichtigen sind. Diese Positionen wurden mit dem BMWi eingehend diskutiert und in diesem gemeinsamen Positionspapier zusammengefasst. Das vorliegende Positionspapier zielt ausschließlich darauf ab, die im nationalen und europäischen Recht bestehende Struktur, Organisation, Finanzierung und Aufgabenwahrnehmung bei der (gemeinnützigen) Erbringung sozialer Dienstleistungen zu sichern. Für andere Aspekte des Abkommens verweisen die Unterzeichner auf das gemeinsame Papier des BMWi mit dem DGB vom 18.09.2014, insbesondere darauf, dass die Fähigkeit von Parlamenten und Regierungen, Gesetze und Regelungen zum Schutz und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu erlassen, auch nicht durch die Schaffung eines „Regulierungsrates“ im Kontext regulatorischer Kooperation oder durch weitgehende Investitionsschutzvorschriften eingeschränkt werden darf.

 

1)    Die Freie Wohlfahrtspflege leistet mit ihren Diensten und Einrichtungen einen entscheidenden Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und stellt zudem einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. In TTIP sollen daher keine Regelungen zu spezifischen Organisationsformen der Leistungserbringung getroffen werden, die die Organisation und Struktur der Leistungserbringung durch die Freie Wohlfahrtspflege in Frage stellen.

 

2)    Die gemeinnützige Leistungserbringung, insbesondere auch im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis, darf durch TTIP nicht in Frage gestellt werden. TTIP darf bestehende Möglichkeiten nicht beeinträchtigen, durch entsprechende Maßnahmen soziale Dienstleistungen weiterhin öffentlich zu finanzieren und zu fördern.

 

3)    In TTIP dürfen für die Daseinsvorsorge keine zusätzlichen Marktöffnungsverpflichtungen für Deutschland übernommen werden, die über das im WTO-Dienstleistungsabkommen (GATS) von 1995 bereits verbindlich Geregelte hinausgehen. Bei Erbringung von Dienstleistungen durch ausländische Anbieter müssen die in Deutschland geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu Standards und Lizenzierung für soziale und Gesundheitsdienstleistungen eingehalten werden. Die TTIP-Regelungen sollen somit nicht zu Änderungen in den Rahmenbedingungen für die sozialrechtliche Leistungserbringung durch Dienste der freien Wohlfahrtspflege führen.

 

4)    Deutschland hat im GATS für den Bildungsbereich einen Vorbehalt, der Maßnahmen für alle Bildungseinrichtungen umfasst, die gemischt oder rein öffentlich finanziert sind. Darüber hinaus wurden für rein privat finanzierte Bildungsdienstleistungen im GATS teilweise Öffnungsverpflichtungen übernommen. Diese beziehen sich z.B. auf die rein privatfinanzierte Erwachsenenbildung. Auch im TTIP sollen keine weitergehenden Verpflichtungen enthalten sein, als sie im GATS-Abkommen bereits enthalten sind.

 

5)    Drei EU-Vergaberichtlinien müssen in den kommenden zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt  werden. Für öffentliche Auftraggeber in Deutschland sollen in TTIP keine neuen Verpflichtungen übernommen werden, die über den Status quo des EU-Vergaberechts hinausgehen. Insbesondere dürfen durch ein Beschaffungskapitel in TTIP die nach dem EU-Vergaberecht bestehenden Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und innovativer Aspekte für soziale und Gesundheitsdienste sowie die Möglichkeit vorbehaltener Aufträge für die Integration von Menschen mit Behinderungen und benachteiligten Personen nicht in Frage gestellt werden.

 

6)    BMWi und BAGFW halten im Grundsatz[1] Investitionsschutzbestimmungen in Handelsabkommen zwischen entwickelten Rechtsstaaten wie der EU und den USA weder für sinnvoll noch für erforderlich. Daher stehen sie dem Konzept von Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP mit Skepsis gegenüber. In TTIP muss mindestens sichergestellt sein, dass nichtdiskriminierende Maßnahmen der Gesetzgebung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen keine Schadensersatzansprüche für Investoren begründen können. Ein einklagbares Recht auf Marktzugang darf es nicht geben.



[1] Für die BAGFW gilt dieser Satz ohne Einschränkung.