Stellungnahme der BAGFW - 2018 SPC thematic reporting questionnaire:Social services that complement active labour market inclusion measures for people of working age who are furthest away from the labour market

I. Overview

 

Please provide a brief overview of the general approach in your country to support the social inclusion of people of working age who are furthest away
f
rom the labour market (around 500 words)

Please describe further the target group, possible sub-groups and respective support measures.

Für arbeitsmarktferne Menschen im erwerbsfähigen Alter sieht das Sozialleistungs- system im SGB II die Grundsicherung für Arbeitssuchende vor. Aufgabe und Ziel der Förderung im SGB II ist neben der Existenzsicherung auch die Unterstützung bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, damit langfristig der Lebensunterhalt wieder aus ei- genen Mitteln und Kräften durch Erwerbsarbeit unabhängig von der Grundsicherung bestritten werden kann. Der gesetzliche Rahmen zur Erbringung von Eingliederungs- leistungen (§ 16 SGB II i.V.m SGB III) ist weit gespannt und ermöglicht potentiell viele Förderaktivitäten, um auch arbeitsmarktferne Personen schrittweise wieder an den allgemeinen Arbeitsmarkt heranzuführen. Die Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit sind oftmals sehr heterogen. Neben Hemmnissen wie z. B. ein höheres Alter, geringe Qualifikation oder fehlender Bildungsabschluss, können auch gesundheitliche und psychische Probleme oder fehlende Kinderbetreuung die Vermittlung in Arbeit er- schweren. Deshalb gibt es neben den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gem. § 16 SGB II auch kommunale Eingliederungsleistungen, die die Betreuung minder- jähriger oder behinderter Kinder, die häusliche Pflege von Angehörigen, Schuldner- beratung, psychosoziale Beratung oder eine Suchtberatung vorsehen. Die kommunalen Eingliederungsleistungen sollen bei der Lösung der persönlichen Prob- leme unterstützen und so zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt beitragen, wenn sie auch in der Regel nicht alleine zum Erfolg führen. Diese Leistungen können nur insofern erbracht werden, als sie für die Eingliederung der Leistungsberechtigten ins Erwerbsleben erforderlich sind (§ 16a SGB II). Neu ist das Vorhaben der Bundes- regierung, mit längerfristiger öffentlich geförderter Beschäftigung ein Angebot zur Teilhabe an Erwerbsarbeit für sehr langjährige Arbeitslose ohne Zugang zum Ar- beitsmarkt zu schaffen. Alle genannten Ansätze sind darauf gerichtet, die Erwerbsin- tegration zu befördern; darüber kann auch soziale Teilhabe vermittelt werden.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege plädieren dafür, auch die soziale Teilhabe als Ziel im SGB II zu verankern. Zur Teilhabe gehört neben auskömmlichen Regel- bedarfen und einer sozialen Infrastruktur auch Teilhabe durch Arbeitsmöglichkeiten. Leistungsberechtige, die z.B. psychische Probleme haben, brauchen für den Erhalt ihrer Teilhabechancen allerdings auch niedrigschwellige Angebote, die nicht unmit- telbar der Aufnahme und Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit dienen.

Für die Zielgruppe der schwer erreichbaren Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurde zudem subsidiär zu den Maßnahmen nach dem im SGB VIII geregelten Kin- der- und Jugendhilfegesetz der § 16h SGB II geschaffen. Dieser soll schwer erreich- baren Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Förderung ermöglichen, um individuelle Schwierigkeiten zu überwinden und erforderliche therapeutische Behand- lungen einzuleiten, aber auch um sie in die Lage zu versetzen, eine „… schulische, ausbildungsbezogene und berufliche Qualifikation abzuschließen oder anders ins Arbeitsleben einzumünden“ bzw. „Sozialleistungen zu beantragen oder anzunehmen“ Leistungen nach § 16h SGB II sind nachrangig gegenüber Leistungen nach SGB

VIII. Grundsätzlich sollte der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungen für diese Zielgruppe anbieten. Nur im Falle, dass eine gleichartige – wie in § 16h be- schriebene – Leistungserbringung durch die örtliche Jugendhilfe tatsächlich nicht erfolgt, kann eine Leistung über das Jobcenter erbracht werden.

 

II. Questionnaire

 

1. What social services, besides active labour market inclusion measures, are available in your country to support the people of working age furthest away from the labour market?

Please list the social services available for this sub/ group/s. Please focus on the need they address.

Are these social services part of the mainstream social services or are they specifically set- up to support the people of working age furthest from the labour market?

 

Neben der Arbeitsförderung (SGB III) ist die “Grundsicherung für Arbeitssuchende” (SGB II) das zentrale Sicherungssystem für Menschen im erwerbsfähigen Alter, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sicherstellen können. Neben der Existenzsicherung sieht das SGB II Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§ 16 SGB II) und die sogen. kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SBG II vor. Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit richten sich teils explizit an arbeits- marktferne Personen, wie z.B. die Instrumente der öffentlich geförderten Beschäfti- gung oder haben – mit Einschränkungen – das Potential, in der Praxis so ausgerichtet zu werden, dass sie den Bedürfnissen arbeitsmarktferner Personen ge- recht werden. Insbesondere die vorbereitenden bzw. flankierenden Maßnahmen gem. § 16a SGB II sollen verhindern helfen, dass die Eingliederung ins Erwerbsleben an Schwierigkeiten scheitert, die in der allgemeinen Lebensführung ihren Grund ha- ben und werden auch sozial-integrative Leistungen genannt. Umfasst sind: die Be- treuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung und Suchtberatung. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege stellen in der Förderpraxis gravierende För- derlücken fest.

Zentrale Voraussetzungen für Ansprüche nach dem SGB II ist die Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II). Zu den Leistungsberechtigten gehören folglich nicht nur Arbeitslose, sondern auch sog. Aufstocker, deren Einkommen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht. Einige Arbeitsmarktdienstleistungen richten sich speziell an arbeitsmarktferne Personen. Die sozial-integrativen Leistungen des § 16 a SGB II haben diese Einschränkung nicht. Sie sind jedoch nur dann zu erbringen, wenn es der ganzheitlichen Unterstützung und Betreuung bedarf und sie für die Eingliederung in das Erwerbsleben erforderlich sind.

 

2. Are there conditions on access to these services/measures?

Please describe the access criteria per (type of) service/measure (e.g.: universal or targeted, type of means-test, referral, needs assessment, eligibility of social assistance beneficiaries, etc.).

Leistungen nach § 16a SGB II können nur an Leistungsberechtigte des SGB II er- bracht werden, d.h. wenn Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II besteht. Folglich ist es ausgeschlossen, eine präventive Leistung vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit zur erbringen, was die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege kritisieren. Die Leistungen müssen “für die Eingliederung der oder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben erforderlich” sein, § 16a SGB II. Dafür genügt es, wenn sich langfristig eine Verbesserung der Eingliederungschancen erreichen lässt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Vorliegen einer Eingliederungsvereinbarung nicht Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach § 16a SGB II. Wenn der erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit anderen Personen, insbes. mit Kindern, in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, können Sach- und Dienstleistungen nach § 16a SGB II auch an diese erbracht werden, wenn sie deren Eingliederungschancen verbessern.

 

3. How are the services provided?

Please describe the level of the administration and provision (national, regional, local level), type of providers (public, NGO, private for profit), accreditation measures, and funding sys- tem.

Please describe if any of the measures are provided as a part of an integrated/complex pro- vision?

 

§ 16a SGB II umfasst vier Leistungen. Die Kinderbetreuung wird von Kommunen, privaten, kirchlichen Anbietern und Trägern der Freien Wohlfahrtspflege erbracht. Schuldner-, Sucht- und psychosoziale Beratung werden zum Großteil von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, aber auch von freien Trägern und dem sozial- psychiatrischen Dienst, der in der Regel bei den Kommunen angesiedelt ist, erbracht. Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gem. § 16 SGB II werden in der Praxis als Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung von freien Trägern, privat-gewerblichen Bil- dungsanbietern und teils auch von staatlichen Einrichtungen wie z.B. Schulen durchgeführt.

Leistungsberechtigte nach dem SGB II werden von ihrem Fallmanager einer Maß- nahme zugewiesen und müssen sich vor Ort das Angebot ihrer Wahl aussuchen. Die Maßnahmen der § 16 a-h SGB II werden von privaten Anbietern bzw. den Verbän- den der Freien Wohlfahrtspflege angeboten. Die Ausrichtung und Schwerpunkte der Maßnahmen werden von den regionalen Jobcentern nach den regionalen Bedingun- gen gestaltet. Aufgrund der örtlich unterschiedlichen Situation gibt es keine einheitliche Organisation der Leistungserbringung.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege erbringen Leistungen der genannten Art vielerorts auch für Nicht-Leistungsberechtigte. Aufgrund der oft prekären Refinanzie- rung dieser Beratungsstellen gibt es regelmäßig lange Wartelisten. In der Situation,

in der Menschen z. B. eine Schuldner- oder Suchtberatungsstelle aufsuchen, besteht jedoch in der Regel akuter Handlungsbedarf, damit sich z.B. die Verschuldungssituation nicht verschlimmert. Die Verbände fordern daher eine regelhafte Finanzierung dieser Angebote für alle Ratsuchenden.

 

4. How are these services focusing specifically at the social inclusion?

Please describe briefly how the provision of the services is specifically aiming at the social inclusion of this group of people (if relevant at national/regional or local levels). For example, vocational rehabilitation for people with disabilities aimed at their further integration into the labour market, or housing and coaching/psychological counselling for homeless people.

 

Please describe briefly how the respective measures/services elaborate a path-way for social inclusion of the people of working age furthest away from the labour market?

Please focus on the cooperation/link between these services and the active labour market measures/ services (if existing), or on the overall long-run strategy requiring cooperation of these two types of services.

 

Eine Abstimmung zwischen den sozial-integrativen § 16a-Leistungen und Arbeits- marktleistungen sollte insofern stattfinden, als dass sie Teil einer Integrationsstrate- gie sind, die die Integrationsfachkraft im Jobcenter gemeinsam mit dem Leistungs- berechtigten vereinbart. In der Praxis ist die räumliche und zeitliche Koordination der unterschiedlichen Leistungen schwierig, weil sie in der Regel durch verschiedene Träger umgesetzt werden und notwendige Ressourcen zur Koordination der Hilfen oft nur im Fallmanagement der Jobcenter bereitstehen. Eine einzelfallübergreifende Abstimmung der Hilfen unterschiedlicher Rechtskreise, z.B. im Rahmen der kommu- nalen Sozialplanung, findet insgesamt zu wenig statt.

Für Menschen mit Behinderungen sind im SGB IX spezielle Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe geregelt. Ziel ist es gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dazu gehört ganz wesentlich auch die Teilhabe am Arbeitsleben.

 

Spezielle Maßnahmen für Wohnungslose sieht das SGB II bzw. der § 16 a SGB II nicht vor. Diese können z. B. auf Grundlage der §§ 67 f. SGB XII erbracht werden.

In der Straffälligenhilfe gilt es vor allem sicherzustellen, dass Maßnahmen direkt nach der Haft begonnen werden können. D.h. Planung und Beantragung sollte noch während der Haft und in Kooperation mit den Strafvollzugsbehörden erfolgen.

 

5. What is the role of the European Structural and Investment Funds?

If applicable, please describe the use of the European Structural and Investment Funds (es- pecially the European Social Fund) in establishing and running the services.

Für den Europäischen Sozialfonds gilt das Prinzip der Zusätzlichkeit, d.h. Förderung durch EU-Programme darf keine nationale Regelförderung ersetzen. ESF-Förderung wird daher auf Bundes- und Landesebene genutzt, um zusätzliche Angebote u.a. zur Integration bestimmter Gruppen in den Arbeitsmarkt zu entwickeln und neue Ansätze und Maßnahmen zu testen (Innovation). Die entsprechenden Projekte werden u.a. durch Wohlfahrtsverbände, Kommunen oder die Jobcenter durchgeführt. Auf Bundesebene wird beispielsweise ein Programm zur Re-Integration von Müttern in die  Erwerbstätigkeit angeboten oder arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Leistungsbe- zieher im SGB II durch intensives Coaching, gezielte Betriebsakquise und einen fi- nanziellen Zuschuss für Arbeitgeber in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Um die Leistungsfähigkeit des ESF zu steigern, müssen jedoch für die Projektträger drin- gend Verwaltungserleichterungen eingeführt werden. Für Obdachlose und stark be- nachteiligte EU-Zugewanderte wird zusätzlich der Europäische Hilfsfonds EHAP genutzt, um diese an die Regelinstrumente des bestehenden Hilfe- und Unterstüt- zungssystems heranzuführen. Projekte werden hier von einem Wohlfahrtsverband oder einer Migrant(inn)enorganisation gemeinsam mit der Kommune durchgeführt. Die Nachfrage durch diese Zielgruppe übersteigt die Erwartungen bei weitem, so dass dieses Angebot ausgebaut werden sollte und aus Sicht der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege am besten in die Regelförderung überführt werden sollte.

 

6. What are the monitoring practices?

Please describe how the objectives are monitored. What assessment and monitoring tools have been put in place (e.g. indicators, evaluations, audits)? Which areas are covered through monitoring (e.g. quality aspects, take-up of the social services, etc.)?

Die Inanspruchnahme der Instrumente im SGB II (inklusive der kommunalen Einglie- derungsleistungen nach § 16a) wird durch die Jobcenter statistisch erfasst. Die Daten sind in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit öffentlich einsehbar.

Ein Monitoring der unterschiedlichen sozialen Hilfen für arbeitsmarktfernste Personen findet – wenn überhaupt – nur punktuell im Rahmen der kommunalen Sozialplanung statt. In der Arbeitsmarktpolitik des Bundes gibt es eine ausdifferenzierte Wirkungs- forschung, deren Reichweite sich aber auf die Arbeitsmarktförderung im engeren Sinne begrenzt (und insofern benachbarte Hilfesysteme wie etwa die psychiatrischen Hilfen oder Angebote der Kinder- und Jugendhilfe ausblendet) und nur die Wirkung einzelner Arbeitsmarktinstrumente auf die Erwerbsintegration beleuchtet. Es fehlen Studien, die systematisch individuelle Fallverläufe nachzeichnen und damit qualitative Erkenntnisse über Fortschritte und Misserfolge im zeitlichen Förderverlauf und im Zusammenwirken unterschiedlicher Hilfen liefern.