Stellungnahme der BAGFW zu den geplanten Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des BVFG (Stand: 30. Juni 2006)

Wir begrüßen die geplanten Änderungen im BVFG, weil sie dringend klärungsbedürftige Fälle einer Lösung zuführen, für die sich die Wohlfahrtsverbände seit geraumer Zeit engagieren. Dies gilt insbesondere für:

Wir begrüßen die geplanten Änderungen im BVFG, weil sie dringend klärungsbedürftige Fälle einer Lösung zuführen, für die sich die Wohlfahrtsverbände seit geraumer Zeit engagieren. Dies gilt insbesondere für:

 

¨      den Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft bei fehlender Vermittlung der deutschen Sprache wegen einer Behinderung und

¨      die Frage der Einbeziehung von Personen, die aufgrund geistiger oder körperlicher Gebrechen nicht in der Lage sind, einen Sprachstandstest zu bestehen.

 

In der bisher geltenden Fassung des BVFG ist dieser Personenkreis vom Statuserwerb ausgeschlossen, weil das Bestehen des Sprachtests oder Sprachstandstests unabdingbare Voraussetzung für die Anerkennung aus eigenem Recht oder für die Einbeziehung ist. Im Falle fehlender Grundkenntnisse der deutschen Sprache beim Personenkreis des § 7 Abs. 2 BVFG ist dies in der Regel gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit der Aufnahme der weiteren Familienangehörigen; selbst der Spätaussiedler, der im Besitz eines gültigen Bescheides ist, wird vor die Wahl gestellt, sich entweder von seinen Angehörigen zu trennen oder auf den Statuserwerb zu verzichten. Eine Lösung dieses Problems über die Vorschrift des § 27 Abs. 2 BVFG ist nicht möglich; auch die Vorschriften des AufenthG können nur bedingt Abhilfe schaffen.

 

Wir begrüßen auch die in § 15 Abs. 2 BVFG enthaltene Klarstellung, dass der Bescheinigung für nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge doppelte Funktion zukommt. Sie dient dem Nachweis des Status und der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BVFG. Damit werden Folgen beseitigt, die sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.08.2005 (5 C 19.04) ergeben; die hiervon Betroffenen können zumindest den Deutschenstatus erwerben.

 

Ebenso begrüßen wir die Neufassung des § 94 BVFG wegen der erweiterten Möglichkeiten bei Erklärungen zur Namensführung.

 

Da jedoch aus unserer Sicht noch teilweise Klärungsbedarf zu einigen Gesetzesänderungen besteht und einige Aspekte in dem Entwurf des Änderungsgesetzes nicht berücksichtigt wurden, haben wir diese in der nachfolgenden Übersicht im Einzelnen erläutert.

 

 

I.        Die Gesetzesänderungen im Einzelnen, bei denen aus unserer Sicht noch teilweise Klärungsbedarf besteht:

 

 

§ 5 BVFG; § 28 Abs. 1 Satz 2 BVFG:   Erweiterung der Ausschlusstatbestände

 

Mit der Erweiterung der Ausschlusstatbestände im Sinne des § 5 BVFG erfolgt eine Angleichung an andere gesetzliche Vorschriften wie im StAG und im AufenthG. Soweit es sich um den Ausschluss gewaltbereiter Extremisten sowie Personen handelt, die in den Aussiedlungsgebieten schwerwiegende vorsätzliche Straftaten begangen haben, die nach deutschem Recht ein Verbrechen darstellen, ist diese Regelung aus unserer Sicht grundsätzlich zu bejahen.

 

Hinsichtlich des neu eingefügten Ausschlusstatbestandes nach § 5 Nr. 1 d BVFG wäre eine Klarstellung wünschenswert, dass bei der Verjährung bzw. Tilgung der Tat nach deutschem Recht auf den Zeitpunkt der Bescheiderteilung abzustellen ist.

 

Aufgrund der häufig fehlenden Vergleichbarkeit mit den im Aussiedlungsgebiet ausgeurteilten Strafen und dem deutschen Strafrecht ist unserer Auffassung nach sicherzustellen, dass die Bescheidungsbehörden jeden Einzelfall einer genauen Prüfung  nach den Maßstäben des deutschen Strafrechts unterziehen. Bereits die derzeitige Praxis einiger deutscher Auslandsvertretungen bei der Visumerteilung an Inhaber von Aufnahme- oder Einbeziehungsbescheiden zeigt, dass allein das Vorliegen einer im Ausland begangenen Straftat zum Anlass für eine Visumversagung genommen wird und eine differenzierte Überprüfung unterbleibt.

 

 

§ 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG; § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG:   Nachweis von Sprachkenntnissen bei Behinderung

 

Mit der geplanten Änderung in § 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG, wonach die Feststellung der deutschen Sprachkenntnisse nunmehr entfallen soll, wenn dem Aufnahmebewerber die deutsche Sprache wegen einer Behinderung nicht vermittelt werden konnte, wird eine Lücke geschlossen, die bisher zu erheblichen Härten bei der Familienzusammenführung für die Betroffenen geführt hat. Gleichzeitig wird damit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 3 GG Rechnung getragen.

 

Mit dieser Regelung ist - dem Gesetzeswortlaut nach - zumindest denjenigen Betroffenen geholfen, deren Behinderung während der sog. Prägungsphase (bis zum Alter von etwa 16 bis 18 Jahren) vorlag. Fraglich bleibt aber, was mit Betroffenen geschieht, bei denen zwar eine Vermittlung erfolgen konnte, diese aber wegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht nachgewiesen werden kann, d.h. wenn jemand aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung nicht mehr (Deutsch) sprechen kann. Diese Fallkonstellation ist ähnlich häufig anzutreffen wie die vorgenannte, wird aber vom Wortlaut des neugefassten § 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG nicht erfasst. Insoweit besteht aus unserer Sicht eine Regelungslücke.

 

Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BVFG soll auch für diejenigen nichtdeutschen Ehegatten und Abkömmlinge eine Einbeziehung möglich sein, die wegen einer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen können. Die Einführung dieser Regelung ist – ebenso wie die in § 6 Abs. 2 Satz 4 enthaltene – zu begrüßen, verhindert sie doch besondere Härten, die von den Betroffenen nicht zu vertreten sind, gleichwohl aber bislang ihrer Einbeziehung und damit vielfach auch gleichzeitig der Aufnahme ihrer Angehörigen entgegenstehen.

 

 

§ 15 Abs. 1 Satz 3, 4 BVFG:   Beteiligung von Sicherheitsbehörden

 

In § 15 Abs. 1 Satz 3 BVFG wird die Beteiligung der Sicherheitsbehörden im Bescheinigungsverfahren entsprechend der Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 BVFG festgeschrieben. Es wird dabei nicht geregelt, ob diese Beteiligung erneut oder erstmals, d. h. mit Blick auf Bescheide, die vor Inkrafttreten dieser Regelung erteilt wurden („Altbescheide“), erfolgen soll.

 

Die Sicherheitsanfrage ist unseres Erachtens in diesem Stadium des Verfahrens überflüssig. Sie gehört in das Aufnahmeverfahren, damit Personen, die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, überhaupt nicht erst nach Deutschland einreisen. Welche zusätzlichen Erkenntnisse erst nach der Einreise gewonnen werden können, ist nicht ersichtlich. Anfragen bei deutschen Behörden über Sicherheitserkenntnisse können auch schon vorher erfolgen.

 

Es wäre außerdem wünschenswert, wenn für Inhaber von „Altbescheiden“ (d. h. solche, die vor In-Kraft-Treten der Neufassung erteilt wurden/werden) die Beteiligung der Sicherheitsbehörden bereits im Visumverfahren erfolgen könnte. Wenngleich die Versagung eines Visums im Einzelfall durchaus eine Härte darstellen kann, sind die daraus resultierenden Folgen für den Einzelnen leichter zu bewältigen, als nach Einreise in Deutschland. Eine Rückkehr und ein Neuanfang im Aussiedlungsgebiet, nachdem dort kurz zuvor alles aufgegeben wurde, dürften dem Betroffenen ungleich schwerer fallen, insbesondere wenn er im Vertrauen auf den Bestand des Bescheides ausgereist ist. Schon allein deswegen ist eine Sicherheitsüberprüfung vor Bescheiderteilung, zumindest aber vor Ausreise das mildere Mittel.

 

 

§ 100 Abs. 4 Satz 1, 2; § 100 Abs. 5 BVFG:   Übergangsregelungen

 

In § 100 Abs. 4 Satz 2 wird die Fortgeltung der vor dem 01.07.1990 an Personen erteilten Übernahmegenehmigungen, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, zum 01.01.2010 aufgehoben. Eine vergleichbare Regelung enthält § 100 Abs. 5 im Hinblick auf vor dem 01.01.1993 erteilte Aufnahmebescheide.

 

Zur Begründung für diese Regelung wird - pauschal – darauf verwiesen, dass die Annahme eines Kriegsfolgeschicksals im Sinne von § 4 Abs. 2, das bis heute fortwirkt, bei EU-Bürgern nicht mehr gerechtfertigt sei. Dass eine unterschiedliche Behandlung von Aufnahmebewerbern nach § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 BVFG in der derzeit geltenden Fassung zutreffend ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 03.03.1998 (9 C 3.97) zur Frage, ob § 4 Abs. 2 BVFG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, festgestellt. Es hat dabei auch dargelegt, aus welchen Gründen eine unterschiedliche Behandlung der Aufnahmebewerber, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, gerechtfertigt ist. Diese Ausführungen dürften zumindest teilweise fortgelten.

 

Problematisch dürften in diesem Bereich daher die Fälle werden, in denen die Betroffenen eine Übernahmegenehmigung/einen Aufnahmebescheid erhielten und erst später ihren Wohnsitz in einem der in § 100 Abs. 4 und 5 BVFG genannten EU-Mitgliedsstaaten genommen haben oder nehmen. Allein durch den Wohnsitzwechsel dürfte deren Kriegsfolgeschicksal nicht entfallen sein. Auch hier sehen wir noch Klärungsbedarf. Eine Abgrenzung könnte z.B. danach erfolgen, ob die Betroffenen vor oder nach dem Ende des totalitären Systems in der ehemaligen Sowjetunion (Februar 1990) oder vor oder nach der Unabhängigkeit der Baltischen Staaten dort ihren Wohnsitz genommen haben.

 

Darüber hinaus wird in § 100 Abs. 4 und 5 BVFG eine sog. Maßgabenregelung eingeführt, die dazu dienen soll, die neu aufgenommenen Ausschlusstatbestände des § 5 Nr. 1 d und e auch auf Inhaber von „Altbescheiden“ anzuwenden. Es soll damit sichergestellt werden, dass auch Aufnahmebewerber, die mit einer vor dem 01.07.1990 erteilten Übernahmegenehmigung oder mit einem vor dem 01.01.1993 erteilten Aufnahmebescheid dauerhaft in das Bundesgebiet einreisen, den Spätaussiedlerstatus nur bei Nichtvorliegen des Ausschlusstatbestandes erwerben.

 

Es erscheint aus unserer Sicht jedoch fraglich, ob die nachträgliche Einführung der Maßgabenregelung (Neufassung von § 5 Nr. 1 d und e) mit dem damaligen Gesetzeszweck vereinbar ist. Gegebenenfalls liegt hier sogar ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor.

 

 

§ 100 a BVFG:   Übergangsregelung

 

Die Regelung von § 100 a Abs. 2 BVFG knüpft an die Regelungen von § 100 Abs. 4 und 5 hinsichtlich des Statuserwerbs an bzw. vervollständigt sie, in dem sie die Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 5 Nr. 1 d und e auch auf Bescheide vorsieht, die ab dem 01.01.1993 erteilt wurden.

 

Von dieser Regelung sind jedoch dem Gesetzeswortlaut nach Inhaber von Einbeziehungsbescheiden nicht erfasst. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit halten wir eine entsprechende Regelung für sinnvoll und geboten.

 


II.       Vom Entwurf des 7. Änderungsgesetzes noch unberücksichtigte Aspekte:

 

§ 8 Abs. 2 BVFG:   Gemeinsame Einreise mit Kernfamilie

 

Angesichts der beabsichtigten Änderungen im Aufenthaltsgesetz, die sich mit dem Ehegattennachzug befassen (vgl. dort §§ 28, 30 AufenthG) und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die im Mai dieses Jahres vereinbarte und mit erheblichen Auflagen versehene Erweiterung des IMK-Beschlusses eine gemeinsame Einreise des Spätaussiedlers mit seiner Kernfamilie kaum erleichtert, wäre es wünschenswert, eine Regelung im BVFG in Anlehnung an die z. Zt. geltende Fassung von § 28 AufenthG zu schaffen, um der (drohenden) Unmöglichkeit des Ehegattennachzugs wegen fehlender deutscher Sprachkenntnisse entgegenzuwirken.

 

Treten die Änderungen zum Ehegattennachzug, wie im Referentenentwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes geplant, in Kraft, scheitert ein Ehegattennachzug an den unter Umständen nicht vorhandenen Sprachkenntnissen der nachziehenden Ehegatten des Spätaussiedlers, was bereits deren Einbeziehung in einen entsprechenden Bescheid verhinderte. Die Kernfamilie des Spätaussiedlers würde dann endgültig in ihrem Bestand gefährdet werden.

 

 

§ 15 Abs. 2 BVFG; § 27 Abs. 2 BVFG:   Nachträgliche Einbeziehung

 

Aufgrund der fehlenden Übergangsregelung mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes kann es in bestimmten Fallkonstellationen zur Versagung der Ausstellung der Bescheinigung als Abkömmling kommen. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Personen, die mit einem Aufnahmebescheid aus eigenem Recht eingereist sind, die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG jedoch nicht erfüllen. Davon betroffen sind meistens nicht sprachgetestete Personen, die zu Unrecht einen Aufnahmebescheid erhalten haben, oder aber Personen, die zu einem Zeitpunkt den Aufnahmebescheid erhalten haben, zu dem ein Sprachtest – noch – nicht erforderlich war. Diese Personen wären aber gleichwohl bei ihren Bezugspersonen – auch  - einzubeziehen gewesen, wenn es rechtzeitig erkannt worden wäre.

 

Eine solche „nachträgliche“ Einbeziehung kommt seit dem 01.01.2005 nicht mehr in Betracht, weil in der Regel für derartige Fälle kein ausdrücklicher Antrag einer Bezugsperson vorliegt. Da sich in diesen Fällen das Fehlen einer Übergangsregelung besonders  bemerkbar macht und dies zu Härten bei der Familienzusammenführung führt, wäre es wünschenswert, eine Einbeziehung für sog. Altfälle auch dann zu ermöglichen, wenn die Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung aus eigenem Recht nicht erfüllen, sehr wohl aber eine Bezugsperson in Deutschland lebt, in deren Aufnahmebescheid nachträglich einbezogen werden könnte. Dies betrifft auch einen Wechsel der Bezugsperson, der seit dem 01.01.2005 ebenfalls nicht mehr möglich ist.