Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts

Die BAGFW begrüßt die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs, die Europäische Genossenschaft in das deutsche Recht einzuführen und zugleich das deutsche Genossenschaftsrecht zu modernisieren.

Die BAGFW begrüßt die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfs, die Europäische Genossenschaft in das deutsche Recht einzuführen und zugleich das deutsche Genossenschaftsrecht zu modernisieren.

 

Zur Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Genossenschaft gegenüber der neuen Rechtsform nach europäischem Gemeinschaftsrecht ist insbesondere eine Novellierung des deutschen Genossenschaftsgesetzes unerlässlich.

 

Vor diesem Hintergrund ist die Erweiterung des Förderzwecks der Genossenschaft für soziale und kulturelle Belange in § 1 Absatz 1 des Entwurfs eine sinnvolle Ergänzung. Die BAGFW sieht jedoch Klärungsbedarf in der steuerlichen Beurteilung der Genossenschaft (siehe nachfolgend 1.).

 

Erörterungsbedarf sieht die BAGFW hinsichtlich des monistischen Systems und der Rechtsstellung der Prüfungsverbände (siehe nachfolgend 2.).

 

 

1.    Steuerliche Beurteilung

 

Herkömmlich ist die Genossenschaft die Rechtsform für eine Wirtschaftsgesellschaft mit solidarischen Anteilen. Kennzeichnend ist der finanzielle Beteiligungsaspekt des Einzelnen, verbunden mit der Zweckverfolgung eines wirtschaftlichen Vorteils und der Prüfungsnotwendigkeit durch Prüfungsverbände gleichfalls mit wirtschaftlichem Bezugspunkt. Der herkömmliche Satzungszweck der Genossenschaft ist der wirtschaftliche Vorteil durch die Genossenschaftstätigkeit und dieser zugunsten der Mitglieder und nicht der Allgemeinheit.

 

Die beabsichtigte Erweiterung des Genossenschaftszwecks um die Förderung „sozialer“ oder „kultureller Belange“ wirft die Frage nach der Übertragbarkeit dieses Modells auf gemeinnützige, ideell geprägte und solidarisch strukturierte Rechtsträger auf. Gemeinnützigkeitsrechtlich ist nicht eine begrenzte Anzahl von Mitgliedern, sondern die Allgemeinheit zu fördern und dies wirtschaftlich in den Grenzen der Geprägetheorie.

 

Die Verwendung von Mitteln im Rahmen der Gemeinnützigkeit hat ausschließlich und unmittelbar zur Förderung gemeinnütziger Zwecke zu erfolgen. Eigenwirtschaftliche Zwecke dürfen nicht überwiegen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Selbstlosigkeit des gemeinnützigen Handelns durch das genossenschaftliche Grundmodell nachhaltig in Frage gestellt zu sein.

 

Die zivilrechtliche Öffnung des Genossenschaftszweckes bedeutet noch nicht seine steuerrechtliche Akzeptanz als gemeinnützig anerkannte Rechtsform. Die eindeutige steuerrechtliche Einstufung einer Genossenschaft setzt aber zum einen steuerliche Klarheit im Mitgliedsstaat Deutschland voraus, zum anderen wäre eine nicht gemeinnützige Wesensform ein mitgliedschaftliches Aufnahmehindernis nach den Verbandssatzungen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege.

 

Zwar lässt § 8 Abs. 1 Nr. 5 Genossenschaftsgesetz die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Personen, welche nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, in der Satzungsgestaltung zu. Auch verweist der Körperschaftsbegriff der Abgabenordnung i.V.m. dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung auf das Körperschaftssteuergesetz und schließt Genossenschaften als Körperschaft im Sinne des Steuerrechts und des Gemeinnützigkeitsrechts nicht aus.

 

Andererseits ist die Genossenschaft nach § 17a Genossenschaftsgesetz Formkaufmann im Sinne des Gesetzes. Auch bleibt nach § 51 Abs. 1 AO die Steuervergünstigung von Körperschaften im dargelegten Sinne an die gemeinnützige bzw. kirchliche oder mildtätige Zweckverfolgung gebunden.

 

In § 1 Abs. 1 Ziff. 2. Körperschaftssteuergesetz tauchen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften als unbeschränkt steuerfähige Körperschaften auf. Befreit sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 9. Körperschaftssteuergesetz lediglich Körperschaften, die nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen und den dort genannten weiteren Zwecken folgen. In § 5 Abs. 1 Ziff. 10. u. 14. sind Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unter eingeschränkten Voraussetzungen von der unbegrenzten Steuerpflicht befreit, soweit sie dem Wohnungsbau sowie land- und forstwirtschaftlichen Aufgaben dienen und einen bestimmten Umfang ihrer Einnahmen nicht überschreiten.

 

Aus dem Körperschaftsbegriff allein lässt sich daher kein Schluss auf die Genossenschaft als gemeinnützige Rechtsform ziehen.

 

Die exakte Bewertung dieses Rechtsinstituts supranational wie national ist deshalb im weiteren Erörterungsprozess der Reform auszuloten. Eine eindeutig verbindliche Bestätigung der Finanzverwaltung zur Gemeinnützigkeitsverträglichkeit ist zu fordern.

 

 

2.  Strukturelle Feststellungen

 

2.1      Einführung des monistischen Systems durch den Gesetzentwurf

 

Das Gesetz sieht die Einführung der monistischen Organisationsstruktur beim europäischen Genossenschaftsmodell vor. Mit der vollständigen Wahlfreiheit zwischen monistischem und dualistischem System findet eine Abkehr vom zentralen Gedanken des Corporate Governance Kodex statt. Durch die Möglichkeit, sich bei der Errichtung der Europäischen Genossenschaft für das monistische System, und damit einen Verwaltungsrat, zu entscheiden, wird die Trennung von Aufsicht und Leitungsfunktion gerade aufgehoben. Dies bedeutet einen Rückschritt für die erreichte Organisationsqualität der Verbände, die sich für die Beibehaltung des dualen Systems aussprechen.

 

 

2.2      Rechtsstellung der Prüfungsverbände

 

In verbandspolitischer Hinsicht ist die Stellung der Prüfungsverbände respektive der Genossenschaftsverbände als Prüfungsverbände im Verhältnis zu den Landesverbänden und ihren Mitgliedern zu gewichten.

 

Die gesetzliche Zwangsmitgliedschaft einer jeden Genossenschaft bei einem Prüfungsverband bedeutet für jedes Mitglied der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege oder der Landes- und Fachverbände eine Doppelmitgliedschaft mit doppelten Kosten.

 

Die von den Prüfungsverbänden praktizierte Wirtschaftlichkeitsprüfung bezieht sich in der Praxis längst auch auf die Art und Weise der tatsächlichen Geschäftsführung. Im Falle einer beanstandeten tatsächlichen Geschäftsführung kommen die Dienstleistungstochterunternehmen der Genossenschaftsverbände ins Spiel, die zur Problemlösung angeboten werden. Hier stellt sich die Frage einer Verlagerung des Selbstbestimmungsrechts der Genossenschaften auf den Genossenschaftsverband als Prüfungsverband.

 

Soll die Genossenschaft im sozialen Non-Profit-Bereich flächendeckend Fuß fassen, ist eine Abkehr von der gesetzlichen Zwangsmitgliedschaft im Genossenschaftsverband zu erörtern. Ein Spannungsfeld besteht auch darin, dass zwar die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Mitglied im Genossenschaftsverband sein können, nicht aber umgekehrt der gewerbliche Genossenschafts- bzw. Prüfungsverband Mitglied in den gemeinnützigen Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege werden kann. An einer Verfestigung von Doppelstrukturen kann ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege kein grundlegendes Interesse haben.