Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung (PsychThGAusbRefG)

Mit dem Reformvorhaben werden die Regelungen zur Approbation für Psychothera-peuten auf eine neue Grundlage gestellt.


A.   Einleitung und zusammenfassende Bewertung


Mit dem Reformvorhaben werden die Regelungen zur Approbation für Psychotherapeuten auf eine neue Grundlage gestellt. Mit der Schaffung eines Psychotherapiestudiums und einer sich daran anschließenden Approbation wird aus der heutigen Ausbildung in einem psychotherapeutischen Verfahren künftig eine Weiterbildung. Es handelt sich um eine wesentliche Strukturreform, die große Auswirkungen auf das psychotherapeutische Versorgungsangebot in Deutschland haben wird. Hierbei bleiben zentrale Fragen im Gesetzentwurf unbeantwortet, die wesentlich sind, um die Auswirkungen der Reform bewerten zu können. Der Gesetzentwurf lässt beispielsweise offen, welche Kriterien an Universitäten gestellt werden sollen, die künftig ein Psychotherapiestudium anbieten wollen. Es gibt keine Angaben dazu, welche Zahl an Studienplätzen - des neu zu schaffenden Studienfachs der Psychotherapie - der Bundesgesetzgeber anstrebt und für erforderlich hält. Beide Punkte sind entscheidend für den Umfang und die Qualität des zukünftigen Versorgungsangebotes. Wesentlich für das Gelingen einer solch umfassenden Strukturreform ist darüber hinaus, dass Finanzierungsfragen des Aus- und Weiterbildungssystems ausreichend geklärt sind. Diese werden in dem vorliegenden Entwurf ausgeklammert.

Aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ist es erforderlich, dass in den Vorgaben für das Studium und die Approbationsordnung obligatorische Praxisphasen integriert werden, die außerhalb des Gesundheitswesens zu absolvieren sind. Das Thema Sucht sollte verbindlicher Bestandteil des Psychotherapiestudiums sein. Zur Stärkung der Patientenrechte sollte die höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich zur Kostenerstattung durch die GKV im Falle eines Systemversagens im Bereich der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung entwickelt hat, ins Gesetz aufgenommen werden. Dies schafft Transparenz für Patientinnen und Patienten. Des Weiteren muss gewährleistet sein, dass Absolventen der Studiengänge der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik, der Heilpädagogik und der Erziehungswissenschaft, die ihr Studium mit dem Ziel aufgenommen haben, im Anschluss eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu absolvieren, in einer ausreichenden Übergangszeit weiterhin Zugang zur Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie-Ausbildung haben.


B.   Stellungnahme zu den Einzelvorschriften


Artikel 1: Psychotherapeutengesetz

§ 7: Ziel des Studiums, das Voraussetzung für die Erteilung einer Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut ist

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege halten eine integrative bio-psycho-soziale Ausbildung und die Einbeziehung (sozial- und heil-) pädagogischen Wissens in den neu zu schaffenden Studiengang der Psychotherapie für unverzichtbar. Bei der Reform bzw. Weiterentwicklung der Ausbildung zum/zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten /-therapeutin (KJP) darf die Expertise und Erfahrung der akademischen Sozialberufe nicht vernachlässigt werden.


Änderungsbedarf
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„Ziel des Studiums, das Voraussetzung für die Erteilung einer Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut ist (1) Das Studium, das Voraussetzung für die Erteilung einer Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut ist, vermittelt entsprechend dem allgemein anerkannten Stand psychotherapiewissenschaftlicher, psychologischer, pädagogischer, medizinischer, sozialarbeitswissenschaft-licher bzw. sozialpädagogischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse die grundlegenden personalen, fachlich-methodischen, sozialen und umsetzungsorientierten Kompetenzen, die für eine eigenverantwortliche, selbständige und umfassende psychotherapeutische Versorgung von Patientinnen und Patienten aller Altersstufen im Sinne von § 1 Absatz 2 dieses Gesetzes mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren erforderlich sind.“


§ 28: Abschluss begonnener Ausbildungen

Bei den Übergangsregelungen gilt es sicher zu stellen, dass die in § 5 Abs. 2 des Psychotherapeutengesetzes genannten Studiengänge der Pädagogik und Sozialpädagogik in der aktuellen Studienpraxis in der Regel anders benannt werden. Es ist wesentlich, dass die Übergangsregelungen ebenfalls auf Studierende sowie auf Absolventinnen/Absolventen mit einem Bachelor- und Masterabschluss der Sozialen Arbeit inklusive Heilpädagogik sowie der Erziehungswissenschaft Bezug nehmen.

Der Begriff der Sozialpädagogik ist veraltet. In den Studienordnungen der meisten Bundesländer sind die Inhalte des früheren Sozialpädagogik-Studiums im Studium der Sozialen Arbeit aufgegangen. Der Gesetzestext nimmt jedoch Bezug auf den Begriff der Sozialpädagogik. Daher bedarf es aus unserer Sicht zudem einer entsprechenden Klarstellung.


Artikel 2 Nummer 1: Kostenerstattung für psychotherapeutische Leistungen

Es ist vorgesehen zu regeln, dass selbstbeschaffte Leistungen bei einem Psychotherapeuten auf Grund eines Systemversagens nur dann durch gesetzliche Krankenkassen erstattet werden können, wenn diese gemäß § 95c SGB V ins Arztregister eingetragen sind. An dieser Stelle sollte ergänzt werden, wann Patientinnen und Patienten ein Recht darauf haben, sich eine psychotherapeutische Leistung selbst zu beschaffen. Hierzu hat sich eine höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt. Eine zumutbare Wartezeit liegt demnach zwischen sechs Wochen und drei Monaten (BSG Az. 6 RKA 15/97). Eine „Notwendigkeitsbescheinigung“ werde benötigt, die beispielsweise durch einen Vertragsarzt aufgestellt werden kann. Weist der Versicherte nach, dass er sich bei mindestens drei Vertragspsychotherapeuten vergeblich um einen Termin bemüht hat, hat er ein Recht auf Kostenerstattung, wenn er sich die Leistung privat bei einem qualifizierten Therapeuten selbst beschafft. Diese Regelungen sind im Sinne der Stärkung von Patientenrechten ins Gesetz aufzunehmen. Eine solche Vorgehensweise schafft Transparenz für Patientinnen und Patienten.

 

C.   Ergänzende Änderungsbedarfe


Obligatorische Praxisphasen außerhalb des Gesundheitswesens in das Studium und in die Approbationsordnung integrieren

Im Rahmen der obligatorischen Praxisphasen sollten Studierende der Psychotherapie Erfahrungen in Institutionen sammeln, die nicht originär zum Gesundheitswesen gehören. Erfahrungen mit psychotherapeutischen Tätigkeiten in Einrichtungen der institutionellen Versorgung könnten beispielsweise in der Jugendhilfe, in Beratungsstellen, der Gemeindepsychiatrie, der Behindertenhilfe und Suchthilfe gesammelt werden. Auf diese Weise könnten Studierende einen umfangreicheren Einblick über mögliche spätere Beschäftigungsmöglichkeiten gewinnen. Ein solcher Ansatz kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, einem Fachkräftemangel in der institutionellen Versorgung entgegen zu wirken. Darüber hinaus könnte ein solches Vorgehen zu einem besseren Verständnis über die vielfältigen Versorgungsangebote unter Psychotherapeuten beitragen.

Es sollte außerdem berücksichtigt werden, dass Erfahrungen in der Behandlung von Menschen mit besonderen Versorgungsbedarfen (z. B. Menschen mit Migrationshintergrund, Psychotherapie bei Menschen mit Intelligenzminderung) zu sammeln sind. Die genannten Anforderungen sollten sich auch in der zukünftigen Approbationsordnung wiederfinden. Dies wird ebenfalls von der Bundespsychotherapeutenkammer in ihren Empfehlungen für „Regelungen von Praxisphasen in der Approbationsordnung“ gefordert.


Das Thema Sucht sollte verbindlicher Bestandteil des Psychotherapiestudiums sein

Vor dem Hintergrund einer Komorbidität zwischen 50-90% bei Substanzstörungen und psychischen Störungen (vgl.: Brand 2015, <link http: bit.ly>bit.ly/2RNHHlq) sollte das Thema Sucht verpflichtender Bestandteil eines Psychotherapiestudiums sein. Für die spätere Berufspraxis ist es wesentlich im Rahmen der Hochschulausbildung explizit zu diesem Indikationsbereich und den besonderen Erfordernissen von Suchtpatientinnen und –patienten geschult zu werden.