Stellungnahme der BAGFW zum Referentenentwurf zu einer Verordnung zum Anspruch auf Schutzmasken zur Vermeidung einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung – SchutzmV)

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bedanken sich für die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Schutzmasken-Verordnung. Insgesamt wird vorgeschlagen, die FFP2-Masken nicht an alle Risikogruppen der Gesamtbevölkerung kostenfrei bzw. unter einer Eigenbeteiligung von 2 Euro abzugeben, sondern die Abgabe auf die Bevölkerungsgruppen zu beschränken, die sich die vergleichsweise teuren und gut schützenden FFP2-Masken nicht leisten können.

Zusammenfassende Bewertung

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bedanken sich für die Möglichkeit einer Stellungnahme zur Schutzmasken-Verordnung. Insgesamt wird vorgeschlagen, die FFP2-Masken nicht an alle Risikogruppen der Gesamtbevölkerung kostenfrei bzw. unter einer Eigenbeteiligung von 2 Euro abzugeben, sondern die Abgabe auf die Bevölkerungsgruppen zu beschränken, die sich die vergleichsweise teuren und gut schützenden FFP2-Masken nicht leisten können. Damit die Masken auch die vulnerabelsten Personengruppen wie obdachlose und wohnungslose Menschen, Menschen mit tatsächlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik und Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität erreichen, sind unbürokratische Wege zu finden. Die genannten Personengruppen sind oftmals nicht versichert und können somit von den Krankenkassen auch nicht den erforderlichen Berechtigungscoupon erhalten. Daher ist es am sinnvollsten, die Masken über die Einrichtungen und Dienste, die sie betreuen und versorgen, zu verteilen.

Wir weisen darauf hin, dass eine Pauschale von 6 Euro die gegenwärtigen „Marktpreise“ der FFP2-Masken zum Teil noch übersteigt, sodass diese Pauschale die Preisspirale für FFP2-Masken noch weiter nach oben treibt; dieser Effekt kann politisch nicht gewollt sein. Insgesamt entstehen dem Bund und damit dem Steuerzahler durch eine Abgabe von Schutzmasken auch an Bevölkerungsgruppen, die sich die Schutzmasken aus eigenem Einkommen problemlos kaufen können, zusätzliche Kosten von 2,5 Mrd. Euro. Dies ist vor dem Hintergrund der hohen Lasten, die die Bürgerinnen und Bürger für die Bewältigung der Pandemie tragen müssen, nicht akzeptabel.

Zu den Einzelregelungen nehmen wir wie folgt Stellung:

 

§ 1 Anspruchsberechtigter Personenkreis

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege begrüßen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und auch Nichtversicherte der Personenkreise gemäß den Nummern 1 und 2 des Absatzes 1 Anspruch auf Schutzmasken haben, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Einbezogen werden müssen aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege aber auch Personen, die ihren tatsächlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben sowie Personen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Stellungnahme zur Definition von Risikogruppen für eine Abgabe von FFP2-Masken ausdrücklich die obdachlosen Menschen als Risikogruppe benannt. Diese sollten auf jeden Fall unabhängig von der Altersgrenze oder unabhängig von einer der in Nummer 2 vorliegenden konkreten schwerwiegenden Vorerkrankungen zum Kreis der Schutzmasken-Berechtigten zählen. Zum einen ist es bei Menschen, die wohnungslos sind, schwer, die zur Abgabe von FFP2-Masken berechtigenden Erkrankungen zu erfassen, weil sie i.d.R. Arztpraxen nicht aufsuchen; zum anderen kann sich gerade diese Personengruppe die Eigenbeteiligung von 2 Euro für die Schutzmasken finanziell nicht leisten.

Wir begrüßen, dass nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 alle Personen über 60 Jahren grundsätzlich Anspruch auf Schutzmasken haben. Die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Erkrankungen entsprechen weitestgehend der Auflistung der Erkrankungen, die sowohl der GBA als auch die STIKO als Risikofaktoren für einen schweren oder tödlichen Verlauf von SARS-CoV-2 benannt hat.

  • Gemäß deren Empfehlungen sollte in der Auflistung die Demenz ergänzt werden, da sie auch Patient/innen unterhalb von 60 Jahren betreffen kann.
  • Studien, die vom GBA und der STIKO zitiert sind, haben erwiesen, dass die Trisomie 21 ebenfalls zu den Risikofaktoren zählt.
  • Bei der Herzinsuffizienz sollte neben dem chronischen Zustand auch die akute Herzinsuffizienz sowie Vorhoffflimmern, Koronare Herzerkrankungen (KHK) und arterielle Hypertonie erfasst werden.
  • Auch wenn die Adipositas häufig mit anderen in den Nummern 2 genannten Komorbiditäten korreliert, sollte sie gesondert von der Liste erfasst sein.
  • Da auch Menschen mit Immundefizienzen oder Autoimmunerkrankungen in ähnlicher Weise wie Krebspatient/innen ein geschwächtes Immunsystem aufweisen und somit einem hohen Risiko für schwere Krankheitsverläufe unterliegen, sollten diese Erkrankungen ebenfalls in die Auflistung aufgenommen werden. Das gilt auch für Menschen mit seltenen Erkrankungen.
  • Wie vom GBA vorgeschlagen, sollten auch Menschen mit chronischen Lebererkrankungen in den Kreis der Berechtigten aufgenommen werden.

Änderungsbedarf

Um Personen mit tatsächlichem Aufenthalt sowie in aufenthaltsrechtlicher Illegalität vom Rechtsanspruch zu umfassen, werden in Absatz 1 Satz 1 sowie in Absatz 3 Satz 1 nach dem Wort „gewöhnlichen“ jeweils die Wörter „oder tatsächlichen“ eingefügt. Ergänzt wird folgender Satz: „§ 87 AufenthG findet keine Anwendung.“

Ergänzung der Auflistung der Erkrankungen in § 1 Absatz 1 Nummer 2 entsprechend der oben genannten Spiegelstriche.

§§ 2 und 3 Inhalt des Anspruchs und Informationen über die Anspruchsberechtigung

Die §§ 2 und 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs hier gemeinsam kommentiert. Es ist zu begrüßen, dass die ersten drei der insgesamt 15 FFP2-Schutzmasken für den noch verbleibenden Zeitraum bis Ende des Jahres 2020 unbürokratisch abgegeben werden sollen. Um den vulnerablen Gruppen die Abgabe der Schutzmasken in den Apotheken zu erleichtern, sollten jedoch die weiteren 12 FFP2-Masken für den Zeitraum vom 1. Januar bis 15. April nicht in zwei Chargen, sondern in einem Schritt zur Verfügung gestellt werden. Das minimiert auch das Ansteckungsrisiko in den Apotheken und erspart auch den Krankenkassen und Krankenversicherungsunternehmen die zweimalige Ausstellung der Berechtigungsbescheinigung (§ 3 Absatz 1) und reduziert damit unnötigen bürokratischen Aufwand. Da § 3 Absatz 4 den Krankenkassen aufgibt, die anspruchsberechtigten Versicherten gestaffelt nach 3 Altersgruppen (75plus, 70plus, 60plus) zu informieren, würde auch der Aufwand für die erneute Prüfung des Alters entfallen, das sich zwischen der ersten und zweiten Phase der Maskenabgabe verändert haben kann.

Wir weisen zudem darauf hin, dass die Verordnung offenlässt, an welcher Stelle der  Reihenfolge die Versicherten mit den in § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Erkrankungen im Verhältnis zu den Staffelungen nach Altersgruppen von der Krankenkasse  benachrichtigt werden sollen.

Menschen, die wohnungslos sind, einen tatsächlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben oder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität leben, erhalten i.d.R. keine Informationen von Krankenkassen, entweder weil sie nicht versichert sind oder weil sie keine feste Adresse haben, unter der sie die Information postalisch erreichen können. Die Verordnung sieht in § 1 ausdrücklich auch vor, dass Nichtversicherte die Masken erhalten können, zeigt jedoch kein Verfahren auf, wie diese über ihre Ansprüche informiert werden. Hier sollte ein unbürokratischer Weg beschritten werden, indem den Einrichtungen und Diensten, die diese Menschen versorgen und betreuen, die entsprechende Anzahl von FFP2-Masken in den Apotheken ausgehändigt wird.

 

§ 5 Erstattungspreis für die Schutzmasken

Die Apotheken erhalten für die Abgabe der Schutzmasken eine Pauschale von 6 Euro pro Schutzmaske, einschließlich Umsatzsteuer. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege merken generell an, dass die FFP2-Masken auch 9 Monate nach Beginn der Pandemie nach wie vor weitaus überteuert sind. Wenn die Apotheke 6 Euro gemäß § 6 Absatz 1 pro Schutzmaske erhält und 23,7 Mio. Bundesbürger/innen (GBA-Schätzung, die auch dieser Verordnung zugrunde gelegt wird) - mithin mehr als ein Viertel der Bevölkerung - anspruchsberechtigt sind, wird dies nicht zu dem überfälligen Absenken der Marktpreise führen, sondern die Preisspirale noch weiter ankurbeln; dieser Effekt kann im Interesse der Solidargemeinschaft nicht gewollt sein.

§ 6 Eigenbeteiligung der Anspruchsberechtigten

Für Mittelschichtangehörige stellen 2 Euro Zuzahlung kein Problem dar. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bewerten die vorliegende Verordnung jedoch aus Sicht der Menschen mit geringem Einkommen und für Transferleistungs-empfänger. Menschen mit höherem Einkommen können und werden sich die FFP2-Masken weiterhin leisten, auch über die vorgesehene Abgabemenge von 15 Masken hinaus. Unter Verteilungsgesichtspunkten setzen wir uns vehement dafür ein, die FFP2-Masken nur Geringverdienern zur Verfügung zu stellen, die zu den in § 1 Absatz 1 Nummern 1 und 2 genannten Personengruppen gehören. Dieser Personenkreis lässt sich leicht ermitteln, da den Krankenversicherungen für die Beitragsabführung die Einkommensdaten zur Verfügung stehen. Angesichts des erheblichen Einsparpotenzials könnte dann auch die Zuzahlung in Höhe von 2 Euro entfallen.

Die Ausführungen dieser Verordnung zu den Haushaltsausgaben weisen aus, dass dem Bund nach den vorgeschlagenen Regelungen Kosten in Höhe von 2,5 Mrd. entstehen würden. Diese werden in der Verordnung gegengerechnet durch das Einsparvolumen für besonders schwere Krankheitsverläufe und Krankenhaus-einweisungen. Da sich die einkommensstärkeren Gruppen die FFP2-Masken jedoch auch ohne Abgabe gegen eine geringe Eigenbeteiligung kaufen und auch in der Zukunft kaufen werden, tritt dieser Effekt der Kostengegenrechnung vermutlich nicht ein. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege setzen sich auch vor dem Hintergrund der zusätzlichen Ausgaben und steuerlichen Belastungen daher dafür ein, die Abgabe von FFP2-Masken auf die wirklich bedürftigen Bevölkerungsgruppen zu begrenzen.

Sollte der Verordnungsgeber diesem Vorschlag nicht folgen, ist zumindest sicherzustellen, dass die 2 Euro Eigenbeteiligung auf die Belastungsgrenze nach      § 62 SGB V angerechnet wird.