Stellungnahme der BAGFW zur Halbzeitbewertung des Aktionsplans zur Sozialwirtschaft (Social Economy Action Plan)

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) begrüßt die Halbzeitbewertung des Aktionsplans zur Sozialwirtschaft durch die Europäische Kommission. Als gemeinsame Stimme der sechs Wohlfahrtsverbände in Deutschland mit insgesamt 125.000 Einrichtungen, 2,1 Millionen Beschäftigten und über 3 Millionen Engagierten, bringt die BAGFW die Perspektive der Freien Wohlfahrtspflege als tragende Säule der gemeinnützigen Sozialwirtschaft ein. Die gemeinnützigen Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Daseinsvorsorge und sozialen Inklusion in Deutschland.

 

1. Herausforderungen für die gemeinnützige Sozialwirtschaft

Die BAGFW begrüßt ausdrücklich die Annahme der Empfehlung des Rates zu den Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft von 2021[1]. Herausforderungen bleiben jedoch bestehen hinsichtlich[2]:

  • einer besseren Einbindung gemeinnütziger Träger in nationale Strategien
  • des Zugangs zu Fördermitteln für gemeinnützige Träger
  • der mangelnden Anpassung des EU-Beihilfenrechts an gemeinnützige sozialwirtschaftliche Realitäten
  • sowie bei der Umsetzung sozialer Kriterien in der Vergabepraxis.

Die BAGFW sieht mit Sorge, dass sich die europäische Debatte zur Sozialwirtschaft zunehmend auf innovative Start-ups und marktbasierte Finanzierungsmodelle konzentriert. Gemeinnützige Sozialwirtschaft ist jedoch keine Ansammlung kurzfristiger Innovationsmodelle, sondern ein strukturell verankerter Teil der sozialen Daseinsvorsorge. Wettbewerb und Innovation sind wichtige Elemente, sie entfalten jedoch nur Wirkung, wenn eine solide öffentliche Daseinsvorsorge gewährleistet ist. Dafür braucht es rechtssichere Rahmenbedingungen und eine verlässliche staatliche Finanzierung gemeinnütziger Träger.

2. Relevante Bereiche der gemeinnützigen Sozialwirtschaft

Die BAGFW plädiert für einen horizontalen Ansatz, der gemeinnützige Träger in allen sozialpolitischen Sektoren einbezieht. Insbesondere in den Bereichen:

  • Pflege, Teilhabe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen
  • Arbeitsmarktintegration benachteiligter Gruppen
  • Kinder- und Jugendhilfe, Freiwilligendienst, Schulsozialarbeit, Kitas
  • Sozialberatungen, Wohnungslosenhilfe, Selbsthilfe, Suchthilfe
  • Familienzentren und andere Orte der Begegnung

3. Prioritäten für 2026-2030

Die BAGFW fordert, dass in zukünftigen Ansätzen der EU-Kommission, folgende Elemente Beachtung finden:

  • Berücksichtigung der gemeinnützigen Sozialwirtschaft bei der Überarbeitung von DAWI-Freistellungsbeschluss, AGVO und Vergaberichtlinie
  • Verbesserung der Datenlage zur Sozialwirtschaft (v. a. für die gemeinnützigen Träger)
  • Schutz des nationalen Gemeinnützigkeitsrechts vor Kollisionsrisiken mit EU-Wettbewerbsrecht
  • Verstärkte Kohärenz mit anderen EU-Initiativen (ESSR, Armutsbekämpfung, Fachkräfte)
  • Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs gemeinnütziger Träger zu öffentlichen Förderinstrumenten auf EU-Ebene (z. B. ESF+, InvestEU, RRF)

4. Bewährte Praktiken und Umsetzung, Vorschläge zur Beteiligung

Die BAGFW begrüßt die Weiterführung der Expert:innengruppe GECES, bemängelt jedoch das Fehlen einer adäquaten Repräsentation der deutschen Freien Wohlfahrtspflege. Es ist nicht nachvollziehbar warum die BAGFW, als größter deutscher Erbringer gemeinnütziger sozialer Dienstleistungen, nicht mehr Teil der GECES ist. Hier fällt außerdem auf, dass es immer noch sehr viel Unkenntnis über die Struktur sozialer Dienstleistungserbringung in Deutschland zu geben scheint. Kenntlich wurde das z.B. auch in der von GD EMPL in Auftrag gegebenen Deloitte-Studie, in der die zahlenmäßige Stärke der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland nicht mitberücksichtigt wurde. Die BAGFW hatte sich an der Befragung beteiligt, somit hätten die Zahlen bekannt sein müssen. 

Die BAGFW plädiert für die Einbeziehung gemeinnütziger Anbieter in Umsetzungs- und Monitoringprozessen. Nur durch echte Partnerschaft können die Potenziale der gemeinnützigen Sozialwirtschaft voll ausgeschöpft werden.

Ebenso fordert die BAGFW eine Beteiligung an der GECES, um unser Know-how in die Arbeit der Expert:innenengruppe adäquat einzubringen und die Partizipation zu ermöglichen.

 


[1] Council Recommendation on developing social economy framework conditions, verabschiedet vom Rat am 27. November 2023. Offiziell veröffentlicht im Amtsblatt der EU (C/2023/1344): Council Recommendation (27 Nov 2023)

[2] BAGFW (2022): BAGFW-Beitrag zur Konsultation der EU-Kommission zur Sozialwirtschaft, 29. September 2022. https://www.bagfw.de/themen/europa/detail/bagfw-beitrag-zur-konsultation-der-eu-kommission-zur-sozialwirtschaft