Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung Unterstützter Beschäftigung

Ziel der Gesetzesinitiative ist, behinderten Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bieten.

1.      Zielgruppe

 

1.1      Gesetzesvorschlag

Ziel der Gesetzesinitiative ist, behinderten Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bieten. Ihre Leistungsfähigkeit bei individuell angepassten Bedingungen soll so entwickelt werden, dass eine Eingliederung in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich wird.

1.2      Probleme

Wie schon bei den am 27. Juli 2007 vorgestellten Eckpunkten bleibt die Besonderheit der Zielgruppe dieser Gesetzesinitiative unklar: „Behinderte Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf“ sind grundsätzlich alle Menschen, die aufgrund ihrer dauerhaften Behinderung, nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden können. Im allgemeinen Teil der Begründung wird die Unterstützte Beschäftigung als Ausdruck einer modernen Behindertenpolitik bezeichnet. Es wird auch auf das Wunsch- und Wahlrecht verwiesen. Konsequenter Weise muss deshalb diese Leistung zunächst allen behinderten Menschen offenstehen, die sie wünschen und die die Eignung dazu haben. Unklar ist jedoch, ob und unter welchen Bedingungen ein Anspruch auf Leistungen der Unterstützten Beschäftigung besteht oder ein Anspruch auf einen Werkstattplatz oder ob zwischen den beiden Angeboten ein Wahlrecht besteht. Ist der Anspruch und/ oder das Wahlrecht vom Bedarf oder von der Eignung oder von beiden abhängig und welches sind die Indikatoren zur Feststellung des Bedarfs und der Eignung?

1.3      Lösungsvorschlag

Das Problem ist nur zu lösen, wenn sich der Gesetzgeber entscheidet: Entweder erhält jeder Mensch mit Behinderung, der behinderungsbedingt nicht, noch nicht oder noch nicht wieder ohne Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung findet, die Wahlmöglichkeit zwischen der Leistung „Unterstützte Beschäftigung“ oder einem Werkstattplatz (mit der dazu gehörenden Arbeitserprobung) oder das Gesetz definiert bestimmte Eignungskriterien und Bedingungen, die entweder einen Anspruch auf Unterstützte Beschäftigung oder einen Anspruch auf einen Platz in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung begründen. Eine Durchlässigkeit zwischen den beiden Leistungen ist auch bei der zweiten Alternative zu gewährleisten. Selbstverständlich muss ein Wechsel zwischen den beiden Leistungen möglich sein, wenn sich Fähigkeiten und Eignungsmerkmale des Menschen mit Behinderung verändern.

2.      Dauer der Maßnahme

 

2.1      Gesetzesvorschlag

Die Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung. Nach dem vorliegenden Konzept werden die Leistungen auf individuelle betriebliche Qualifizierung zur Erprobung und Vorbereitung auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis sowie für die Unterstützung der Einarbeitung auf einen betrieblichen Arbeitsplatz auf zwei Jahre begrenzt; unter bestimmten Umständen können sie um ein weiteres Jahr verlängert werden. Somit geht die Gesetzesinitiative davon aus, dass nach spätestens drei Jahren die Unterstützung für die Qualifizierung auf einen Arbeitsplatz nicht mehr erforderlich ist. Für Leistungen einer ggf. erforderlichen Berufsbegleitung hingegen sieht das Gesetz keine zeitliche Begrenzung im Sinne einer Höchstdauer vor. Die Leistung der Berufsbegleitung wird auf Kosten des Integrationsamts erbracht.

2.2      Problem

Bekanntlich setzen sich Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einem Wettbewerb aus. In diesem Wettbewerb wird nur ein sehr kleiner Teil der Menschen mit Behinderung bestehen können, die hier im Blick sind, wenn sie nicht für eine längere Zeit als zwei bis max. 3 Jahre entsprechend ihres individuellen Unterstützungsbedarfs durch betriebliche Qualifizierung begleitet werden. Die im Gesetz vorgesehene Höchstdauer von 3 Jahren ist daher nicht sachgerecht. Das Gesetz sieht zudem keine Regelung vor für den Fall, dass ein behinderter Mensch nach Abschluss der Qualifizierungsphase nur Tätigkeiten in einem Betrieb ausführen kann, die unterhalb der tariflicher oder im Betrieb üblicher Lohngrenzen bezahlt werden. Da die Leistungen der Berufsbegleitung auf Kosten der Integrationsämter erbracht werden, ist aufgrund der bekanntlich geringen Finanzkapazität der Intergationsämter nur mit einer verschwindend geringen Minderheit zu rechnen, die von dieser Gesetzesinitiative profitieren wird.

2.3      Lösungsvorschlag

Alle Leistungen, die die selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft oder am Arbeitsleben fördern und unterstützen, müssen am Bedarf des Menschen ansetzen. In diesem Sinn bedeutet Personenorientierung, dass der Unterstützungsbedarf unabhängig von möglichen institutionellen Ausformungen der Leistung ermittelt, festgestellt, verhandelt und schließlich gewährt wird. Die Entscheidung, ob ein Mensch mit Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, oder ob er bei ausreichender und geeigneter Unterstützung einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausfüllen kann, hängt von seinen individuellen  Fähigkeiten und Ressourcen (Funktionsbeeinträchtigungen und die Einschränkungen), aber auch von den Rahmenbedingungen des Arbeitsplatzes ab.

Dazu ist ein umfassendes Assessment erforderlich, mit dem auch die o.g. Frage von Dauer und Umfang der Unterstützungsmaßnahmen geklärt werden kann. Leistungen der Eingliederungshilfe, die für den Werkstattplatz zur Verfügung stehen, müssten auch für die Unterstützte Beschäftigung möglich sein (vgl. „Budget für Arbeit“ in Rheinland-Pfalz). So soll der Sozialhilfeträger auch einen Minderleistungsausgleich bezahlen können, sofern nach Abschluss der betrieblichen Qualifizierungsphase eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf einem tariflich eingruppierbaren Arbeitsplatz nicht möglich ist. Unterstützte Beschäftigung kann abhängig vom individuellen Bedarf während der zwei oder drei Jahre der Qualifizierungsphase hinsichtlich der Art und des Umfangs möglicherweise variieren oder auch verringert werden. Sie muss aber – angepasst an Bedarf, Eignung, Wunsch- und Wahlrecht und der Situation auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich auf Dauer möglich sein. Die Werkstätten für behinderte Menschen sollten aufgrund ihrer Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Betrieben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und mit den so genannten Außenarbeitsplätzen als ein kompetenter Anbieter für diese Leistungen der Unterstützten Beschäftigung in betracht kommen.

Es muss sichergestellt sein, dass Menschen mit Behinderung auch nach Abschluss der Leistungen der Unterstützten Beschäftigung und erfolgreicher Platzierung auf dem ersten Arbeitsmarkt weiterhin im Regelkreis des SGB IX verbleiben und nicht in den Regelkreis des SGB II wechseln, denn die Art und Schwere der Behinderung stellt bei Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Menschen, die nicht behindert sind, auch ein hohes Risiko, nicht wieder in den Erwerbsmarkt zu gelangen, dar.

3.      Anrechnung der Unterstützten Beschäftigung auf den Berufsbildungs­bereich der Werkstatt für behinderte Menschen

 

3.1      Gesetzesvorschlag

Unter Artikel 4, Nr. 4. heißt es: „Dem § 40 wird folgender Absatz angefügt: „(4) Zeiten der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 38a werden auf die Dauer des Berufsbildungsbereiches voll angerechnet“ (S. 6). An keiner anderen Stelle ist zu erkennen, welchen Anspruch Menschen mit Behinderung haben, wenn das Ziel der Unterstützten Beschäftigung nicht erreicht wird. In der Begründung ist zu lesen: „Wird während der Qualifizierungsphase festgestellt, dass der Rehabilitationsbedarf besser in einer Werkstatt für behinderte Menschen gedeckt werden kann und erfolgt der entsprechende Wechsel, ist daher eine volle Anrechung auf Zeiten des Berufsbildungs­bereichs vorzunehmen“ (S. 13). Somit wird implizit davon ausgegangen, dass ein Wechsel zwischen beiden Leistungsformen (Unterstützte Beschäftigung und Werkstattplatz) problemlos zu gestalten ist.

3.2      Problem

In der Begründung Seite 12 heißt es: „Ziel ist der Abschluss eines Arbeitsvertrages und damit die Integration des behinderten Menschen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis“. Wenn sich während der Qualifizierungsphase in der Zeit der Unterstützten Beschäftigung zeigt, dass der Mensch mit Behinderung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen wird, ist also ein Wechsel in den Berufsbildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen vorgesehen. Nicht empfehlenswert ist die Anrechnung der gesamten Zeit. Eine betriebliche Qualifizierungsmaßnahme kann nicht im vollen Umfang den Berufsbildungsbereich in der Werkstatt ersetzen.

3.3      Lösungsvorschlag

Das Konzept der Unterstützten Beschäftigung ist in ein Gesamtkonzept der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu integrieren. Dabei ist nicht nur die Leistungen nach SGB IX und SGB XII in einen konsistenten Zusammenhang zu bringen. Auch die Bemühungen um einen so genannten Sozialen Arbeitsmarkt sind in ein solches Gesamtkonzept einzubeziehen. Da ein solches Gesamtkonzept kurzfristig kaum zu erwarten ist, müssten zumindest die Lösungsvorschläge unter 1. und 2. in dieser Stellungnahme mit dieser Gesetzesinitiative umgesetzt werden. Zudem sollte die Zeit der Qualifizierungsphase während der Unterstützten Beschäftigung nur zur Hälfte auf den Berufsbildungsbereich in der Werkstatt für behinderte Menschen angerechnet werden.